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Hurrikan: Bundesregierung zapft Ölreserve an

Die Bundesregierung will im Rahmen einer international koordinierten Aktion die strategischen Ölreserven reduzieren. Das kündigte Bundeskanzler Gerhard Schröder am Freitag in Berlin an.

Berlin (02.09.2005, 15:58 Uhr) - Nach der Preisexplosion an den Ölmärkten und den enormen Hurrikan-Verwüstungen in den USA ist Deutschland bereit, im Rahmen einer internationalen Hilfsaktion Teile seiner Ölreserven auf dem Markt zu werfen. Ziel der weltweit abgestimmten Aktion auf Bitte der USA ist es, den Druck auf die Öl- und Benzinpreise zu mildern.

Wie Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) am Freitag mitteilte, haben die USA bei der Internationalen Energie-Agentur (IEA) beantragt, Teile der internationalen Ölreserven in den Markt zu bringen. «Es ist für uns selbstverständlich, dass wir den amerikanischen Antrag unterstützen», sagte Schröder. Er gehe von weltweiter Zustimmung aus.

Der Kanzler appellierte zugleich ausdrücklich an die Ölkonzerne, nach der international abgestimmten Maßnahme «auch wirklich» zu einer Senkung der Preise beizutragen. «Es kann ja nicht sein, dass die nationalen Erdölreserven international abgestimmt in den Markt gebracht werden, aber an der Preisfront nichts passiert.»

Nach Angaben Schröders sollen aus der internationalen Reserve zunächst für 30 Tage etwa zwei Millionen Barrel (1 Barrel entspricht 159 Liter) täglich auf den Markt gebracht werden. Die genaue Menge werde von der IEA festgelegt. Für Krisenfälle werden in Deutschland derzeit 13,4 Millionen Tonnen Rohöl und 11,8 Millionen Tonnen Öl- Produkte als Notreserve vorgehalten. Dazu sind Ölfirmen verpflichtet. Die Notreserven müssen für 90 Tage reichen. Bei Versorgungsproblemen kann das Wirtschaftsministerium diesen Vorrat freigeben. Andere Freigabe-Gründe wären Entscheidungen der EU und der IEA.

Schröder stellte klar, dass der Schritt nichts zu tun habe mit den Forderungen aus der Union und FDP. Mehrere Oppositionspolitiker hatten sich dafür ausgesprochen, in einem nationalen Alleingang die Ölreserven anzuzapfen und so Verbraucher und Wirtschaft zu entlasten. Regierungssprecher und Branchenexperten hatten dies als «unsinnig» und «populistisch» zurückgewiesen.

Die Voraussetzung für den jetzigen Schritt ist laut Schröder «eine andere, als das, was - wie ich finde - ohne Sachkenntnis bisher diskutiert worden ist». Vielmehr sei es zu einer Störung der Erdölversorgung weltweit gekommen. Diese sei eingetreten, weil gegenwärtig wesentliche Teile der amerikanischen Erdölversorgung nicht aufrecht erhalten würden. Daher werde der Antrag unterstützt. Die Konsequenz der IEA-Entscheidung wäre, dass die Nationalstaaten Teile ihrer Notreserven international abgestimmt in den Markt geben.

Möglicherweise sehen sich Schröder zufolge auch Spekulanten in ihren Erwartungen getäuscht. Es sei nicht nachzuvollziehen, wie ohne Rücksicht auf die jetzige Situation vermeintliche Preisspielräume genutzt werden. «Dies ist ein Verhalten internationaler Konzerne, das man nur mit Kopfschütteln und mit scharfer Missbilligung zur Kenntnis nehmen kann.» Diese Preissetzungspolitik sei «unverantwortlich».

Die Bundesregierung fordert seit längerem mehr Transparenz auf den Ölmärkten, um Preisspekulationen einzudämmen. Derzeit gehen Experten davon aus, dass vom Ölpreis von rund 70 Dollar je Barrel etwa 15 bis 20 Dollar durch Spekulationen bedingt sind.

Überlegungen von CSU-Chef Edmund Stoiber, Steuermehreinnahmen durch den Benzinpreisanstieg an die Autofahrer zurückzugeben, wurden von der Bundesregierung als Versuch gewertet, das Problem für den Wahlkampf zu instrumentalisieren. Der Staat profitiere «in keinster Weise» von den hohen Benzinpreisen, sagte der Sprecher des Finanzministeriums, Stefan Giffeler. Es gebe keine Mehreinnahmen, weder bei der Mineralöl- noch bei der Mehrwertsteuer. (tso)

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