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Haiti ist erneut schwer von einer Naturkatastrophe getroffen. Und muss bei der Beerdigung der Toten improvisieren.

© imago/Agencia EFE

Hurrikan in den USA: "Matthew" verwüstet die Karibik

In der Karibik wütet der schlimmste Wirbelsturm seit zehn Jahren. Am Freitag soll "Matthew" an der US-Ostküste an Land treffen.

Mehr als hundert Tote, erste Cholerafälle, abgedeckte Häuser, überflutete Straßen und zerstörte Infrastruktur in der Karibik – das ist die traurige Zwischenbilanz des Hurrikans "Matthew". Der Sturm war am Dienstagmorgen mit voller Wucht im Süden von Haiti auf Land getroffen, hatte die Dominikanische Republik gestreift, sich über Kuba fortbewegt und war am Donnerstag über die Bahamas gezogen. Für Freitag werde der Sturm an der südlichen Ostküste der USA erwartet, teilte das US-amerikanische Hurrikan-Zentrum teilte mit.

Obama warnt, der Sturm werde noch an Stärke zunehmen

US-Präsident Barack Obama unterbrach seinen Wahlkampf, um die Bevölkerung im Washingtoner Hauptquartier der Katastrophenschutzbehörde Fema vor dem Sturm zu warnen. In einem Video rief er die Bewohner der Bundesstaaten Florida, Georgia, South und North Carolina auf, sich in Sicherheit zu bringen. "Matthew" ist der stärkste Sturm in der Region seit einem Jahrzehnt. Zwischenzeitlich erreichte er die höchste Kategorie fünf, mit der Kategorie vier wütete er in Haiti und im Osten Kubas, bevor er sich am Mittwoch auf Stufe drei abschwächte. Obama warnte, "Matthew" werde auf dem Weg von den Bahamas zur US-Küste nicht durch Land abgeschwächt werden – im Gegenteil – der Sturm werde an Stärke gewinnen. "Dies ist ein ernstzunehmender Sturm", sagte er. Auch wenn nicht der Kern des Sturms auf Land träfe, müssten die Bewohner sich auf schwere tropische Stürme und Sturmfluten einstellen.

Im Auge des Sturms: Hurrikan "Matthew" am 5. Oktober nördlich von Kuba.
Im Auge des Sturms: Hurrikan "Matthew" am 5. Oktober nördlich von Kuba.

© dpa

Die Gouverneure der südöstlichen US-Bundesstaaten leiteten unterdessen die Evakuierung von Regionen mit etwa zwei Millionen Menschen ein. Die Bevölkerung solle sich mindestens 160 Kilometer von der Küste entfernen, teilte die Gouverneurin von South Carolina, Nikki Hailey, mit und informierte via Twitter über die Reisedauer von den Küsten ins Landesinnere. Sie riet den Menschen, ausreichend zu tanken und die Evakuierungsmaßnahmen nicht zu behindern. Florida, South Carolina und Teile von Georgia und North Carolina verhängten den Notstand. Die Behörden verteilten Sandsäcke, Schulen und Universitäten wurden geschlossen. Der Nachrichtensender NBC zeigte in einem Video lange Staus vor Tankstellen und Bilder von leer gekauften Geschäften.

Ganze Landesteile waren von der Umwelt abgeschnitten

Der Wirbelsturm verursachte auf seinem Weg nicht nur massive Sturmböen, sondern auch Überschwemmungen, Starkregen und Erdrutsche. Nach vorläufigen Angaben von Humedica, einer Hilfsorganisation mit Sitz in Kaufbeuren, war Haiti bisher am stärksten betroffen. Die Organisation Handicap International gab an, dass "Matthew" 25 Prozent der Landesfläche traf. In der Hauptstadt Port-au-Prince kam das öffentliche Leben zeitweise zum Erliegen, Häuser, Schulen und eine wichtige Verbindungsbrücke zwischen der Hauptstadt und umliegenden Städten wurden zerstört. Ganze Landesteile waren von Versorgungswegen abgeschnitten und nur noch per Hubschrauber erreichbar.

Den Menschen bot sich ein erschreckendes Bild: Unmengen von Müll und Gegenständen zog in reißenden Flüssen durch die Straßen, berichteten Helfer von Haticare. Strommasten und Bäume knickten um, Zelte, in denen Menschen provisorisch lebten, wurden durch die Luft gewirbelt. Im Süden Haitis wurden mehr als 10.000 Menschen in etwa 300 Notunterkünfte gebracht, teilte Handicap International mit. Auch auf der Nachbarinsel Kuba mussten zwischenzeitlich rund 1,3 Millionen Bewohner ihre Häuser verlassen. Die US-Streitkräfte zogen Teile ihres Personals von der Militärbasis Guantánamo ab.

Ein Helfer berichtet: "Man kommt sich so hilflos vor"

Wolfgang Groß, Geschäftsführer von Humedica, war in Haitis Hauptstadt, als der Sturm wütete. Er berichtete am Donnerstag telefonisch von seinen Eindrücken: "Die vergangenen Tag waren sehr herausfordernd. Man kommt sich so hilflos vor. In Deutschland fühlt man sich immer so sicher", sagte er dem Tagesspiegel. In solchen Momenten aber könne man einfach nichts machen. Seine eigene Unterkunft stehe noch. "Das ist ein festes Haus, aber alles was nicht niet- und nagelfest war, ist herumgeflogen." Nun wird Groß mit einem Team, das am Donnerstag aus Deutschland eingetroffen ist, als Teil einer international organisierten Hilfskoordinierung die Situation am Ort erkunden, um die richtigen Maßnahmen einzuleiten. Vorrangig bräuchten die Menschen nun Trinkwasser, sagte er.

Die Fluten nach dem Sturm schwemmen alles weg. Viele Menschen auf Haiti haben ihr gesamtes Hab und Gut verloren.
Die Fluten nach dem Sturm schwemmen alles weg. Viele Menschen auf Haiti haben ihr gesamtes Hab und Gut verloren.

© AFP

Steffen Richter, Sprecher von Humedica, sieht die Gründe für die schweren Schäden vor allem darin, dass der Sturm in sich zwar sehr schnell war, "sich aber gleichzeitig vergleichsweise langsam fortbewegt hat." Dem hätten die auf Haiti üblichen Wellblechhäuser schlicht nicht standhalten können. Das arme Land hat sich vom verheerenden Erdbeben im Jahr 2010 mit 250.000 Toten und massiven infrastrukturellen Schäden noch nicht erholt. Viele Hilfsorganisationen sind noch immer am Wiederaufbau beteiligt. Nun muss der gebeutelte Staat die Folgen von "Matthew" verarbeiten. Die für Sonntag geplanten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen wurden verschoben. Die Europäische Union sagte 255.000 Euro Soforthilfe zu. Es sei mit der Lieferung von Notunterkünften, medizinischen Gerät und Medikamenten sowie Trinkwasser begonnen worden, teilte EU-Kommissar für Humanitäre Hilfe, Christos Stylianides mit. (mit KNA/dpa/AFP)

Clara Lipkowski

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