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Dieses Satellitenbild zeigt Hurrikan "Sandy" östlich des US-Bundesstaats Georgia.

© dpa

Update

Hurrikan "Sandy": Die Ostküste bereitet sich auf einen Monstersturm vor

Mitten im Endspurt des US-Wahlkampfs wird an der Ostküste der USA ein "Monstersturm" erwartet, durch den in der Karibik bereits mindestens 50 Menschen starben. Für Washington, New York und weitere Regionen haben die Behörden den Notstand ausgerufen.

Amerika spricht in Anlehnung an die Monstergestalt der Filmindustrie von einem „Frankenstorm“. Die schiere Größe des Sturmwirbels flößt den Menschen an der Ostküste Furcht ein. Noch in 700 Kilometer Radius um das Auge des Hurrikans „Sandy“ sei mit Zerstörungen zu rechnen, warnen die Wetterforscher. Insgesamt hat die Front damit die außergewöhnliche Breite von rund 1400 Kilometer. Am Wochenende waren bereits mehr als 50 Menschen gestorben, als der Wirbelsturm durch die Karibik fegte.

Nun zieht er nahe der Atlantikküste der USA nach Norden und soll das Festland in der Nacht von Montag zu Dienstag zwischen der Delmarva-Halbinsel, die teils zu Maryland und teils zu Delaware gehört, sowie dem Bundesstaat Rhode Island erreichen. Damit liegen die Großstädte New York und Philadelphia in der Bahn des Hurrikans. Der südliche Flügel der breiten Front wird die Hauptstadt Washington bedrohen und der nördliche Flügel die Universitätsstadt Boston. Jede dieser Regionen muss, leicht zeitversetzt, mit starkem Regen, der bis zu 24 Stunden anhalten kann, sowie Sturmwinden mit Geschwindigkeiten bis zu 120 Stundenkilometern rechnen. Die Intensität wird auf dem Zug nach Norden durch zwei Faktoren verstärkt: einen Jetstream und die ohnehin derzeit vorherrschende Windrichtung Nordost.

Die Gouverneure der Küstenstaaten North Carolina, Virginia, Maryland, Delaware, New Jersey, Connecticut und Rhode Island haben die Evakuierung besonders gefährdeter Küstenabschnitte angeordnet. Die Stromversorger warnen, dass mehrere Millionen Bürger über Tage ohne Elektrizität auskommen müssen, weil der Sturm Äste oder ganze Bäume in die Stromleitungen stürzen könnte. Nur in den Zentren von Großstädten sind sie bereits unter die Erde verlegt worden. In den Vorstädten und ländlichen Regionen verlaufen sie aus Kostengründen oberirdisch. Energieversorger wie Dominion in Virginia und Pepco in Washington haben bereits je 2500 Männer und Frauen zusätzliches Personal für ihre Reparatur-Crews angefordert, um die unterbrochenen Leitungen zeitnah zu flicken.

Die Bürgermeister ermahnen die Einwohner, den Bedarf an haltbaren Nahrungsmitteln und Trinkwasser für mindestens drei Tage vorzuhalten, Kerzen und Batterien einzukaufen, das Auto vollzutanken und die Abflüsse der Regenrinnen und der Kanalisation vom Herbstlaub zu befreien, um das Risiko von Überschwemmungen zu verringern. Während des Sturms sollen die Menschen in ihren Häusern bleiben, um nicht von herumfliegenden Trümmern verletzt oder gar erschlagen zu werden.

Auch im Flugverkehr wird es Beeinträchtigungen geben, sowohl bei den inneramerikanischen Verbindungen als auch bei den Interkontinentalflügen von und nach Europa. Flughäfen werden mehrere Stunden vor Eintreffen des Sturms geschlossen, für New York wurde das schon angekündigt. Dort werden in der fraglichen Zeit auch keine Züge oder U-Bahnen mehr verkehren. Es dauert dann meist 48 Stunden, bis die Flugzeuge wieder an den Einsatzorten sind und der Flugplan sich normalisiert.

Die Bürger an der Ostküste der USA wappnen sich für den Monstersturm „Sandy“, der am Montagabend das Festland erreichen soll. Von den Folgen des Unwetters könnten bis zu 60 Millionen Menschen betroffen sein, erklärte die US-Wetterbehörde NOAA. Der Sturm könnte zudem Verwüstungen auf einem 1400 Kilometer breiten Streifen von der Ostküste der USA bis zu den Großen Seen Nordamerikas anrichten.

Mit Sorge blicken auch die Wahlkampfteams von Barack Obama und Mitt Romney auf den nahenden Hurrikan. Der Kampf um das Weiße Haus steht acht Tage vor der Wahl auf Messers Schneide. Beide Kampagnen stehen nun vor riskanten Beschlüssen: Einerseits wollen die Spitzenkandidaten möglichst oft in den hart umkämpften Swing States wie Florida, Ohio, Virginia auftreten, um unentschlossene Wähler für sich zu gewinnen. Andererseits kann es herzlos wirken, wenn sie Wahlkampf führen, während an der Küste Menschen in Not geraten. George W. Bushs Passivität, während Hurrikan „Katrina“ New Orleans zerstörte, hatte seinem Ansehen geschadet.

Obama strich mehrere für Montag und Dienstag geplante Auftritte. Der Präsident muss als oberster Krisenmanager die Katastrophenhilfe beaufsichtigen. Der Republikaner Romney sagte daraufhin ebenfalls Wahlkampftermine ab und verkündete, er sei in engem Kontakt mit den Gouverneuren republikanisch regierter Küstenstaaten wie Virginia.

Selbst in den USA wird wieder über den Klimawandel diskutiert

Dieses Satellitenbild zeigt Hurrikan "Sandy" östlich des US-Bundesstaats Georgia.
Dieses Satellitenbild zeigt Hurrikan "Sandy" östlich des US-Bundesstaats Georgia.

© dpa

Die Behörden in New York forderten Hunderttausende Menschen auf, sich in Sicherheit zu bringen. „Dies ist ein ernster und gefährlicher Sturm“, sagte Bürgermeister Michael Bloomberg am Sonntag in der US-Metropole. Der Bundesstaat New York kündigte zudem vorsorglich die Streichung hunderter Flüge und das Einstellen des öffentlichen Nahverkehrs an.

Bloomberg erließ eine Evakuierungsanweisung für 375.000 Einwohner in tiefer gelegenen Gebieten New Yorks.

Das Fahrverbot für den öffentlichen Nahverkehr - also Bussen, U-Bahnen und Regionalzüge - gelte ab Sonntag 19.00 Uhr Ortszeit (24.00 Uhr MEZ), verfügte Gouverneur Andrew Cuomo. Der Sturm dürfe „nicht auf die leichte Schulter genommen werden“. Die New Yorker Busse und U-Bahnen werden täglich von 8,5 Millionen Fahrgästen genutzt.

Im Flugverkehr müssen sich US-Reisende ebenfalls auf erhebliche Behinderungen einstellen. Vor allem für Montag wurden in New York und auch für Washington hunderte Flüge abgesagt darunter Transatlantik-Verbindungen.

Der Hurrikan hat in den vergangenen Tagen auf seinem Weg durch die Karibik fast 60 Menschen getötet. Nach Angaben von Wetterexperten bildet der regenreiche Sturm zusammen mit einer Kaltfront „eine explosive Mischung“, die Überschwemmungen und in höheren Lagen Schneefall bringen könnte. Das Unwetter dürfte demnach bis hin nach Ohio - also weit ins US-Landesinnere hinein - zu spüren sein. Mehrere Bundesstaaten und die Hauptstadt Washington verhängten bereits den Notstand.

Selbst in den USA wird wieder über den Klimawandel diskutiert, wenn auch nicht im Präsidentschaftswahlkampf. Verschiedene Klimaforscher haben die Wetterextreme der vergangenen beiden Jahre mit der globalen Erwärmung in Zusammenhang gebracht, Seither wird in der amerikanischen Öffentlichkeit die Frage aufgeworfen, ob die dramatische Dürre, die zeitenweise fast das gesamte Land betraf, sowie die Zunahme von Tornados im Inland und der nun an der Ostküste erwartete Hurrikan Sandy weit nördlich von üblichen Entstehungsgebieten nicht doch etwas mit dem Klimawandel zu tun haben könnten.

Die Hitzewelle und Dürre vor allem im Süden der USA in diesem Jahr hatte zum einen mit dem periodisch wiederkehrenden Wetterphänomen La Nina zu tun. Doch Klimaforscher von der amerikanischen Wetterbehörde und dem britischen Hadley-Klimaforschungszentrum haben errechnet, dass die diesjährige Dürre in den USA durch den von Menschen verursachten Ausstoß von Kohlendioxid um 20 Mal wahrscheinlicher geworden ist als noch in den 1960er Jahren. Nach Schätzungen von Ökonomen hat die Dürre in diesem Jahr wirtschaftliche Schäden in einer Höhe von rund zwölf Milliarden Dollar verursacht. Weltweit rechnen Versicherungsunternehmen mit steigenden Policen, weil die wetterbedingten Schäden, die in den USA reguliert werden müssen, ähnlich teuer werden könnten wie die Kosten für den Wirbelsturm Katrina im Jahr 2005. (mit deh)

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