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Update

Hurrikane "Irene": Massenevakuierungen in New York

Der Wirbelsturm "Irene" wird schwächer, aber er steuert unentwegt auf die Nordostküste Amerikas zu. New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg sagte, es gehe um "Leben oder Tod". Viele Flüge aus Deutschland nach New York werden gestrichen.

Der Hurrikane "Irene" wirkt sich jetzt auch auf deutsche Reisende aus. Die Lufthansa hat für das Wochenende alle Flüge von Deutschland nach New York gestrichen. Wie das Unternehmen am Samstag auf seiner Internetseite mitteilte, werden zudem am Sonntag auch Philadelphia und Boston nicht angeflogen. Dagegen sollen die Verbindungen nach Washington vorerst aufrechterhalten bleiben. Die Direkt-Flüge von Continental und Delta von Berlin nach New York am Samstagvormittag wurden ebenfalls gestrichen. Der Hurrikan „Irene“ hat einen Durchmesser von fast tausend Kilometern. Angesichts der Bedrohung ordnete die Millionenstadt New York eine beispiellose Massenevakuierung an, von der nach Behördenangaben mindestens 250.000 Menschen betroffen sind. Experten rechneten mit Schäden in Höhe von bis zu zehn Milliarden Dollar (knapp sieben Milliarden Euro).

In Carolina, Virginia und Maryland werden die küstennahen Landkreise evakuiert. Laden- und Hausbesitzer vernageln Fenster und Türen. Die Ostküste der USA bereitet sich auf einen Ausnahme-Hurrikan vor. In der Regel bedrohen die tropischen Wirbelstürme die Strände, Urlaubsregionen und Uferlinien weiter südlich: die Inseln der Karibik, die Anrainerstaaten des Golfs von Mexiko sowie die Atlantikküste Floridas.

Allerdings schwächt sich der Hurrikane etwas ab. Auf dem Weg Richtung US-Ostküste hat sich der Hurrikan "Irene" über dem Atlantik abgeschwächt. Der Wirbelsturm werde jetzt nur noch als Hurrikan der Kategorie eins eingestuft, teilte das Nationale Hurrikan-Warnzentrum am Samstag in Miami mit. Er habe aber immer noch Windspitzen von bis zu 150 Kilometern pro Stunde. Gegen 11 Uhr MESZ befand sich "Irene" nur noch rund 55 Kilometer vor der Küste des US-Bundesstaates North Carolina.

Welche Vorkehrungen werden in der Millionenmetropole New York getroffen?

Wenn New Yorker an die Canal Street denken, die sich im Süden Manhattans quer über die Insel spannt, dann denken sie an den täglichen Stau auf acht Spuren und das Gedränge in den kleinen Klitschen, in denen Chinesen gefälschte Gucci- und Louis-Vuitton-Handtaschen verkaufen. An die Geschichte der Canal Street denkt man nicht. Kaum einer weiß, dass die Straße wirklich einmal ein Kanal war, Anfang des 19. Jahrhunderts, angelegt, um weite Teile der damals sumpfigen Stadt trocken zu legen. Wenn Hurrikan „Irene“ am Wochenende tatsächlich New York trifft, könnte die Stadt, so fürchten Meteorologen, erneut bis zur Canal Street überflutet werden – das gab es seit 1821 nicht mehr.

In New York City, wo mehr als acht Millionen Menschen leben und das Herz der globalen Finanzmärkte schlägt, droht „Irene“ gewaltige Schäden anzurichten. Experten fürchten, dass der Sturm selbst die 45-Milliarden-Dollar-Katastrophe von Hurrikan „Katrina“ übersteigen könnte, der 2005 die Südküste der USA heimgesucht hatte. Die Stadt bereitet Evakuierungen vor und konzentriert sich zunächst auf die am niedrigsten gelegenen Wohngebiete: die Strandgegenden Coney Island und Manhattan Beach, die vorgelagerte Insel Rockaway, aber auch Battery Park City an der Südspitze Manhattans, wo auch die Wall Street liegt. Hier werden erste Sandsäcke gelagert, Häuser mit Spanplatten geschützt. Bewohner werden seit Tagen aufgefordert, sich auf ein langes Wochenende vorzubereiten und schlimmstenfalls auf einige Tage ohne Strom und Infrastruktur. Sie kaufen Lebensmittel auf Vorrat, Taschenlampen und Batterien, betanken ihre Autos.

Die New York Stock Exchange hält Katastrophenpläne bereit und will am Montag für den Handel öffnen, notfalls mit Hilfe von Generatoren. Die Rechenzentren, in denen die Kurse für tausende von Aktien berechnet werden, befinden sich außerhalb der Stadt und dürften keine Probleme bekommen. Sorgen macht man sich eher um die Mitarbeiter und Händler, denn niemand weiß, wie stark Straßen beschädigt und der öffentliche Nahverkehr behindert werden könnten. Dass etwa die New Yorker U-Bahn geflutet wird, gilt als recht wahrscheinlich. Das Schienennetz liegt an einigen Stellen nur fünf Meter über dem Grundwasserspiegel.

Ein Test dürfte das Unwetter auch für Bürgermeister Michael Bloomberg werden. Dessen halbherzige Reaktion auf den Blizzard im vergangenen Winter, als sich die Aufräumarbeiten über Tage hinzogen, hatte seinen Ruf als Krisenmanager schwer beschädigt. Deshalb wählt er jetzt wohl auch drastische Worte. Es gehe "um Leben oder Tod", sagte Bloomberg. Alle betroffenen Menschen müssen demnach am Samstag vor 17 Uhr (23 Uhr MESZ) ihre Häuser verlassen haben. Bloomberg kündigte zudem an, dass alle U-Bahnen und Busse ab 12.00 Uhr ihren Betrieb einstellen werden. Auch die Flughäfen sollten am Samstag um 12 Uhr (Ortszeit) schließen. Er empfahl allen New Yorkern, ab Samstagabend 24 Stunden lang zu Hause zu bleiben. Bereits am Freitag ordnete er die Zwangsevakuierung besonders gefährdeter Stadtteile an – erstmals in der Geschichte New Yorks. Davon sind mindestens 250.000 Menschen betroffen.

Der Sport ist bisher nur am Rande betroffen. Denn am Montag sollen die US-Open beginnen. Vor allem die Berlinerin Sabine Lisicki ist etwas nervös. "Ich mache mir ein paar Sorgen, wie ich nach New York kommen soll. Ich hoffe, dass ich bald eine Lösung finden werde“, twitterte Lisicki. Andrea Petkovic, die wie die meisten anderen Spieler bereits seit einigen Tagen in New York ist, schrieb dagegen scherzhaft: "Wenn Ihr mich fragt, Leute: Ich bin vorbereitet. Lasst mich Eure Überlebensausrüstung sehen.“ Die Darmstädterin stellte zu ihrem Kommentar einen Link, der zu einem Foto mit einer üppig bestückten
Bar führt.

Was der Nordostküste von "Irene " droht, erfahren Sie auf der nächsten Seite.

„Irene“ zieht rund 300 Kilometer östlich von Florida über dem Atlantik nach Norden und soll das Land am Samstagabend auf der Höhe der „Outerbanks“ erreichen: einer Inselkette direkt vor North Carolina. Von dort zieht der Hurrikan entweder entlang der Küste nach Norden und bedroht die Uferregionen Marylands, Delawares, Pennsylvanias, New Jerseys und New Yorks. Oder er bewegt sich bereits früher weiter nordwestlich und damit landeinwärts.

Das macht einen großen Unterschied für die Vorhersage. Wenn er landeinwärts schwenkt, würde er rasch an Stärke verlieren, aber mit immer noch sturmartigen Winden die Hauptstadt Washington bedrohen, die sich erst langsam von einem ebenfalls ungewöhnlichen Erdbeben der Stärke 5,8 erholt. Bleibt er dagegen länger über dem Atlantik und der meeresnahen Küstenregion, verringert sich seine Gewalt über dem nach Norden hin immer kühleren Wasser nur langsam.

Je näher ein Ort an der Küste liegt, desto größer die Gefahren. Die Windgeschwindigkeiten am Meer werden bis zu 160 Stundenkilometer erreichen. Auch die Flutrisiken sind in der Nähe des Ozeans und seiner Buchten höher. Denn zum Regen kommen dort die Wellen hinzu, die starke Winde landeinwärts drücken. An Niederschlägen werden 120 bis 200 Millimeter binnen weniger Stunden erwartet. Sie werden das Fassungsvermögen der Kanalisationen sowie der Böden herausfordern, die bereits durch die Regenfälle der jüngsten Tage durchtränkt sind. Weiter landeinwärts werden die Windgeschwindigkeiten bei 80 bis 100 Stundenkilometern liegen.

In meeresnahen Städten wie Baltimore und New York müssen die Tunnel gesperrt werden, die den Verkehr unter dem Hafen sowie den Flussmündungen hindurch leiten. Auch ihnen droht eine Überflutung. Der Bahnverkehr an der Ostküste wird eingestellt.

Zudem rechnet man mit flächendeckenden Stromausfällen, die möglicherweise tagelang anhalten werden. Nur im engsten Innenstadtbereich verlaufen die Stromleitungen in den USA unterirdisch. In den Wohnvierteln dagegen, auch den zentrumsnahen, sind Überlandleitungen üblich. Während Sommerstürmen oder wenn im Winter große Mengen nassen, schweren Schnees fallen, stürzen oft Bäume und Äste in die Leitungen und unterbrechen die Versorgung. Wenn es sich um lokale Wetterphänomene handelt, können die Energiekonzerne die Schäden meist rasch beheben. Bei den weiträumigen Zerstörungen, die ein Hurrikan anrichtet, kann es tagelang dauern, bis die Versorgung wieder funktioniert.

Wie stellen sich die gefährdeten Staaten auf die Situation ein?

Die Gouverneure haben den Notstand ausgerufen. Die Medien fordern die Bürger auf, sich mit Trinkwasser, haltbarer Nahrung, batteriegetriebenen Lampen und Radios einzudecken. Sie sollen zudem prüfen, wo die Hauptventile für Wasser und Gas liegen, damit man sie im Notfall schließen kann. In Washington fällt die Einweihung des neuen Denkmals für den schwarzen Bürgerrechtler Martin Luther King aus. Die Zeremonie mit Präsident Barack Obama war für Sonntag geplant, dem 48. Jahrestag der „I have a Dream“-Rede, in der King zum Abschluss des Protestmarschs 1963 seinen Traum von einem Amerika ohne Rassenschranken dargelegt hatte.

Mit welchen Schäden wird gerechnet?

Bei der Abschätzung der Gefahren im Raum Washington, Virginia und Maryland orientieren sich die Katastrophenschützer, Politiker und Medien an den Erfahrungen mit den Hurrikans „Isabel“ 2003 und „Alex“ 2004. Für die Staaten New Jersey und New York greifen die Experten ins Jahr 1938 zurück. Bei „Isabel“ kamen 51 Menschen durch direkte Einwirkung oder indirekte Folgen ums Leben, die Sachschäden summierten sich auf 3,6 Milliarden Dollar. „Alex“ verlief glimpflicher – wohl auch, weil die Menschen den „Isabel“-Schock noch in frischer Erinnerung hatten und den Ratschlägen, wie man Todesfälle und Verletzungen vermeidet, bereitwilliger folgten. (Mit AFP)

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