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Panorama: Ich gestehe!: Jim Rakete, Fotograf

Ich war jung und fotografierte den Jazzpianisten Oscar Peterson bei einem Konzert in New York. Meine alte Kamera wickelte ich in ein Tuch, um das Verschlussgeräusch zu dämpfen, und doch kam es mir vor, als würden teuer zahlende Zuschauer sich verärgert nach mir umdrehen.

Ich war jung und fotografierte den Jazzpianisten Oscar Peterson bei einem Konzert in New York. Meine alte Kamera wickelte ich in ein Tuch, um das Verschlussgeräusch zu dämpfen, und doch kam es mir vor, als würden teuer zahlende Zuschauer sich verärgert nach mir umdrehen. Oscar Peterson thronte auf dem New Yorker Telefonbuch, das auf seinem Klavierschemel ruhte, und spielte so wunderschön mit seinem Trio - Klick! Ich verfluchte meine Kamera. Eine unbremsbare Kette von Einzelgeräuschen war das: der Umlenkspiegel klappt hoch, die Verschlussvorhänge vor der Filmebene rasten quer durch das Gerät, und alle feinmechanischen Ereignisse bündeln sich in einem albernen Klick, der in der sorgsam erdachten Akkustik des Konzertsaals die Wucht eines Verkehrsunfalls entwickelte. Bei den vielen Rockkonzerten, die ich fotografiert hatte, war mir das nie aufgefallen. Aber ich schickte ein Stoßgebet in den Himmel, dass der Meister es nicht wahrnehmen würde... Da hielt er unvermittelt inne, wandte sich zu mir, und sagte: You wanna take my picture? - Come here. Ich wäre in diesem Moment gerne vieles gewesen: in die Erde versunken, zum Beispiel, oder unsichtbar. So aber stand ich vor dem wirklichen Oscar Peterson, der sein schwarz gekleidetes Trio zu einem ironischen Gruppenbild formierte: Here you are. Take your picture. Klick. Thank you, sagte er. Männer sollten wissen, wann sie gehen müssen. Ich schulterte meine Kameratasche unter dem Getöse des begeisterten Publikums, um mich mit roten Ohren aus dem Saal zu schleichen. Und peinlicher habe ich mich nie gefühlt seither.

Bea Schnippenkoetter

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