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Panorama: Im Eiltempo in die Top Ten

Ganz Istanbul beklatscht Fatih Akins Dokumentarfilm „Crossing the Bridge“ und hofft auf Touristen

Manchmal braucht man den Blick von außen, um die eigene Stadt neu zu erleben. Das ist das Gefühl, das viele Istanbuler bei Fatih Akins neuem Film „Crossing the Bridge“ haben. Seit Donnerstag ist der Dokumentarstreifen des deutsch-türkischen Regisseurs in den Kinos in Deutschland zu sehen. In der türkischen Metropole Istanbul, um die es in dem Film geht, ist „Crossing the Bridge“ dagegen schon seit Ende Mai in den Kinos – und stößt auf große Resonanz. Die Istanbuler loben Akins Porträt der lebhaften Musikszene ihrer Stadt und hoffen, dass der Film noch mehr Besucher in die Megastadt am Bosporus locken wird.

„Der Film ist ganz bestimmt gut für das Image der Türkei im Ausland“, sagt eine Istanbuler Kulturredakteurin: Klarinetten, die Langhalslaute Saz und Hiphop statt Polizeigewalt, Kopftuch und Ehrenmorde. Als Großstadt zwischen Ost und West mit einer brodelnden und vielfältigen Musikszene voller Leben und Spontanität, so erscheint Istanbul in Akins neuem Film. Die Clubszene im Stadtteil Beyoglu zählt schon seit langem zu den Aktivposten von Istanbul, war bisher aber nur Insidern ein Begriff.

Selbst Türken können in „Crossing the Bridge“ Seiten von Istanbul entdecken, die sie bisher nicht kannten. „Faszinierend“, kommentierte die Zeitung „Zaman“. Der Zuschauer erlebe die aus vielen verschiedenen Kulturen gespeiste Musik Istanbuls „mit den Augen eines Deutschen“, lobte ein türkischer Kritiker. Begeisterte Zuschauer forderten, der Filme müsse allen türkischen Jugendlichen zur Horizonterweiterung gezeigt werden.

Dass ein Regisseur aus dem Ausland einen für Istanbul so wichtigen Film drehte und kein Filmemacher aus der Türkei selbst, ist für die nationalstolzen Istanbuler kein Problem. Schließlich sei der türkischstämmige Hamburger Akin ja „kein richtiger Ausländer“, sagt eine Kinogängerin am Bosporus. In den türkischen Kinocharts rangiert „Crossing the Bridge“ derzeit auf Platz Neun – beachtlich für einen Dokumentarfilm, der in den Kinos mit Hollywood-Reißern wie „Krieg der Sterne“ konkurrieren muss. In 20 Istanbuler Kinos ist der Film derzeit zu sehen.

Nun hoffen die Istanbuler, dass möglichst viele Deutsche nach Akins Film neugierig werden auf die Stadt und ihre Musik – auch und gerade jene, die mit den Moscheen, Kirchen und Bazaren der Istanbuler Altstadt wenig anfangen können. Azimet Karakus vom Hotel „Büyük Londra“, das in Akins Film als Ausgangspunkt der Erkundungstouren durch die Istanbuler Clubs dient, rechnet fest damit, dass künftig mehr Besucher in seinem Haus absteigen werden. Das altehrwürdige Hotel über dem Goldenen Horn sei schon in den vergangenen Jahren hin und wieder als Filmkulisse eingesetzt worden, was sich anschließend in den Buchungszahlen niedergeschlagen habe. Auch „Crossing the Bridge“ werde eine solche Wirkung entfalten, glaubt Karakus, der den Film auch schon gesehen hat: Schließlich präsentiere Akin die Stadt Istanbul als sehr interessante Metropole. Auch der Auftritt der türkischen Pop-Diva Sezen Aksu, der Höhepunkt des Films, wurde im „Büyük Londra“ gedreht.

Dass das Hotel in „Crossing the Bridge“ eine so wichtige Rolle spielt, hat nicht nur mit seiner Lage und seinem Ambiente zu tun. Das „Büyük Londra“ ist auch Akins persönliches Lieblingshotel in Istanbul. Der Regisseur wohne bei seinen Besuchen am Bosporus stets im prächtigen Zimmer 401 und versammle dort häufig seine Freunde zu nächtlichen Gitarren-Sessions um sich, meldete die Zeitung „Hürriyet“ in einem ausführlichen Bericht über das Hotel in Beyoglu.

Die Musiker, die in „Crossing the Bridge“ auftreten, werden möglicherweise ebenfalls von dem Film profitieren, was die meisten von ihnen auch gut gebrauchen können: Sie gehörten bisher eher zur Rand- und Undergroundszene als zum etablierten Musikbetrieb der Türkei. Der Soundtrack des Dokumentarstreifens, der zeitgleich mit dem Film Ende Mai auf den Markt kam, hat es jedenfalls bereits in die türkischen Top Ten geschafft.

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