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Panorama: Im Meer des Chaos

In Indonesiens Hauptstadt Jakarta drohen jetzt Seuchen. Obwohl sich die Lage ein wenig entspannt hat

Ratten schwimmen im Wasser, Müll, totes Getier, Unrat. Seit sechs Tagen steht Indonesiens Hauptstadt Jakarta unter Wasser. Die Menschen kämpfen sich durch eine braune Brühe, die immer dreckiger wird. Die Gefahr von Keimen und Seuchen steigt.

Dabei sind die Verhältnisse dieses riesigen Siedlungsgebiets von Stadtteil zu Stadtteil sehr unterschiedlich. Während in vielen Teilen Jakartas immer noch mehr als 220 000 Menschen darauf warten, dass sie in ihre überschwemmten Häuser zurückkehren können, herrschte am Dienstag im Zentrum beinahe wieder Normalität. Die meisten Hauptstraßen waren wieder befahrbar, und der wichtigste Buskorridor operierte nach Plan. In den Stadtteilen Manggarai und Guntur ging das Wasser so weit zurück, dass viele Bewohner mit den Aufräumarbeiten beginnen konnten. „Diese dreckige Brühe hat mein ganzes Wohnzimmer versaut“, jammert Ibu Siti und zeigt auf den braunen Schlick, den das abfließende Wasser auf den Wänden und ihrer Sitzgarnitur hinterlassen hat. Mit einem rostigen Blecheimer schippt sie die letzten Tropfen vor die Türschwelle.

Doch die Lage bleibt trotz strahlenden Sonnenscheins für die meisten Menschen äußerst angespannt. Die Hochwasserflüchtlinge, die eng gedrängt in Bahnhöfen, Moscheen oder Zelten kampieren, beschweren sich über zu wenig Essen. Die Angst vor Krankheiten steigt: „Wir müssen vorbereitet sein, um Seuchen wie Typhus, Leptospirose oder Atemwegserkrankungen zu bekämpfen“, erklärte Gesundheitsministerin Siti Fadilah Supari. „Auch wenn es unter den gegebenen Umständen schwierig ist, müssen die Betroffenen unbedingt versuchen, immer sauber zu bleiben.“

Der Wasserpegel der Flüsse und Kanäle ist beunruhigend hoch. Sollte es noch einmal so stark regnen wie in der vergangenen Woche, droht eine noch größere Katastrophe. Der allgemeine Ärger richtet sich vor allem gegen die Stadtregierung. „Anstatt alles mit Einkaufszentren zuzubauen, hätte Gouverneur Sutiyoso lieber ein bisschen mehr Geld in Abwasserkanäle und Müllsysteme investieren sollen“, schimpft ein Taxifahrer.

Auswanderer in der indonesischen Hauptstadt Jakarta witzeln, das Beste an dem Leben hier sei, dass man so schnell wieder wegkommt. Etliche Fluglinien verlassen die Stadt täglich in Richtung der Inselparadiese Bali und Lombok, Züge schlängeln sich durch die atemberaubende Landschaft in Java, und eine Taxifahrt bringt einen zu den ruhigen Stränden in West Java. Lärm und Dreck der Metropole kann man leicht hinter sich lassen – normalerweise. Seit sintflutartige Regenfälle die Stadt jedoch unter Wasser setzen, ist ein Entkommen unmöglich. Nicht daran zu denken, an einen Flughafen oder Bahnhof zu gelangen. Der Verkehr versinkt im Chaos oder ist ganz zusammengebrochen. Zahlreiche Menschen sind nach den bis zu vier Meter hohen Flutwellen in ihren Häusern gefangen, andere mussten ihre Wohnungen verlassen, mindestens 46 Menschen kamen bisher ums Leben.

Auch die Gegenden der Reichen blieben nicht verschont. Aber diese Bürger konnten sich im Gegensatz zu den Armen in Hotels oder zu Freunden retten.

Die Stadt hat seit Jahren ein Flutproblem. 2002 starben 21 Menschen bei heftigen Überschwemmungen, Hunderttausende wurden obdachlos. Doch die Regierung schaffte es bisher nicht, den geplanten 20 Kilometer langen Flutkanal im Osten der Stadt zu bauen. Die Behörden stehen seit Jahren in der Kritik.

Auch als die Menschen in den Fluten der vergangenen Tage kämpften und starben, wiesen Politiker jede Verantwortung von sich und beschuldigten sich gegenseitig. „Was wir in den vergangenen drei Tagen gesehen haben, ist ganz einfach nicht akzeptabel für eine Stadt, die nicht nur der Regierungssitz und das kulturelle und kommerzielle Zentrum des Landes ist, sondern auch das Zuhause von zehn Millionen Menschen, der Sitz von Botschaften und von multinationalen und ausländischen Unternehmen“, schrieb die „Jakarta Post“. mit dpa

Christina Schott[Jakarta]

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