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In Berlin oder wo?: Streit um Eurovisions-Austragungsort 2011 beginnt

Nach Lenas Grand-Prix-Sieg steht fest, dass das Finale 2011 in Deutschland stattfinden wird. Welche Städte kommen dafür infrage - und welche Chancen hat Berlin?

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Der „Krieg der Städte“ begann schon in der Nacht zum Sonntag. Unmittelbar nach dem Sieg von Lena Meyer-Landrut beim Eurovision Song Contest (ESC) mischten sich in den Jubel der deutschen Fans in der Halle in Oslo erste Sprechchöre: „Berlin, Berlin – wir fahren nach Berlin.“ So erzählt der Berliner SPD-Politiker Uwe Stäglin. Das hätten aber längst nicht alles so gesehen und manche hätten laut gerufen: „Nee, bitte nicht Berlin.“

Stäglin ist Baustadtrat von Steglitz-Zehlendorf und seit den 90er Jahren glühender ESC-Fan. Seit 2002 fährt er sogar jedes Jahr zum Finale. 2011 aber würde er am liebsten zu Hause bleiben. Natürlich könne der Eurovision Song Contest nur in der deutschen Hauptstadt ausgetragen werden, sagt er: „Eigentlich hätte das schon ein Jahr nach dem Sieg von Nicole, also 1983, sein müssen. Aber da waren Deutschland und Berlin noch geteilt – das war eine ganz andere Lage – und vor allem deshalb ging man damals nach München.“

Gaben in der Siegnacht von Oslo vor allem Hamburger und Kölner Fans den Ton an, so haben inzwischen auch Lenas Heimatstadt Hannover sowie München ihre Ansprüche angemeldet. Aber der Berliner Senat möchte das europäische Großspektakel ebenfalls nur zu gerne ausrichten. „Diese Veranstaltung gehört nach Berlin“, sagte Kulturstaatssekretär André Schmitz am Sonntag dem Tagesspiegel. Auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sei der Ansicht, dass der Song Contest hervorragend in die kreative Landschaft Berlins passe, erklärte Regierungssprecher Richard Meng. Und der Geschäftsführer der Berliner O2-Arena, Mike Keller, kann sich durchaus vorstellen, den Contest im nächsten Jahr auszurichten: „Wir haben natürlich ein starkes Interesse und wir könnten ganz sicher mit Oslo mithalten.“

Die Entscheidung liegt aber weder bei Veranstaltern noch bei der Politik. Gastgeber des ESC im kommenden Jahr wird die ARD sein. Und innerhalb des Senderverbands des Ersten Deutschen Fernsehens ist der NDR für den Grand Prix verantwortlich. Das muss aber nicht bedeuten, dass der Titel im kommenden Jahr nur in einer norddeutschen Stadt verteidigt werden kann.

Denn: Deutschland wird global mit Berlin identifiziert. Eine Weltstadt eben, in die die Weltstars der Musik kommen. Eine Entscheidung für Berlin wäre eine Reverenz an die internationalen Gäste, wie wichtig Deutschland den Wettbewerb und die Teilnehmer nimmt. Ein Finale in der Hauptstadt wertet jede Veranstaltung auf – siehe WM-Finale 2006 und Pokalfinale. Allerdings hat sich Berlin beim ESC nicht besonders engagiert, schon gar nicht beim Finale. Es war eher eine Veranstaltung unter „ferner liefen“ an diesem Wochenende. Falls es Berlin wird, werden viele in Hamburg und Hannover sagen: Warum immer Berlin? Auch ist der Einfluss des RBB im ARD-Gefüge beschränkt, nicht zuletzt aus finanziellen Gründen. In Sachen Grand Prix hat der RBB als Hauptstadtsender so wenig zu sagen wie bei der bundespolitischen Berichterstattung im Ersten.

Nichtsdestotrotz will sich RBB-Intendantin Dagmar Reim dafür stark machen, dass Berlin den Zuschlag erhält. „Es ist mir ein persönliches Anliegen, dass die Veranstaltung genauso wie der Echo und die Funkausstellung in Berlin stattfindet“, sagte Reim dem Tagesspiegel. „Wir werden darüber in den ARD-Gremien diskutieren, und sehen, in welcher Stadt die Bedingungen am besten sind. Einen Contest innerhalb der ARD wird es in dieser Frage allerdings nicht geben, genauso wenig wie eine konfrontative Diskussion.“

Für die niedersächsische Landeshauptstadt spricht, dass Lena aus Hannover stammt und der NDR Niedersachsens Haussender ist. Niemand war so engagiert wie die Hannoveraner, etwa beim Public Viewing. Und Lena ist am Sonntag aus Oslo zuerst nach Hannover geflogen. Kurzum: Für die Stadt und ihre Einwohner wäre es eine herbe Enttäuschung, fände das ESC-Finale 2011 nicht an der Leine statt. Noch in der Nacht ließ Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) verkünden: „Es wäre toll, wenn der Song Contest nächstes Jahr in die Medienstadt Hannover kommt!“ Andererseits ist Lena die Stimme Europas, sie hat mit und durch Europa gewonnen. Für Fans in Aserbeidschan, Israel, Rumänien, ja selbst in London wäre es schwer zu begreifen, dass ein ESC-Finale in Hannover stattfindet. Wo genau? Zudem könnte die Eurovision Wert darauf legen, dass ein Finale Sache einer Großstadt mit Weltstadt-Flair ist, nicht der Provinz.

Hamburg wiederum kann mit der NDR-Zentrale aufwarten. Der NDR ist die ESC-ARD-Anstalt, der Wettbewerb wurde in guten wie in schlechten Zeiten hochgehalten. Die deutsche ESC-Party hat auf der Reeperbahn stattgefunden, die Einwohner waren auch richtig mit dabei. Ähnlich wie Berlin verfügt Hamburg zudem über riesige Hallen. Hamburgs Bürgermeister Ole von Beusts Reaktion auf seinen Parteifreund Wulff folgte denn auch prompt: „Die Stadt fiebert seit Jahren mit dem Grand Prix und wir werden alles tun, um ihn in Hamburg möglich zu machen“, sagte er dem Radiosender NDR 90,3. Trotz allem: Hamburg ist nicht die Hauptstadt und eben nicht Berlin. Der NDR veranstaltet seinen wichtigsten Talk „Anne Will“ ja auch in Berlin, weil dort die Musik spielt.

Auch Köln macht sich Hoffnung. Dort sitzt der Vater von Lenas Erfolg, Stefan Raab, mit seiner Produktionsfirma Brainpool und alle Castingshows der Reihe „Unser Star für Oslo“ kamen aus Köln. Für Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) ist Köln daher „die beste Plattform“.

Bleibt noch München. Erfahrung hat die „heimliche Hauptstadt“, als Austragungsort des bisher einzigen Grand-Prix- Finales in Deutschland 1983. Damals hatte der Bayerische Rundfunk noch die Federführung für den Wettbewerb. Heute sitzt Raabs Haussender Pro Sieben bei München.

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