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Gulabi-Gang ganz in Rosa. Gulabi heißt rosa. Eine Ironie der Frauen auf den Anklang von Sanftheit und Wärme der Farbe.

© REUTERS

Indien: Frauen-Gang lehrt Männer das Fürchten

Indiens rabiate Frauen-Gang Gulabi verweist gewalttätige Ehemänner und korrupte Polizisten in die Schranken. Mit viel Ironie: Gulabi meint rosa und soll das süße weibliche Wesen symbolisieren.

Sanft soll sie sein, schuften wie ein Esel und viele Söhne gebären. Und wenn ihr Mann die letzte Rupie versäuft, fremdgeht, sie vergewaltigt oder grün und blau schlägt, soll sie still sein und den Mund halten. In weiten Teilen Indiens wird von Frauen immer noch erwartet, dass sie sich klaglos in ihr Schicksal fügen.

Doch damit braucht man den Mädels von der Gulabi-Gang nicht zu kommen. Die Frauengruppe in ihren schreiend pinkfarbenen Saris, die sie so stolz wie Uniformen tragen, lehrt Schläger, Säufer, Hurenböcke und Vergewaltiger das Fürchten – und das notfalls auch mit dem Schlagstock. Getreu der Devise: Wer nicht hören will, muss fühlen, kämpfen die rabiaten Damen im wilden Bundesstaat Uttar Pradesh für Frauenrechte und soziale Gerechtigkeit.

Ins Leben gerufen wurde die Frauentruppe von der resoluten Inderin Sampat Pal Devi, die sie Gulabi-Gang taufte, was nicht einer gewissen Selbstironie entbehrt. Gulabi meint rosa und soll das süße weibliche Wesen symbolisieren. Doch statt Süßem geben die Damen den Herren kräftig Saures. Erstmals für landesweite Schlagzeilen sorgte Devi 2007, als sie mit ihren Mitstreiterinnen öffentlich einen Polizisten verdrosch, weil dieser ohne Anklage einen Bauern einer unteren Kaste für zwei Wochen im Gefängnis schmoren ließ. Später verprügelten sie Ordnungshüter, die sich weigerten, Vergewaltigungen und sexuellen Missbrauch zu untersuchen.

Sie tragen ihre Stöcke nicht nur zur Dekoration

Schnell machte die Kunde von den aufsässigen Mädels die Runde, immer mehr Frauen baten sie um Hilfe. Zu ihrem Erkennungszeichen wurden die rosa Saris und die Lathis, die Bambusstöcke, die Indiens Polizei traditionell zum Verprügeln von Missetätern benutzt. Nein, sagt Devi, sie hasse Männer nicht. Aber sie habe dem Unrecht nicht mehr tatenlos zusehen wollen. „Keiner kommt uns hier zu Hilfe.“ Ihre Heimat ist Bundelkhand, eine Provinz im Südosten von Uttar Pradesh, dem einwohnerreichsten Bundesstaat Indiens. Bitterarm und vom Kastensystem geprägt ist Bundelkhand faktisch ein gesetzloser Raum, in dem die Reichen das Sagen haben und Polizisten oft nur ihre Helfershelfer sind.

Die Opfer von Gewalt und Verbrechen, die Armen und Angehörigen unterer Kasten haben dagegen keine Fürsprecher. Und ganz unten stehen die Frauen, die einem mittelalterlichen Ehrenkodex unterworfen sind. Viele Eltern schicken ihre Töchter nicht mal zur Schule, aus Angst, sie könnten dort Kontakt mit Jungen haben und die Familie entehren. Viele werden schon als Teenager zwangsverheiratet. Mitgiftmorde sind häufig ebenso wie Vergewaltigungen und Gewalt gegen Frauen. Doch die Opfer schweigen aus Scham und weil sie kaum Hilfe erwarten können, am allerwenigsten von der Polizei und den Behörden.

Lesen Sie auf Seite zwei, warum die Gulabi-Gang mittlerweile eine Institution ist.

Devi ist zur Heldin, zur Anwältin dieser Frauen geworden. Die Mutter von fünf Kindern weiß, wogegen sie kämpft. Als Zwölfjährige wurde sie mit einem 13 Jahre älteren Eisverkäufer zwangsverheiratet. Aber sie hatte Glück. Er entpuppte sich als netter Ehemann, der sie sogar noch unterstützte, als sie mit ihrer Gulabi-Gang alle gängigen Normen herausforderte und Recht und Gesetz selbst in die Hand nahm. „Mein Vater war ein armer Viehzüchter der untersten Kaste. Anders als meine Brüder durfte ich nie zur Schule gehen. Er hatte auch kaum Geld für eine Mitgift“, erzählt sie. „Ich halte nichts vom Kastensystem. Ich glaube an Menschlichkeit und Gleichheit.“

Inzwischen ist die Gulabi-Gang eine Institution, die nicht nur von den Dorfbewohnern, sondern auch von der Regierung und Behörden anerkannt wird. Die Frauen rufen prügelnde und saufende Ehemänner zur Räson. Sie vermitteln bei Familienzwistigkeiten, kämpfen gegen Zwangs- und Kinderehen und setzen sich dafür ein, dass Mädchen zur Schule gehen. Und sie werden sogar gerufen, wenn sich Familien um Land streiten. „Nun kommen sogar Männer mit ihren Problemen zu uns“, sagt Devi. „Wir beschützen die Machtlosen vor den Mächtigen. Wir bestrafen brutale Ehemänner und jene, die ihre Familien im Stich lassen. Und wir zwingen die Polizei, Anzeigen von Armen aufzunehmen.“

Das ungerechte Kastenwesen nehmen sie nicht klaglos hin

Die Gulabi haben ein Instrumentarium der abgestuften Eskalation entwickelt. Sie versuchen es mit gutem Zureden, sie stellen Missetäter öffentlich bloß und drohen Uneinsichtigen. Erst wenn das alles nicht hilft, werden die Damen handgreiflich. Die Schlagstöcke tragen sie keineswegs nur zur Dekoration. „Wir reden dann erst mit dem Mann, der seine Frau schlägt. Wenn er es nicht versteht, fordern wir seine Frau auf mitzumachen, während wir ihn mit unseren Lathis verprügeln.“ Devi selbst schwört weiter auf die Sprache der Gewalt. Diese habe sich als wirksamstes Mittel erwiesen, um Probleme zu lösen. Aber heute halte sie sich ans Gesetz. „Wir müssen nur noch selten Gewalt anwenden. Unser Ruf ist meist genug, um die bösen Jungs einzuschüchtern.“

Angeblich soll die Truppe heute mehr als 20 000 Mitglieder haben, wobei solche Zahlen in Indien mit höchster Vorsicht zu genießen sind.

Mit einem klapprigen Fahrrad fährt Devi von Dorf zu Dorf, um sich mit ihren Mitstreiterinnen zu treffen und Streitfälle zu beraten. Doch sie haben auch Gegner. Devi selbst wird immer wieder bedroht, sie vermutet korrupte Beamte dahinter, denen die Mädels auf die Finger klopften. Einmal wurde sogar auf sie geschossen. „Aber ich habe keine Angst vor irgendwem. Meine Frauen stehen hinter mir und geben mir Kraft.“

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