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© epa

Indonesien: Erdbeben auf Sumatra - SMS aus den Trümmern

Nach dem Erdbeben auf Sumatra gibt es noch Lebenszeichen von Opfern. Am Ort helfen auch Deutsche.

Hilferufe und Klopfzeichen erklingen aus der Tiefe von Schuttbergen, drei Tage nach dem verheerenden Erdbeben auf Westsumatra ging am Sonnabend die Suche nach Überlebenden weiter. Noch am Freitag konnten Menschen aus den Trümmern gerettet werden. Doch trotz der Unterstützung von Rettungskräften aus aller Welt mit Suchhunden und modernsten Geräten kommen die Bergungsarbeiten nur äußerst schleppend voran.

In Indonesien herrscht weiter Verwirrung über die Zahl der Opfer. Während John Holmes, Chef der humanitären Hilfe der Vereinten Nationen, noch am Freitag von mindestens 1100 Toten sprach, gaben die indonesischen Behörden die Opferzahl am Samstag offiziell mit 777 an. Außerdem seien 2400 Menschen verletzt und Tausende obdachlos. Indonesiens Behörden gehen zudem von bis zu 4000 Verschütteten aus.

Mittlerweile sind Katastrophenhelfer aus aller Welt im Einsatz, darunter auch Fachleute aus Deutschland wie Traumatherapeuten von der Caritas, dem Deutschen Roten Kreuz und von World Vision. Das Technische Hilfswerk schickte ein fünfköpfiges Fachberaterteam. Zudem sind Spezialteams mit Suchhunden aus Japan und der Schweiz angereist. „Die Hunde sind trainiert, Überlebende zu orten, nicht Tote“, sagt Hidehiro Murase, Chef des japanischen Teams, das gestern vergebliche Stunden beim eingestürzten Ambacang Hotel arbeitete, in dessen Ruinen acht Menschen vermutet werden. „Ein Opfer schickte eine SMS-Nachricht an die Familie“, sagte Airlangga, einer der indonesischen Rettungskräfte. „Wir wissen, dass er oder sie noch lebt.“

Die sechs Schweizer, die mit ihren Spürhunden einen Einstieg in die Ruinen absuchten, mussten aufgeben. Einer der Rettungskräfte, Villa Stefano, spricht von „sehr starkem Verwesungsgeruch“, wischt sich Schweiß und Staub von der Stirn. Die Hunde werden pausenlos tagelang im Einsatz sein. Eine Sprecherin des Teams sagte, die Tiere könnten Überlebende Tage nach einem Beben finden.

Inzwischen sind die Ausmaße der Katastrophe etwas klarer. Ausländische Reporter berichten, dass die Zerstörungen in der Provinzhauptstadt Padang, die zum asiatischen Flugdrehkreuz ausgebaut werden sollte, weniger schlimm sind als anfänglich angenommen. Stärkere Zerstörungen gibt es dagegen in der Provinz, wo ganze Dörfer verschwanden. CNN-Reporter Dan Rivers berichtete, Padang sei zum Großteil unversehrt. Gebäude seien „wie zufällig“ eingestürzt.

Die Rettungsarbeiter werden nicht nur von Tonnen an Trümmern und Schutt behindert, sondern auch von Schaulustigen. Als am Freitag die 21-jährige indonesische Studentin Ratna Kurnia Sari 40 Stunden nach dem Beben lebend aus den Trümmern ihrer Sprachschule gezogen wurde, brach die umstehende Menge zwar in Applaus aus. Doch die Nothelfer konnten sich nur mit Mühe einen Weg durch ein Heer von Kameras und Umstehenden bahnen. Die Tumulte sind Sinnbild für das überall herrschende Chaos. Die Verzweiflung wächst. Je tiefer Rettungskräfte in die Provinz vordringen, desto mehr Elend sehen sie. Man hört von Heldengeschichten, wie eine Mutter die Kraft fand, eigenhändig schwere Betonbrocken hochzuheben, um ihre blutende, eingeklemmte Tochter zu befreien.

Strom- und Mobilfunknetze bleiben weitgehend zusammengebrochen, Trinkwasser ist rar und vor 14 Tankstellen in Padang, die am Freitag wieder öffneten, bildeten sich endlose Autoschlangen. Der Treibstoff ist schnell ausverkauft, wird rationiert. Auf dem freien Markt muss man Preise bezahlen wie zu Kriegszeiten. Vielen Supermärkten gingen Lebensmittel wie Zucker und Reis schon am Freitag aus, Rettungskräften fehlt es weiter an schweren Baumaschinen und elektrischen Schneidemaschinen. Seit Freitag liegt Verwesungsgeruch über Padang. Viele der Retter tragen Atemmasken, während Hilfsmannschaften riesige, an Stromgeneratoren angeschlossene Flutlichter für die Nächte hochziehen.

Einer Helferin zufolge wurden 40 Kinder aus den Trümmern einer Schule in Padang gerettet. Seit Freitag würden nur noch tote Kinder geborgen. Vor anderen Schulen stehen Eltern, die seit dem Erdbeben nicht mehr von der Stelle weichen und weinend und betend auf ein Wunder warten. Dann wieder der Ruf von Rettungskräften, man habe in der Tiefe ein „tolong, tolong!“ gehört. Helft, helft!

Alle tun, was sie nur können. Die Caritas weitet ihren Einsatz in Kooperation mit ihren indonesischen Kollegen weiter aus. Zwei weitere deutsche Helfer, darunter ein Trauma-Experte, sollen am Wochenende eintreffen. Für die Notfallversorgung ist ein Team katholischer Ärzte im Einsatz. 1400 Zelte werden für die Verteilung vorbereitet. Auch Caritas International bittet weiter dringend um Spenden. Die internationale Kinderhilfsorganisation World Vision hat einen Konvoi nach Padang geschickt. Zunächst sollen 690 Wasserbehälter verteilt werden. In den Distrikten Kota Padang und Padang Pariaman sollen an diesem Sonntag an 7200 Familien Hilfspakete verteilt werden: Plastikplanen gegen den Regen, Decken, Matten, Hygieneartikel, Kochutensilien, Windeln und Babypuder. Außerdem richtet World Vision mehrere Kinderbetreuungszentren ein. Die Kleinen sollen dort spielen können, abgelenkt werden, zur Ruhe kommen.

Daniel Kestenholz[Bangkok], Annette Kögel[Berlin]

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