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© AFP

Inferno in São Paulo: Eine vorhersehbare Katastrophe

War die Flugzeug-Katastrophe in São Paulo nur eine Frage der Zeit? Die mangelnde Sicherheit der Landebahn war jedenfalls bekannt. Selbst die Piste in Berlin-Tempelhof ist länger als die der brasilianischen Metropole.

Der Albtraum wurde zu einem Zeitpunkt wahr, als die Gefahr eigentlich bereits als gebannt galt. Nach langen Debatten um die Sicherheit hatte der nationale Flughafenbetreiber Infraero endlich die Hauptlandebahn des Stadtflughafens von Sao Paulo sanieren lassen. Doch offenbar hatte man die Piste des Congonhas-Airports zu frühzeitig wieder freigegeben. Wesentliche Arbeitsschritte waren noch nicht ausgeführt worden.

Die Sicherheit des in den 30er Jahren gebauten, im dichtbesiedelten Stadtgebiet gelegenen Flughafens ist seit Jahren umstritten. Die 1940 Meter lange Hauptbahn liegt an der Grenze dessen, was für den Betrieb mit klassischen Mittelstreckenjets wie dem Airbus A320 und die Boeing 737 vertretbar ist. Die Reservebahn ist mit 1435 Metern viel zu kurz (zum Vergleich: Die Landebahn in Tempelhof misst 2116 Meter). Auch eine funktionierende Regenentwässerung und der zum internationalen Flughafen-Sicherheitsstandard gehörende, raue Antirutschbelag fehlten bisher. Immer wieder rutschten landende Flugzeuge bei Nässe über das Landebahnende hinaus. In der Vergangenheit liefen die Zwischenfälle durchweg glimpflich ab. Doch Experten warnten schon lange, dass eine Katastrophe nur eine Frage der Zeit sei.

Im Februar hatte deshalb sogar ein Gericht den Flugbetrieb mit größeren Jets untersagt. Die Bahn müsste um 388 Meter verlängert werden, um auch bei Starkregen die Sicherheit zu gewährleisten, hieß es damals. Doch bereits wenige Tage später hob ein Berufungsgericht das Verbot für die gängigsten Typen wieder auf. Sonst hätten die brasilianischen Airlines zu weit auswärts liegenden Plätzen ausweichen müssen. Der nur für Inlandsflüge genutzte Congonhas-Airport ist der am stärksten frequentierte Flughafen Brasiliens und somit ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Er bewältigt jährlich rund 18 Millionen Passagiere, so viel wie die drei Berliner Flughäfen Schönefeld, Tegel und Tempelhof zusammen.

Am 14. Mai wurde endlich mit der überfälligen Pistensanierung begonnen. Planmäßig wurde die Landebahn 45 Tage später nach Abschluss der ersten Bauphase wieder eröffnet. Man wollte die Zeit der Flugumleitungen offenbar so kurz wie möglich halten. Doch als am 29. Juni die ersten Jets auf der erneuerten Bahn landeten, fehlten noch wichtige Komponenten. Dazu gehörten die in den Asphalt gefrästen Rillen, über die das Regenwasser abfließen kann. Sie gehörten, wie es heißt erst zur zweiten Bauphase, die bei laufendem Flugbetrieb erst Mitte August enden soll.

So kam es offenbar zu der Katastrophe, die mit den Bauarbeiten eigentlich verhindert werden sollte. Die Crew des Unglücks-Airbusses dürfte nach Einleitung des Bremsvorganges keine Chance mehr gehabt haben. Zwar sind Flugzeuge mit einem Anti-Skid-System ausgestattet, das dem ABS beim Auto entspricht. Verstärkt wird die Bremswirkung durch die Schubumkehr der Triebwerke. Doch auf einer durch mangelnde Entwässerung stark überfluteten Piste kann es trotzdem zum Aquaplaning kommen. Bei einer Landegeschwindigkeit von rund 230 Stundenkilometern und einem Landegewicht von bis zu 65 Tonnen verlängerten sich die Bremsstrecke dann dramatisch. Flughäfen mit ausreichender Bahnlänge verfügen deshalb oft über einen zusätzlichen Sicherheitspuffer, befestigte Überrollflächen hinter dem eigentlichen Pistenende.

Die letzte Entscheidung über eine Landung trifft immer der Flugkapitän. Doch auch er ist auf Informationen über den Bahnzustand angewiesen, beispielsweise durch die Fluglotsen im Kontrollturm oder die Piloten zuvor gelandeter Maschinen.

Rainer W. During

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