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Panorama: Ingenieur warnte Nasa zwei Tage vor der Columbia-Katastrophe

Experte machte auf mögliche Folgen nach Beschädigung der Hitzekacheln aufmerksam / US-Raumfahrtbehörde spricht von Gedankenspielen

Houston. Ein Ingenieur der US-Raumfahrtbehörde Nasa hat zwei Tage vor dem Absturz der Raumfähre Columbia vor einer Katastrophe beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre gewarnt. Das von ihm skizzierte Szenario zeigt Parallelen zum tatsächlichen Verlauf des Unglücks. Der Space-Shuttle war am 1. Februar bei der Rückkehr von einer 16-tägigen Weltraum-Mission in rund 63 Kilometern Höhe auseinandergebrochen. Alle sieben Astronauten starben.

80 Sekunden nach dem Start der Columbia am 16. Januar hatte sich ein Stück der aus Kunststoffschaum bestehenden Isolierung des Zusatztanks gelöst und war gegen die Unterseite der linken Tragfläche geprallt. Dort befindet sich der sensibelste Teil der rund 27 000 etwa 15 mal 15 Zentimeter großen Hitzeschutzkacheln. Die 1,3 bis 8,9 Zentimeter dicken Kacheln sind aufgeklebt und müssen zum Teil einer Reibungshitze von mehr als 1500 Grad Celsius widerstehen.

Zu den ersten Anzeichen der sich anbahnenden Katastrophe gehörte ein Anstieg von Temperatur und Druck am linken Fahrwerk der Columbia. Kurz vor dem Unglück fielen hier entscheidende Sensoren aus. Die Raumfähren landen wie ein Flugzeug. Sie verfügen deshalb über ein Bugfahrwerk sowie zwei in den Tragflächen untergebrachte Hauptfahrwerke, die mit jeweils zwei Reifen ausgestattet sind. Jeder Shuttle-Reifen wiegt rund 90 Kilo und ist unter dem rund zehnfachem Druck eines Autoreifens mit gasförmigem Stickstoff gefüllt.

Am 30. Januar hatte der Ingenieur Robert H. Daugherty vom Langley Research Center der Nasa in Hampton (US-Bundesstaat Virginia) mehrere Szenarien für den „absolut schlimmsten Fall“ nach einer Beschädigung der Kacheln im Bereich des Fahrwerkschachtes skizziert. Er warnte dabei zumindest vor einem Versagen des Fahrwerks. „Eine meiner persönlichen Theorien ist, dass Sie ernsthaft die Möglichkeit erwägen müssen, dass sich das Fahrgestell nicht ausfahren lässt, wenn es einen wesentlichen Bruch am Fahrwerksschacht gibt“.

Die Hitzeentwicklung ließe den Reifendruck massiv steigen. „An einem Punkt kann das Rad versagen und Trümmer überall hin schicken“, schrieb Daugherty in einer E-Mail an Mitarbeiter des Johnson Space Center in Houston (Texas). Zudem warnte der Ingenieur, dass der beim Platzen beider Reifen entstehende Überdruck die Tür des Fahrwerksschachts mit einer Last von über 100 Tonnen „fast sicher" aus den Scharnieren drücken würde. Als letzte Konsequenz könnte sie in den Luftstrom der Raumfähre geschleudert werden, die beim Wiedereintritt eine Geschwindigkeit von rund 20 000 Kilometern pro Stunde hat.

Ingenieure der Nasa und des Luftfahrtkonzerns Boeing hatten nach dem Columbia-Start die Beschädigung von Hitzeschutzkacheln im Bereich des linken Fahrwerksschachtes für möglich gehalten. Sie leiteten daraus jedoch keine Gefahr für den Shuttle ab. Die Warnung von Daugherty wurde von den Empfängern diskutiert, führte jedoch zu keiner Reaktion. In aktuellen Stellungnahmen bezeichneten Nasa-Offizielle die Warnungen des Ingenieurs lediglich als „Gedankenspiele“ auf Basis eines „hypothetischen Szenarios“.

Rainer W. During

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