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Panorama: Instant Karma

Der Buddhismus ist das Aerobic dieses Jahrzehnts und begeistert nicht nur etliche Prominente – inzwischen hat er den Alltag erreicht

Das Leben als Kreislauf der Selbstvervollkommnung, der von Ruhe und Gleichförmigkeit bestimmt ist, ein Lernprozess der Gelassenheit – „Frühling, Sommer, Herbst, Winter... und Frühling“ vom Koreaner Kim Ki-Duk (gerade bei der Berlinale mit einem Silbernen Bären für Regie geehrt), der am Donnerstag ins Kino kommt, schildert eine Idylle: Ein kleines buddhistisches Kloster inmitten eines waldumsäumten Bergsees, ein Gegenentwurf zur grauen Dynamik des modernen Lebens. Dass dieser stille, auf den ersten Blick unspektakuläre Film jetzt auch hierzulande zu sehen ist, dass er zudem von einer deutschen Firma, der Kölner „Pandora Film“, coproduziert wurde, ist nur eines von vielen Indizien für einen zwar nicht ganz neuen, zuletzt aber stark ansteigenden Trend: Während die christlichen Kirchen Mitgliederschwund beklagen, fasziniert keine Religion die Bevölkerung der westlichen Länder so sehr wie der Buddhismus und ihm verwandte Formen fernöstlicher Spiritualität.

Längst sind es nicht mehr nur ein paar Prominente wie Richard Gere, der sich auch politisch für die Menschenrechte in Tibet engagiert, und die Filmregisseure Martin Scorsese und Bernardo Bertolucci, die ihre eigenen Buddha-Filme drehten, oder die seit zwei Jahrzehnten für alles Spirituelle offene Madonna, die zuletzt mehr mit ihren Yoga-Kursen als mit spektakulären Hits von sich reden machte. Seminare in Zen-Buddhismus gehören zu den beliebtesten Angeboten der Volkshochschulen. In jeder Kleinstadt werden inzwischen buddhistische Seminare angeboten. Thomas Geist, Mitglied der „Deutschen Buddhistischen Union“ ist überzeugt: „Freies, selbstbestimmtes Leben ist heute nur im Buddhismus möglich.“ Es wäre, meint Geist, wünschenswert „wenn sich alle Menschen im Zustand der Mystiker befänden.“

Alt-68er Rainer Langhans sah die Jugend schon vor Jahren „weil politisch alles so enttäuschend war“, zwischen der Alternative eines „Wegs ins Esoterische oder in den Terrorismus.“ „Der Buddhismus hat unseren Alltag erreicht“, konstatiert etwa die Berliner Kulturwissenschaftlerin und Trendforscherin Sandra Trültzsch. „In der Praxis hat das sehr differenzierte Formen. Für manche geht es nur um Meditationstechnik. Für andere ist er eine ganze Weltanschauung.“ Als besonders praktisch erweist sich dabei die Offenheit und Elastizität des buddhistischen Systems: „Man kann sich herauspicken, was einem passt. Zudem schließt sich der Buddhismus nicht aus, da er sich mit anderen Formen des Religiösen überlappt – Vielgötterei wie im alten Rom ist möglich.“ Trültzsch stellt das gesteigerte Interesse einerseits in einen Zusammenhang mit dem allgemeinen Trend westlicher Gesellschaften, wo in der Konsumkrise die Menschen anderen Trost suchen. Zugleich sei der Buddhismus-Boom einstweilen ein „Elitephänomen“, die spirituelle Droge der Prominenten und Manager: „Ich kenne keine armen Leute, die im Westen Buddhisten sind. Es sind Kulturschaffende, Bürgerliche, aufgeklärte Leute, die nach einem zweiten oder dritten Lebenssinn suchen. Der klassische Arbeiter in Marzahn interessiert sich nicht für Buddhismus.“ Das Werte-Reservoir des Buddhismus wirkt so als passende Ergänzung zum nach wie vor neoliberalen Zeitgeist: Im Zentrum steht das Individuum, es geht um Selbstfindung und Selbsterlösung. Soziale Werte wie Mitleid und Fürsorge spielen, wenn überhaupt, nur eine sehr untergeordnete Rolle.

Mittlerweile gibt es auch in Deutschland eine ganze Buddhismus-Industrie: exklusive Klöster, die ihre Gäste nur über persönliche Empfehlung und gegen Zahlung teurer Honorare rekrutieren. Dort wird die feine Kundschaft von geistigen Führern unterwiesen, erhält spirituelle und körperliche Wellness-Kuren, aber unter einfachen Bedingungen. „Es ist eigentlich absurd, so Trültzsch, „Luxusabkehr unter luxuriösesten Bedingungen – ganz exklusiv verbringt man viel Zeit in ärmlicher Verkleidung mit der Anmutung von Exerzitien. Mit den schlichten Yogakursen für die Hausfrau hat das nichts zu tun.“

Nichts stört den geschlossenen Rahmen. Es gibt in Deutschland keine Schulen, die ihre Lehren auf andere gesellschaftliche Zusammenhänge übertragen , und etwa die Bekehrung der Armen unternehmen wollen oder anderen Schichten auch die Möglichkeit zur Erleuchtung geben möchten.

Das Urteil der Kölner Medienberater Heike-Melba Fendel ist besonders nüchtern. Ihre Firma „Barbarella Entertainment“ berät unter anderem Prominente bei ihren öffentlichen Auftritten. „Buddhismus und Yoga sind für die Promis das Aerobic unseres Jahrzehnts“, so Fendel, „sie machen chic und sexy.“ Buddhismus sei ein „seelisches Statussymbol. So wie im Make-up derzeit der „Natural Look“ in ist, sei es heute am wichtigsten, „unangestrengte Anstrengung“ zu dokumentieren – als Vorbild gilt, wer sich bemüht, ehrgeizig ist, aber dabei nicht ins Schwitzen kommt. „Mit Hilfe des Buddhismus kann man durch wenige einfache Sätze Tiefe simulieren – das ist genau das, wonach sich die Prominenz heute sehnt.“

Buddhismus verkauft sich einfach gut. Mit dem Dalai Lama hat der Buddhismus auch ein „zeitgemäßes Maskottchen“, der für Humor, Heiterkeit, Gewaltlosigkeit, diszipliniertes Leben, kurzum attraktive Werte steht: „Der Ernst, mit dem etwa ein Mel Gibson seinen Katholizismus zelebriert, wirkt spießig. Dagegen ist der Dalai Lama ein zeitgemäßer spiritueller Leader, gerade für den Westen.“ Angela Merkel trifft den Papst, und ist für den Irakkrieg. Richard Gere trifft den Dalai Lama und fordert Gewaltlosigkeit – keine Frage, was da mehr Sexappeal hat.

Rüdiger Suchsland

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