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Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen.

© Denitza Tchacarova

Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen: Das alltägliche Verbrechen mitten unter uns

Die Zahl der von Gewalt betroffenen Frauen steigt, die Aufmerksamkeit dafür auch. Hilfe ist nötig - doch das reicht nicht aus. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Friedhard Teuffel

Es wäre schon viel gewonnen, wenn Frauen über ihre Erfahrungen mit Gewalt angstfrei reden könnten. Ohne Angst vor ihrem Partner, vor sozialem und beruflichem Abstieg. Das könnte eine Botschaft sein an einem Tag, der den Betroffenen von Gewalt gewidmet ist. Dieser Samstag ist der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen, und die Botschaft gilt weltweit, weil diese Gewalt weltweit grassiert. Sie wird für die Öffentlichkeit manchmal in Einzelschicksalen sichtbar, meistens aber nur in großen, erschütternden Zahlen.

Diese Gewalt findet oft in nächster Nähe statt. In Deutschland haben im vergangenen Jahr 133.000 Menschen Gewalt durch ihren Partner oder Ex-Partner erfahren, Verbrechen, die der Polizei gemeldet wurden. Dabei handelt es sich um Mord und Totschlag, Vergewaltigung, Körperverletzung, Stalking und andere Bedrohungen. Von den Betroffenen sind 82 Prozent Frauen, jede zweite lebte mit dem Täter in einem Haushalt.

Seit 2012 steigen die Betroffenenzahlen an, zuletzt um 4,4 Prozent und selbst wenn zu hoffen ist, dass dieser Anstieg vielleicht auch am gewachsenen Mut liegt, solche Vergehen auch anzuzeigen – eine Dunkelziffer wird bleiben. Wenn Frauen Hilfe brauchen, muss sie sofort da sein. Das macht etwa die Frauenhäuser so wichtig, die Frauen und manchmal auch ihren Kindern Schutz bieten. Selbst wenn diese Häuser die bittere Wahrheit mit sich bringen, dass gerade die Betroffenen ihre eigene Wohnung verlassen müssen, weil sie dort vor den Tätern nicht mehr sicher sind. Eine andere Maßnahme ist das Hilfetelefon für Frauen gegen Gewalt, das in Deutschland in 17 Sprachen Unterstützung bietet – 61000 Betroffene haben das zwischen 2013 und 2016 genutzt.

#MeToo führt zu mehr Offenheit - aber auch mehr Hilfe ist notwendig

Den Mut der Frauen, eigene Erfahrungen von Gewalt nicht mehr still zu ertragen, hat offenbar auch die Debatte #MeToo wachsen lassen. Der Bundesverband der Frauenberatungsstellen hat mitgeteilt, dass sich seit Beginn der Debatte deutlich mehr Frauen gemeldet hätten.

Um wirklich weiterzukommen, darf es jedoch nicht nur Hilfe für Betroffene geben. Über Gewalt gegen Frauen kann man nicht reden, ohne gesellschaftliche Ungleichgewichte zu benennen. Denn es sind gleiche Möglichkeiten für Frauen im Berufsleben, die ihre Unabhängigkeit stärken, die Unabhängigkeit auch von potenziellen oder tatsächlichen Peinigern.

Dieser internationale Tag gegen Gewalt an Frauen verlangt nach mehreren Perspektiven. Nach einem Blick ins eigene Land einerseits wie nach dem in andere Länder andererseits. Dieser Blick fällt nach wie vor auf Verschleppungen, Versklavungen, Zwangsprostitution, Beschneidung, Sextourismus und andere Formen von Gewalt.

Frauen demonstrieren am Samstag im schweizerischen Lausanne gegen sexuelle Gewalt gegen Frauen.
Frauen demonstrieren am Samstag im schweizerischen Lausanne gegen sexuelle Gewalt gegen Frauen.

© Laurent Gillieron/KEYSTONE/dpa

In den vergangenen Jahren haben viele Organisationen die Rechte und die Förderung von Mädchen und Frauen zu ihrem Anliegen gemacht, zunächst einmal aus ganz humanitären Gründen. Aber oft auch mit dem entwicklungspolitischen Bewusstsein, dass es die Frauen sind, die Gesellschaften weiterbringen, sei es in der Wirtschaft, im Umweltschutz, der Aidsprävention oder anderen Bereichen. Daraus sind großartige Bildungsprogramme entstanden oder Fonds für die Vergabe von Mikrokrediten.

Eine andere Perspektive für diesen Tag lautet: Eine Gesellschaft wird stärker, wenn Männer souveräner werden. Gewalt, vor allem auch sexuelle Gewalt, ist plumpester Machtmissbrauch. Das spricht zum Beispiel für ein Aufbrechen von Hierarchien, die Abhängigkeiten begünstigen. Den Anlass für diesen Tag können Männer und Frauen ohnehin nur gemeinsam bekämpfen.

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