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© pa/ZB

Interview: Eva Padberg: "Ich habe ein schlechtes Gewissen"

Sie ist kein Abenteurertyp, aber dann kauft sie ein Moskitonetz und Wanderschuhe. Wie Eva Padberg aus Burkina Faso ein wenig Geduld mitgebracht hat.

Frau Padberg, schickes T-Shirt!



Gefällt’s Ihnen? Ich habe es von einem Kölner Online-Shop, der fair produzierte Klamotten verkauft. So kann ich sicher sein, dass die Baumwolle für das Shirt aus Betrieben kommt, in denen keine Kinder ausgebeutet werden.

Sie engagieren sich seit drei Jahren gegen Kinderarbeit. Eben sind Sie aus Burkina Faso zurückgekommen. Wie bereiten Sie sich auf eine solche Reise vor?


Ich bekomme von Unicef eine Infomappe, da steht alles über die Projekte drin, wie man sich am besten verhält und was man für unterwegs einpacken soll. Praktische Tipps wie: Nehmen Sie nur Müsli-Riegel ohne Schokolade mit, weil die schmilzt. Aber auch Warnhinweise, zum Beispiel, dass homosexuelle Handlungen bestraft werden.

Die Müsliriegel haben Sie doch nicht wirklich gebraucht.


Klar, wir hatten nie Zeit für eine Mittagspause. So viele neue Eindrücke in so kurzer Zeit habe ich noch nie bekommen. Burkina gehört ja zu den ärmsten Ländern der Erde, die Lebensmittelpreise sind in letzter Zeit auch noch stark gestiegen, sodass viele Familien den Großteil ihres Einkommens für Essen ausgeben müssen. Für die Schulgebühren der Kinder ist oft kein Geld mehr da. Besonders für Mädchen ist es nicht üblich, zur Schule zu gehen. Fast jedes zweite Kind wird nicht eingeschult, zwei Millionen Mädchen und Jungen erhalten gar keinen Unterricht. Dagegen will das Unicef-Projekt „Schulen für Afrika“ kämpfen.

Was ist denn der stärkste Eindruck, den Sie aus diesem westafrikanischen Land mitgebracht haben?


Das war wohl der Besuch in einem Steinbruch. Es stank wahnsinnig nach schwelenden Autoreifen, die angezündet werden, damit der Stein von den Dämpfen porös wird. Mittendrin müssen Kinder Steine klopfen – von morgens um sieben bis abends um fünf. Der reine Horror! Ein 14-jähriger Junge hat mir erzählt, dass er davon träumt, Chauffeur zu werden. Aber statt zur Schule zu gehen muss er arbeiten.

Haben Sie dem Jungen von Ihrem Beruf erzählt?


Nein, nein. Ich wurde zwar als Topmodel vorgestellt, doch die Kinder haben natürlich gar nicht begriffen, was das ist. Wie auch, ich verstehe es ja selbst nicht richtig. Da ist immer so ein komischer Beigeschmack im Spiel. Erst auf dem Rückflug fiel uns ein, dass wir einfach hätten „Mannequin“ sagen müssen. Das hätten sie wahrscheinlich verstanden, weil sie Französisch sprechen.

Die Werbeagentur BBDO hat Ihren Marktwert auf 15,3 Millionen Euro pro Jahr geschätzt. Rührt Ihr Impuls, armen Kindern zu helfen, von einem schlechten Gewissen?

Also, erstmal würde ich gerne wissen, wie die auf eine solche Summe kommen. Und zum schlechten Gewissen: Das spielte sicher eine Rolle. Ich selbst hatte eine total glückliche Kindheit und kann mir Elend gar nicht vorstellen. Ich habe sogar ein schlechtes Gewissen, weil es mir so unsagbar leicht gemacht wird zu helfen. Mein Gott, eine solche Reise bedeutet ja nicht, dass ich mich aufopfere oder total viel von mir abverlangt wird. Ich schätze, die Zeit war einfach reif. Und als dann die Bitte von Unicef kam, habe ich ohne Zögern zugesagt.

Wie kommentieren Ihre Freunde dieses Engagement?

Da kamen anfangs ein paar Sprüche, so in die Richtung: Na, bringst Du Dir diesmal ein schwarzes Baby mit, wie Madonna? Bei vielen merkt man, dass ein ernstes Thema nicht in ihr Leben passt. Viele sagen auch: Interessant, aber wer bezahlt Dir diese Reise?

Gute Frage.

Wir sind alle Economy runtergeflogen, das hat ein Sponsor bezahlt, der sich für das Projekt engagiert.

Sie arbeiten seit mehr als zehn Jahren in der Modewelt, fliegen als Model rund um die Welt. Achten Sie auch in Ouagadougou darauf, was man dort trägt?

Na sicher. Ich fand die bunt bedruckten traditionellen Gewänder der Frauen toll. Besser gestellte Frauen tragen einen beeindruckenden Turban auf dem Kopf und viele Armreifen und Ketten. Interessanterweise fand ich es total komisch, wenn mir mal eine Frau in Jeans begegnet ist.

Auf den Fotos, die Sie uns von Ihrer Reise gezeigt haben, tragen Sie eine Gürteltasche um den Bauch. Verraten Sie, was dort – außer den Müsliriegeln – drin war?


Meine Kamera, ein Päckchen mit Taschentüchern und ein Desinfektionsmittel. Ich habe laufend Hände geschüttelt und Köpfe gestreichelt, da braucht man so was, wenn man ins field geht, gerade in Zeiten der Schweinegrippe.

Ins field? Das klingt nach Krieg.


Hm. Das sagen jedenfalls die Unicef-Mitarbeiter, wenn sie aus ihren Büros rausgehen. Ich hab’ das wohl einfach übernommen.

Aus Ihrer Welt des Glamours in die Armut – Sie hatten bestimmt einen Kulturschock.

Nein, das klingt mir viel zu negativ. Ich bin eher jemand, der alles erstmal auf sich wirken lässt. Als ich in Ouagadougou auf dem Rollfeld stand, konnte ich zum Beispiel diesen typischen Geruch dort nicht sofort zuordnen. Erst als wir in die Stadt fuhren, bemerkte ich die vielen Holzfeuer an den Straßenrändern. Das ganze Leben spielt sich an diesen kleinen Kochstellen ab.

Es soll ein Nationalgericht in Burkina Faso geben …

… Sie denken an To. Das ist ein Brei aus Mais und Hirse mit Sauce. Hab’ ich aber nicht probiert.

Wir meinen eigentlich das Poulet Télévisé.


Die habe ich gesehen! Sehr witzig, das sind Brathähnchen, die sich am Straßenrand in Glaskästen drehen, daher der Name. Gegessen habe ich die nicht. Ich gebe offen zu, dass ich mich lieber an die Hotelpizza gehalten habe.

Das Auswärtige Amt schreibt in seinen Reisehinweisen über das Land, sogar tagsüber im Konvoi zu fahren sei gefährlich.

Wir sind nie in eine wirklich brenzlige Situation geraten. Nur als wir eine Goldmine besuchten, hatten wir zur Sicherheit einen bewaffneten Aufpasser dabei. Unicef will der Siedlung nahe der Goldmine eine Frischwasserpumpe bauen. Bislang mussten sie dort das Wasser über fünf Kilometer weit transportieren.

Wie lange wird es dauern, bis so eine Pumpe funktionstüchtig ist?


Das weiß ich nicht genau. Die bürokratischen Strukturen zu durchschauen, ist nicht leicht. An einem für uns scheinbar simplen Prozess sind unfassbar viele Menschen beteiligt. Alles fließt zäher als bei uns. Aber ich vertraue da ganz auf die burkinischen Mitarbeiter im Unicef-Büro.

Wir konnten Ihr Reisetagebuch lesen. Da schreiben Sie über Ihre Irritation, dass die Frauen kaum in der Öffentlichkeit reden.

Sie reden fast gar nicht, wenn Männer dabei sind, das war für mich äußerst ungewohnt. Es kommt sehr selten vor, dass eine Frau einmal das Wort ergreift. Einmal hat mich eine Vertreterin von der Schulbehörde gefragt, wie viele Kinder in Deutschland in eine Klasse gehen. Da standen wir gerade in einer Schulklasse mit 150 Kindern.

Haben Sie an einer Unterrichtsstunde teilnehmen können?


Ja, es wurde da gerade der Buchstabe „O“ besprochen – mithilfe eines der wichtigsten Worte Burkinas: „Moto“, also Motorrad.

Sind Sie denn auch mal ohne Begleitung herumgekommen?

Einmal. Ich war mit einem Fotografen unterwegs, der eine Reportage über die Baumwollindustrie gemacht hat. Der lebt seit einigen Monaten dort, hatte seine Malaria, schläft in Lehmhütten. Da konnte ich nicht mithalten. Ansonsten sind die Sicherheitsauflagen für Besucher wie mich sehr streng.

Vor zwei Jahren waren Sie in Ruanda, ebenfalls für das Kinderhilfswerk.

In Ruanda haben die Massaker des Genozids viele Kinder zu Waisen gemacht. Wenn ich daran denke, fällt mir immer eine berührende Szene ein. Es war ein Mädchen, das plötzlich neben mir stand, mir die Hand auf den Arm legte, hoch schaute und lächelte – als würde es mich schon ewig kennen. Ich spürte eine berührende Vertrautheit. Obwohl ich als völlig fremder weißer Alien-Mensch dort hinkam.

Hatten Sie damals Gelegenheit, mit den Erwachsenen über den Völkermord zu reden, dem 1994 etwa 800 000 Menschen zum Opfer fielen?


Das war schwierig. Man traut sich nicht so richtig, das anzusprechen, weil alles Erlebte und Erlittene noch so frisch ist. Ich war sehr zaghaft, wobei ich gar nicht weiß, ob die Leute mir ihre Geschichte nicht gerne erzählt hätten. Vielleicht war das ein Fehler. Wir haben uns auf die Kinder konzentriert. Ein Projekt hat mich besonders angesprochen: Da fahren Unicef-Mitarbeiter über die Dörfer, befestigen an irgendwelchen Wänden weiße Bettlaken und zeigen den Kindern extra gedrehte Filme, in denen ihnen ihre Rechte erklärt werden. Danach diskutiert ein Moderator mit den Kindern.

Mal was Praktisches: Gehen Sie vor so einer Reise ins Outdoor-Geschäft?

Ja. Diesmal habe ich mir ein Moskitonetz und feste Wanderschuhe besorgt. Dabei bin ich eigentlich gar kein Typ für Abenteuer. Aber in dem Moment, wo ich vor Ort bin, kann ich das total ausleben. Ach, wissen Sie, dass ich ein echtes Problem habe?

Warum lachen Sie?

Ich habe ein echtes Problem mit dem Beschreiben meiner Erlebnisse. Es klingt immer so klischeehaft, wenn man sagt: Also, die Leute in Burkina sind wahnsinnig freundlich und aufgeschlossen - nicht wie hier in Deutschland, wo viele verschlossen, skeptisch, dauerkritisch und sarkastisch sind. Es ist aber wirklich so: In Burkina lassen sie sich voll reingucken, die sind, wie sie sind. Ich wäre bestimmt eine bessere Botschafterin, wenn ich das alles in schillernden Farben schildern könnte.

Wirkt diese Mentalität in Ihnen nach der Reise weiter?

Ich bin viel besser gelaunt. Dann merke ich, dass in mir eine kleine afrikanische Frau steckt.

Das müssen Sie erklären.

Ich mag die Idee unheimlich gerne, Freunde zum Essen einzuladen. Dann rufe ich alle an und stresse mich wahnsinnig, das Essen bis zum letzten Moment fertig zu bekommen. Darunter leiden dann meine gastgeberischen Fähigkeiten ganz extrem, mit anderen Worten: Ich habe schlechte Laune, wenn die Gäste kommen. Das war jetzt anders. Ich hatte die Meute eingeladen und war viel ausgeglichener als sonst. Das ist es, was ich von dort mitgebracht habe: Geduld.

Wann verblasst diese Gabe?


Wenn ich wieder im Terminstress bin, geht das ziemlich schnell. Der Körper und der Kopf vergessen dann die Grundentspannung.

Stellen Sie in der Fremde manchmal fest, dass Sie ganz schön deutsch sind?

Klar, wenn ich mich frage, wo die nächste Toilette mit einem ordentlichen Waschbecken ist. Einmal war ich für einen Modeljob auf den Bahamas. Wir wollten mit dem Team schnell etwas zu essen organisieren, und es gab nur einen McDonald’s. Für zehn Leute Cheeseburger zu kaufen dauerte dort eine halbe Stunde. In solchen Momenten denkst du: In Deutschland würde das aber jetzt ruckizucki gehen, und im selben Moment schämst du dich für so einen Gedanken. Aber es muss schnell gehen, das Licht verändert sich dauernd bei so einem Shooting.

Die „Welt“ schrieb einmal über Sie: „Eva Padberg macht das Promi-Ding: Partys, Filmpremieren, Wohltätigkeitsveranstaltungen.“

Das trifft mich nicht. So oft gehe ich gar nicht auf solche Galas, vielleicht auf zwei im Jahr.

Können Sie uns erklären, warum es diese Charity-Galas gibt, zum Beispiel die in Düsseldorf von Ute Ohoven? Ist es nicht viel edler, im Stillen zu spenden statt auf diesen Partys massenweise Champagner in sich reinzuschütten?


Als Charity-Lady überlegt man sich: Ich will Großspender einladen, also Leute aus der Wirtschaft, mit Geld. Denen kann ich keine Power-Point-Präsentation über ein armes Land zeigen, und dann sagen die, okay, hier hast Du 500 000 Euro. Da muss Unterhaltung her, eine Auktion oder eine Tombola.

Können Sie das Murren der Kritiker nachvollziehen, wenn in „Bunte“ zu sehen ist, wie die Reichen es wieder einmal richtig krachen lassen, um den Armen zu helfen?


Kann ich verstehen. Nur, es funktioniert nun mal so, das finde ich auch nicht übel. Wenn die Leute Spaß haben, sitzt ihnen das Geld lockerer in der Tasche als bei einer deprimierenden Veranstaltung. Ich gehe gerne auf so einen Abend und genieße es dann auch.

Haben Sie bei einer dieser Tombolas schon mal etwas gewonnen?


Da muss ich überlegen … Ja, ein Boccia-Spiel.

Viele Prominente haben ihre eigenen Stiftungen. Mia Farrow engagiert sich in Darfur, Bob Geldof in Äthiopien, Madonna in Malawi.


Vor so viel Verantwortung hätte ich ehrlich gesagt den totalen Bammel. Ich zieh meinen Hut vor Leuten, die sich das aufladen. Das muss in einem drinstecken.

Angst vor Verantwortung – das klingt verdächtig nach dem Nicht-erwachsen-werden-wollen-Phänomen Ihrer Generation.

Total, und wissen Sie was? Ich finde das gar nicht schlimm. Ich zögere das erwachsen werden doch auch hinaus. Das hält einen im Kopf aufnahmefähig und stärkt gegen Stur- und Verbohrtheit. Mit einem Bierchen vor dem Fernseher sitzen können wir noch früh genug.

Seit Sie wieder in Deutschland sind, gab es eine Situation, in der Sie bewusst auf etwas verzichtet haben?


Tut mir leid, damit kann ich nicht dienen. Für mich sind aber auch eher kleine Sachen Luxus. Zum Beispiel selbst gemachte Rouladen. Oder: Vor kurzem waren mein Mann und ich in Paris, und ich konnte nicht an einem Glas Entenstopfleber vorbeigehen.

Entenstopfleber ist wahrscheinlich das politisch Unkorrekteste, was man essen kann.

Von mir aus. Für mich ist das etwas Besonderes, das ich mir nicht oft gönne. Und so soll es bleiben.

Interview: Ulf Lippitz, Esther Kogelboom

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