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Thailand

© laif

Iris Bahr: Stakkato der Albernheit

Anecken gehört zu den Lieblingsbeschäftigungen der New Yorker Kultautorin Iris Bahr. Jetzt tingelt sie mit ihrem Bucherfolg „Moomlatz“ um die Welt.

Die Frage ist, ob die Welt wirklich auf die Provokationen einer Frau gewartet hat, die ihren Intimbereich als „Gazastreifen“ bezeichnet, der danach lechzte, besetzt zu werden. Oder die als einen der Vorteile eines ausgedehnten Asientrips die Parasiten anpreist, die man sich dort einfängt und die ungewollte Pfunde wegfressen. Sehnsucht Asien: Die amerikanische Literaturagentin, die Iris Bahrs Geschichten von ihren fernen Abenteuern las, beantwortete die Frage mit einem unbedingten Ja – und sollte recht behalten. Nun tourt die New Yorker Autorin, Schauspielerin, und Neurophysiologin durch die Welt und wird als „weiblicher Borat“ („Spiegel“) gefeiert.

Begonnen hatte alles mit einer schmutzigen Scheidung. Aufgewachsen in der Bronx und zur Schule gegangen in einer jüdisch-orthodoxen Lehranstalt, sah sich Iris Bahr als 13-Jährige in eine andere Welt versetzt. Nach der Trennung zog ihre Mutter nach Israel und nahm die Tochter mit. Die absolvierte dort die Schule und leistete ihren Wehrdienst ab, ehe sie nach Asien hinauszog, um sich, so schreibt sie in ihrem Buch, entjungfern zu lassen. Das, erfährt der Leser, klappt nicht so ganz, dafür nimmt die Autorin ihn mit auf eine lange Reise durch Thailand, Vietnam und Nepal, durch die verschrobene Welt der Alt- und Neohippies und der Rucksackreisenden.

Dabei spart Bahr nicht an Sex-Details, alles unterlegt mit einer gehörigen Portion Witz. In den USA erschien das Buch mit dem Titel „Dork Whore“, was ungefähr so viel heißt wie „besessene Hure“. In Deutschland entschied sich der Verlag lieber für das etwas unschuldigere „Moomlatz“. Das ist hebräisch und heißt so viel wie „empfohlen“.

Wenn sie in Deutschland auftritt, wie kürzlich in der „Bar jeder Vernunft“ in Berlin, dann übersetzt die Schauspielerin Nora Tschirner Bahrs amerikanisches Stakkato aus Fäkalien, Sex und Albernheiten. Das sind die Zutaten, die ganz offensichtlich ihren Erfolg ausmachen. Tingelt sie nicht auf Lesereise durch Europa, steht sie in New York auf der Bühne oder in Los Angeles vor der Kamera.

In ihrem Theaterstück „Dai“ (Genug) spielt sie gleich elf Charaktere, etwa einen schwulen deutschen Möbeldesigner oder einen Kibbuznik, der verzweifelt ist, weil sein Sohn nicht in die Armee will. Sie alle treffen sich in einem Café in Tel Aviv, das am Ende von einem Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt wird. Es sei ein Stück wie russisches Roulette, lobte die „New York Times“, man wisse, dass die Katastrophe komme, aber man wisse nicht, wann. Auf jeden Fall aber sei es ein Erlebnis, das einen noch Tage danach verfolge. Andere kritisieren es als Israelpropaganda und berichten von Zuschauern, die schon nach der Lektüre des Programmheftes umkehren.

Anecken gehört zweifellos zu Bahrs Lieblingsbeschäftigungen, ob nun beim Leser oder beim Zuschauer. Immerhin brachte „Dai“ ihr eine Nominierung für den „Drama Desk Award 2007“ ein. Wenn sie sich nicht auf dem Broadway die Seele aus den Leib spielt, dreht Bahr in Los Angeles, wo sie etwa in der schrägen TV-Serie „Curb Your Enthusiam“ eine tragende Rolle hat. Auch in den Dauerbrennern „Friends“ und „King of Queens“ war sie zu sehen. Auf „Youtube“ hat sie eine kleine Show, in der sie als Svetlana, eine Prostituierte aus Kiew, orthodoxe Juden mit sexuell anzüglichen Spielchen à la Borat veräppelt. Nebenbei studiert Bahr – dann wieder in New York – Neurophysiologie, weil sie, wie sie sagt, immer von der menschlichen Psychologie fasziniert gewesen sei: „Ich mag die emotionale Manifestation der Leute, ihr Verhalten, aber auch die organischen Wurzeln, welcher Teil des Hirns was tut.“ Da liegt der Verdacht nahe, dass das Projekt dasselbe Ziel hat wie ihre anderen: eine gnadenlose Reise zu sich selbst.

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