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Panorama: "Istanbul Airlines": Einmal Türkei und nicht zurück

Völlig erschöpft sitzt Süngür Saliye am Flughafen von Istanbul, in ihren Armen ihren fiebernden kleinen Sohn. "Keiner kümmert sich um uns", klagt die Frankfurterin, die nach einem Urlaubsaufenthalt in der Türkei eigentlich schon am Vortag nach Deutschland zurückfliegen wollte.

Völlig erschöpft sitzt Süngür Saliye am Flughafen von Istanbul, in ihren Armen ihren fiebernden kleinen Sohn. "Keiner kümmert sich um uns", klagt die Frankfurterin, die nach einem Urlaubsaufenthalt in der Türkei eigentlich schon am Vortag nach Deutschland zurückfliegen wollte. Die ganze Nacht hat die junge Frau mit ihrem erkrankten Kleinkind in den Wartehallen des Flughafens verbracht und noch immer weiß sie nicht, wie es weitergehen soll. Die Schalter der Fluggesellschaft Istanbul Airlines, auf die ihr Ticket ausgestellt ist, sind verwaist: Die private Fluggesellschaft hat der türkischen Luftfahrtbehörde ihren Zusammenbruch mitgeteilt und nach einem letzten Flug von Berlin nach Istanbul alle In- und Auslandsflüge gestrichen.

Noch einen ganzen Tag nach der geplanten Abflugzeit driften gestrandete Passagiere durch den Flughafen und suchen nach Personal der Istanbul Airlines oder irgendjemandem, der ihnen weiterhelfen könnte. Eine Sauerei sei das, schimpft der Deutsch-Türke Mustafa Özgür. "Die lassen uns hier einfach sitzen und sagen nichts." Zwar hatte die Fluggesellschaft am Vortag noch einen Versuch gemacht, ihre Passagiere einzusammeln und in Hotels unterzubringen. Doch nach einer dreistündigen Rundfahrt durch die Stadt und allerlei Abstempeln von Flugtickets wurden die entnervten Reisenden einfach wieder am Flughafen abgeladen. Es gebe keine freien Zimmer, hieß es zur Begründung lapidar. Seither haben sich viele Passagiere auf die eine oder andere Art absetzen können, teils zu Bekannten und Verwandten in die Stadt und teils auf eigene Kosten mit einer anderen Airline nach Deutschland. Dutzende sitzen am Freitagnachmittag aber immer noch auf ihren Koffern und blicken ratlos drein.

150 anderen Passagieren der Pleite-Gesellschaft geht es zur selben Zeit noch schlechter: Sie sitzen seit Mitternacht in einem Reisebus, der sie vom nordtürkischen Trabzon zumindest bis Istanbul bringen soll. Und sie haben bereits ein fast dreitägiges Martyrium hinter sich. Am Mittwochmorgen um 6.05 Uhr Ortszeit sind sie mit Istanbul Airlines aus Trabzon nach Frankfurt gestartet - nur um sofort wieder nach Trabzon zurückzukehren. Ein Möwenschwarm war in die Triebwerke geflogen, die davon so schwer beschädigt wurden, dass die Schubkraft drastisch abfiel. Der Pilot drehte sofort ab, setzte zur Notlandung an und bekam die Boeing 737 mit Mühe und Not wieder auf die Piste. Den ganzen Tag warteten die Passagiere auf eine Ersatzmaschine aus Istanbul, die jedoch nicht kam: Der Pilot hatte schon lange kein Gehalt mehr bekommen und weigerte sich, nach Trabzon zu starten. Auch den ganzen nächsten Tag wurden die Passagiere immer wieder vertröstet - bis am Donnerstagabend statt des versprochenen Flugzeuges die Nachricht vom Zusammenbruch der Fluggesellschaft kam.

Am Schalter der Istanbul Airlines brach daraufhin der Teufel los. Tobende Passagiere stürmten das Büro und legten sich mit der Bodenstewardess an. "Vor zwei Wochen habt ihr mich hierhergeflogen, jetzt lasst ihr mich hier sitzen", schrie eine Frau. "Wie konntet ihr mir denn ein Ticket verkaufen?" Sie wisse auch nicht mehr, schrie die belagerte Angestellte in die Menge hinein. Schließlich griff die Flughafenpolizei ein; auch der Vize-Polizeipräsident von Trabzon tauchte am Flughafen auf, um Verhandlungen einzuleiten. Der Provinzgouverneur erklärte sich schließlich bereit, die gestrandeten Passagiere per Reisebus nach Istanbul zu schicken. Die Kosten übernehme die Provinz, "um Schaden vom Ansehen der Stadt und des Landes abzuwenden". Doch der Weg von Trabzon nach Istanbul ist über tausend Kilometer weit; der Bus hatte die Metropole am Bosporus am frühen Abend noch nicht erreicht.

Wie es dort weitergehen sollte, war unklar. Für die Bundesbürger unter den Reisenden bemühte sich das deutsche Generalkonsulat in Istanbul am Nachmittag noch um eine Lösung. Die Schalter von Istanbul Airlines blieben aber fest geschlossen.

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