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Die Hagia Sophia in Istanbul wird als Museum genutzt.

© dpa

Istanbul: US-Christen wollen Hagia Sophia als Kirche nutzen

Nach dem Wirbel um die Koran-Verbrennung sorgen christliche Fundamentalisten aus den USA erneut für Spannungen zwischen Christen und Muslimen. Sie wollen in der Istanbuler Hagia Sophia eine Messe feiern - doch das ist nicht erlaubt.

Eine Gruppe griechisch-orthodoxer Hardliner hat angekündigt, in der 1500 Jahre alten Hagia Sophia in Istanbul an diesem Freitag einen Gottesdienst zelebrieren zu wollen – trotz eines seit langem geltenden Verbots, das für christliche und islamische Gebete gleichermaßen gilt. Die türkische Regierung erklärte, sie werde das Vorhaben zu verhindern wissen. Denn Ankara befürchtet, die Aktion der Fundis könnte anti-christliche Proteste auslösen.

Die Hagia Sophia ist mehr als nur ein uralter Bau, der zuerst eine Kirche und dann eine Moschee war und seit den 1930er Jahren ein Museum ist. Immer wieder erheben religiöse Gruppen im Namen von Christen oder Muslimen Anspruch auf das Gebäude, obwohl Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk mit der Umwandlung in ein Museum und dem damit verbundenen Gottesdienst-Verbot genau das verhindern wollte. Erst vor wenigen Wochen hatte eine kleine rechtsnationale Partei beantragt, in der Hagia Sophia ein muslimisches Gebet zum Ende des Fastenmonats Ramadan veranstalten zu dürfen. Die Regierung lehnte ab.

Jetzt kommen die Christen aus den USA, und sie halten sich gar nicht erst mit Anträgen auf: Man habe Ankara von der geplanten ersten Messe in der Hagia Sophia seit 557 Jahren lediglich „informiert“, hieß es. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sei übrigens ebenfalls herzlich eingeladen, wenn er kommen wolle. Mit rund 200 Mitgliedern will die von Chris Spirou, einem ehemaligen Politiker der US-Demokraten, angeführte Gruppe „International Congregation of Agia Sophia“ Istanbul anrücken. Den für Besucher der Hagia Sophia fälligen Eintritt wollen Spirou und seine Leute nicht bezahlen – aus ihrer Sicht ist die Hagia Sophia schließlich kein Museum, sondern eine Kirche.

Kirchenspitze distanziert sich

Anderswo würde eine Organisation wie Spirous „Congregation“ als eine Gruppe Spinner abgetan, doch an einem Ort wie Istanbul könnte der Plan eine ernsthafte Eskalation nach sich ziehen. Das griechisch-orthodoxe Patriarchat in Istanbul, das spirituelle Zentrum der Welt-Orthodoxie, distanzierte sich deshalb sofort von Spirous Aktion. Aus Sicht türkischer Nationalisten steht hinter der Forderung nach einer erneuten Nutzung der Hagia Sophia als Kirche der Versuch, die osmanische Eroberung von Istanbul im Jahr 1453 rückgängig zu machen.

Ganz unbegründet ist dieser Verdacht wohl nicht, wie die „International Congregation of Agia Sophia“ selbst andeutete. Die Fundamentalisten wollen sich auch mehr als 500 Jahre nach der Einnahme des ehemaligen Konstantinopel durch die Osmanen nicht damit abfinden, dass die damalige Hauptkirche der orthodoxen Christenheit kein christliches Gotteshaus mehr ist. „Gewaltsam und illegal“ hätten sich die Osmanen bei der Eroberung von Istanbul die Hagia Sophia unter den Nagel gerissen, sagt die „Congregation“. Die Gruppe forderte Erdogan allen Ernstes auf, die Hagia Sophia „in ihren ursprünglichen Zustand einer christlichen Kirche zurück zu versetzen“. Das wird Erdogan ebenso wenig tun wie das Gotteshaus wieder zur Moschee zu machen.

Showdown vor der Hagia Sophia?

Kulturminister Ertugrul Günay, der für Museen wie die Hagia Sophia zuständig ist, sagte dem türkischen Nachrichtensender NTV, der Staat werde einschreiten, wenn jemand versuchen sollte, Ruhe und Ordnung zu stören. Das türkische Außenamt rief unterdessen die US-Behörden auf, sich einzuschalten. Auch zwischen Ankara und Athen liefen die Drähte heiß, berichteten türkische Zeitungen. Spirou und seine Gruppe hielten sich am Donnerstag in Griechenland auf und wollten am Freitag auf dem Landweg in die Türkei einreisen.

Wirksame rechtliche Handhaben, um die „Congregation“ an der Fahrt nach Istanbul zu hindern, haben aber weder Türken, noch Amerikaner oder Griechen. So könnte es am Freitagmittag zum Showdown vor der Hagia Sophia kommen. Das letzte Mal, als religiöse Eiferer auf Biegen und Brechen eine religiöse Zeremonie in dem altehrwürdigen Bau durchsetzen wollten, rückte die Polizei an: Kurz vor dem Besuch von Papst Benedikt XVI in der Türkei im Herbst 2006 ließen sich Nationalisten unter der Kuppel der Hagia Sophia mit dem Ruf „Allah u akbar“ zu einem islamischen Gebet nieder – und wurden festgenommen.

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