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Licio Gelli, aufgenommen 1996. Vier Monate nach seiner Flucht ist der skandalumwitterte frühere Chef der italienischen Geheimloge P2, Licio Gelli, ist tot.

© dpa

Italien: Licio Gelli, der Kopf aller Verschwörer, ist tot

Licio Gelli war der Schlimmste. Jetzt ist der legendäre Kopf der Loge "P2" gestorben. Jahrelang zog der die Fäden in Italiens Politik.

Er war der dunkelste aller italienischen Dunkelmänner, der verschlagenste, der mächtigste. Mit 96 Jahren ist Licio Gelli gestorben, aber sein Geheimarchiv – wenn es denn je ans Licht kommt – wird noch für viel Unruhe sorgen. Gelli, der sich im Freimaurerjargon als „Verehrungswürdiger Meister“ anreden ließ, führte bis in die achtziger Jahre hinein die Loge „Propaganda 2“. Sie war ein Staat im Staate; sie stellte laut parlamentarischer Untersuchungskommission ein „beständiges Komplott“ dar, bei welchem Gelli in Politik, in Wirtschaft, in Militär und Journalismus die Fäden zog nach Belieben.

An die 1000 Abgeordnete, Geheimdienst- und Armeegeneräle, Richter, Unternehmer – darunter ein gewisser Silvio B. – standen auf der Mitgliederliste der „P2“. In den bleiernen Zeiten des linken und des rechten Terrors schürten Gelli und seine Mannen systematisch die Unruhe, etwa durch Beteiligung an einem Operetten-Staatsstreich, dem „Golpe Borghese“ 1970.

Rechter Bombenanschlag

Nach dem offenbar rechten Bombenanschlag auf den Hauptbahnhof von Bologna (August 1980, 85 Tote), führte der Maestro mit verbündeten Geheimdienst-  und Carabinieri-Offizieren die Ermittler in die Irre, indem er einen Koffer mit Waffen, Sprengstoff und falschen Dokumenten füllen und „zufällig“ auffinden ließ.

Auch im kriminellen Finanzklüngel mischte Gelli hinter den Kulissen an vorderster Stelle mit: Der betrügerische Bankier Michele Sindona, 1986 in Gefängnis an vergiftetem Espresso gestorben, war Logenmitglied, genauso wie sein Kollege Roberto Calvi, der 1982 tot an einer Londoner Brücke hing, „geselbstmordet“, wie man damals sagte; auch heute ist man in der Aufklärung nicht viel weiter. Vielfach in die Machenschaften verstrickt war auch die Vatikanbank IOR. Und Querverbindungen hielt der “Maestro Venerabile” natürlich auch zum Allzeit-Fuchs der italienischen Machtpolitik, zum Christdemokraten Giulio Andreotti.

„Plan für eine demokratische Wiedergeburt“ hieß das Manifest der „P2“. Es umfasste politischen „law and order“ und ökonomischen Liberalismus. Gelli selbst, immer undurchsichtig, war im Zweiten Weltkrieg als Doppelagent unterwegs gewesen: für die Faschisten ebenso wie für die Widerständler. Er genoss es, Leute dirigieren und erpressen zu können; seine Macht war der geheimnisvolle Nebel, in dem er sich verbarg. Noch 2008 sagte er: „Wir hatten Italien in der Hand.“ Zuletzt saß Gelli eine zwölfjährige Haftstrafe ab, zuhause allerdings, in seiner toskanischen Villa. „Jeden Tag rede ich mit meinem Gewissen“, versicherte er: „Dessen Stimme beruhigt mich.“

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