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Fußballfans Mailand

© AFP

Italienischer Fußball: Ausschreitungen in Rom nach tödlichen Schüssen

Nach den tödlichen Schüssen der italienischen Polizei auf einen 28-jährigen Fußballfan ist es am Abend zu schweren Ausschreitungen in Rom gekommen. Bis zu 200 vermummte und mit Schlagstöcken bewaffnete römische Fußballfans griffen zwei Polizeistationen an.

Die Randalierer setzten einen Bus sowie mehrere Fahrzeuge in Brand. Kurz darauf drangen sie in den benachbarten Sitz des Nationalen Olympischen Komitees Coni ein, zerschlugen einen Teil des Mobiliars und ließen einen starken Knallkörper explodieren. Die Polizei ging mit Tränengas gegen die Randalierer vor. Zuvor hatten sich bereits mehrere hundert Fans Straßenschlachten mit Sicherheitskräften rund um das Stadion geliefert, wo zuvor die Partie AS Rom gegen US Cagliari abgesagt worden war. Mindestens zehn Polizisten wurden verletzt. Auch in anderen italienischen Städten kam es zu Ausschreitungen.

Der Anlass:  Bei Auseinandersetzungen zwischen Fans von Lazio Rom und Juventus Turin auf einer Autobahnraststätte bei Arezzo in der Toskana hatte ein Polizist am Sonntag offenbar beim Versuch, die Fans auseinanderzutreiben, versehentlich den römischen Fan Gabriele Sandri erschossen. "Es war ein tragischer Fehler", sagte der tief betroffene Polizeichef von Arezzo, Vincenzo Giacobbe, der "La Gazzetta dello Sport". Ministerpräsident Romano Prodi äußerte sich "höchst besorgt" über die tragischen Ereignisse, Oppositionsführer Silvio Berlusconi sprach von einem "schrecklichen Tag".

Der italienische Fußballverband sagte das Spitzenspiel von Meister Inter gegen Lazio ab. Die Partie zwischen Atalanta Bergamo und dem AC Mailand musste nach nur sieben Minuten wegen Fan-Randale genauso abgebrochen werden wie die Drittligapartie in Taranto. Die übrigen Nachmittagsspiele wurden mit zehnminütiger Verspätung angepfiffen, Spieler und Schiedsrichter liefen mit Trauerflor auf. "Mörder, Mörder", skandierten die Fans. Aus Angst vor weiterer Randale sagte Roms Polizeichef die für den Abend vorgesehene Partie AS Rom gegen US Cagliari ab. In mehreren Wellen griffen teilweise vermummte Hooligans daraufhin Polizeikräfte außerhalb des Stadio Olimpico an. Sie bewarfen die Einsatzkräfte unter anderem mit Flaschen und mit Eisenstücken. Motorräder und ein Auto wurden beschädigt. Die Polizei versuchte, die Gruppe der Randalierer aufzulösen.

Problem mit gewaltbereiten Fans

Der 26-jährige Römer ist bereits der zweite Tote, den der italienischen Fußball in diesem Jahr zu beklagen hat. Bei schweren Fan-Ausschreitungen war am 2. Februar ein Polizist in Catania von Randalierern erschlagen worden. Daraufhin hatte die Regierung die Gesetze gegen Gewalt rund um den Fußball drastisch verschärft, das Problem jedoch nicht in den Griff bekommen. Justizminister Clemente Mastella forderte deshalb "noch härtere Maßnahmen" gegen gewaltbereite Fußballfans, Innenminister Giuliano Amato versprach eine "schnelle Aufklärung des tragischen Fehlers".

Die Nachricht vom Tod des Lazio-Fans hatte sich wie ein Lauffeuer unter den Tifosi aller Clubs verbreitet und drohte, das Pulverfass explodieren zu lassen. Italienischen Medien zufolge war es auf dem Autobahnrastplatz von Badia al Pino zu einer kleineren Rangelei zwischen Lazio-Anhängern und Fans von Juventus Turin gekommen, die auf dem Weg zum "Juve"-Auswärtsspiel beim AC Parma waren. Eine Polizeistreife griff ein, dabei fielen zwei Schüsse. Scharfmacher unter den Fans sprachen von mindestens einem gezielten Schuss. Nach der bisherigen Darstellung der Polizei soll der Polizist lediglich einen Warnschuss in die Luft abgegeben haben. Das Projektil soll dann den in einem Auto sitzenden Fan im Hals getroffen haben. Die Kugel ist angeblich durch ein hinteres Seitenfenster eingedrungen.

Während die Ermittlungen auf dem teilweise abgesperrten Rastplatz noch andauerten und der Polizeichef die Verantwortung seines Beamten noch gar nicht eingestanden hatte, war der Fall für die Lazio-Fans schon klar: "Die Polizei hat ihn getötet." Nachdem sich die aufgebrachten Inter-Fans mit den Lazio-Anhängern verbrüderten, drohte die Lage in Mailand zu eskalieren. Rund 400 Tifosi zogen durch die Straßen und bewarfen eine Polizeidienststelle mit Steinen. Auch in Bergamo war es schon vor der später abgebrochenen Partie zu Angriffen auf die Polizei gekommen. Zwei Beamte wurden verletzt, die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein. Auch auf den Internetseiten der Fan-Clubs entlud sich die Wut in Hass-Tiraden gegen die Polizei.

Spiele gerieten in den Hintergrund

"Für den Polizisten habt ihr die Liga gestoppt, aber ein Fan ist euch nichts wert", riefen die aufgebrachten Fans in Mailand und forderten die Absage aller Partien des 12. Spieltags. Eine Forderung, die auch zahlreiche Politiker in Rom vertraten. "Es ist unverständlich, dass der Fußball weiter rollt", klagte Grünen-Fraktionschef Angelo Bonelli. "Es war richtig, die übrigen Partien anzupfeifen", verteidigte dagegen FIFC-Präsident Giancarlo Abete die höchst umstrittene Entscheidung. Die Polizeigewerkschaft forderte am Sonntag bis auf weiteres "den Stopp aller Spiele". In Rom zogen einige hundert Lazio-Fans in Erinnerung an den Toten bei einem Fackelzug durch die Stadt.

Der Ausgang der Spiele wurde von den Ausschreitungen völlig in der Hintergrund gedrängt. Rekordmeister Juventus Turin verbesserte sich durch ein 2:2 in Parma hinter Inter (25 Punkte) und dem AC Florenz (23) gemeinsam mit dem AS Rom und Udinese Calcio auf Platz drei. Udine siegte in Florenz mit 2:1. (mit AFP)

Bernhard Krieger, Hanns-Jochen Kaffsack[dpa]

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