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Panorama: Jetzt wird’s ernst

Die Schutzgemeinschaft Münchner Weißwurst ruft die EU

Wann ist eine Münchner Weißwurst eine Münchner Weißwurst? Wenn sie zum Beispiel aus Memmingen stammt oder, Himmel hilf, gar aus Neu-Ulm oder Augsburg und würde hergestellt als freie Variation nach Münchner Rezept – dürfte man sie dann noch eine Münchner Weißwurst nennen? Aber immer, sagen Memminger, Neu-Ulmer und Augsburger. Aber nimmer lang, antworten die Münchner.

Sie haben vor einem Jahr die Schutzgemeinschaft für die Münchner Weißwurst gegründet, deren Sache dann aber nicht so recht vorwärts gegangen ist. Deswegen hat jetzt ein prominentes Trio von der Spitze der Bewegung die Causa noch einmal richtig publik gemacht in der Stadt. Angetan mit einer Schürze, die aufs Schönste die Türme der Frauenkirche abbildete, posierten die Herren Brandl (Chef der Fleischerkette Vinzenz Murr), Ude (Oberbürgermeister) und Wildmoser (Gastronom und Löwen-Präsident) im Franziskaner beim Abdrehen der nämlichen Wurst. Dass die Aktion keinesfalls zu verwechseln sei mit einem Spaßevent, machten die ernsten Mienen deutlich.

Christian Ude hatte zwecks Demonstrationsteilnahme sogar die Referentenrunde ausfallen lassen, was bei diesem des Hallodri unverdächtigen obersten Stadtbeamten einiges heißen will.

Es geht, nebenbei gesagt, in München zurzeit so einiges drunter und drüber, denn mit dem Geld schaut’s – wie auch anderswo – ziemlich schlecht aus, und das führt dann eben dazu, dass zum Beispiel die Stadtbahnen manchmal fahren, wann sie wollen. Also nicht. Oder jedenfalls nicht nach Plan. Aber ernst, richtig ernst, wird es hierzulande erst, wenn es um die Wurst geht. Notabene die Weißwurst.

Historisch ist es um sie so bestellt, dass die Wurst zwar an einem Sonntag das Licht der Welt erblickte, aber sozusagen aus Verlegenheit, um nicht zu sagen völlig ungewollt: Im Fasching des Jahres 1857 gebrach es dem Moser Sepp, Wirt der Gaststätte „Zum ewigen Licht“, an Schafssaitlingen.

Das Brät für die Kalbsbratwürste wanderte also in dicke Schweinedärme, die nun im Zuge des Experiments in heißem Wasser gebrüht, aber nicht gekocht wurden. Da sich das zu verköstigende Volk dankbar zeigte, ja anhaltend begeistert war, verfeinerte man die Rezeptur geringfügig und behielt sie hernach bei. Die Weißwurst wurde, aller preußischen und sonstigen Unkenruferei zum Trotz – Wolfram Siebeck beschimpfte sie einmal gar als „nichtsnutzigen Pimmel“ – ein kulinarischer Coup. Vielleicht auch deswegen, weil bis heute die wenigsten Menschen wissen, was da alles so drin ist in der Wurst, nämlich reichlich Kalbskopf und Schweineschwarten, Petersilie und ein Viertel „Fremdwasser“, wie das behördlicherseits heißt. Was die Münchner Weißwurst angeht, hat das alles seine Ordnung, wird dauernd kontrolliert und ist für jene, die es bis auf den letzten Zitronenspritzer interessiert, auch im Amtsblatt der Landeshauptstadt nachzulesen.

Andernorts schaut’s schlimmer aus, weil die eine oder andere Großmetzgerei das Kalbsfleisch gerne durch billiges Schwein ersetzt und überhaupt einen respektlosen Handel mit der heiligen Münchner Weißwurst treibt. Sogar in Dosen werden Weißwürste abgefüllt, und deswegen wehrt sich jetzt die Schutzgemeinschaft und möchte analog zur Nürnberger Bratwurst, die mittlerweile auch geschützt ist, bei der EU die Münchner Weißwurst als Marke registrieren lassen, mit der dann kein Schindluder mehr getrieben werden darf.

„Des kamma gar net beschreib’n “, sagt Karl-Heinz Wildmoser, was ihm in fremden Bundesligastadien als Gast und aus Höflichkeit oft aufgetischt werde und sich Weißwurst schimpfe, „und essen scho gar net“. Ganz koscher ist die Sache gerade in seinem Fall freilich nicht, weil Wildmoser nur allzu gerne, ja, geradezu massenhaft an Marlboro Lights zuzelt, was, wie man weiß, nicht ohne Einfluss auf die Geschmacksnerven bleibt. Grundsätlich jedoch ist die Schutzgemeinschaft vorerst wieder gut beieinander, und das muss sie auch sein, denn ausgerechnet der Fleischerverband Bayern hegt in Sachen Weißwurst andere Begehrlichkeiten. Er setzte gerne durch, dass jeder Metzger selber bestimmt, was ihm der Inhalt seiner Weißwurst bedeutet.

Münchner Weißwurst also und Weißwurst Münchner Art? Der Schutzgemeinschaft kann jetzt nur noch die EU helfen.

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