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Panorama: Junge mit Eigenschaften

Der Sänger Justin Timberlake hat es an die Spitze gebracht – mit musikalischem Können und mit etwas Naivität

Auf der Straße würde kein Mensch Notiz nehmen von dem jungen Mann, den die Musikwelt den neuen „King of Pop“ nennt. Mit seinen ziellos schlotternden Armen, den weiten HipHop-Klamotten und den Turnschuhen in Goofy-Größe ginge Justin Timberlake auch locker als Elftklässler durch. Und die Theorie vom Sexsymbol, zu dem die Boulevardpresse den blonden Schlaks ernannte, klingt wie ein schlechter Scherz: Zu lieb und unbeleckt sieht sein Gesicht aus, als scheint es zu sagen: Ich verspreche Dir alles, bloß keine Abenteuer. Möchtest Du stattdessen mal meine Spielzeugsammlung sehen? Kein Hauch von der Exzentrik seines Vorbilds Michael Jackson, der sich auf dem Höhepunkt seines Größenwahns einst als König der Popmusik bezeichnen ließ.

Robbie Williams wollte Cameron Diaz

Auf den ersten Blick ist es ein Rätsel, wie Justin Timberlake, der Mann ohne Image, zu solchen Höhen aufsteigen konnte. Wenn er am 25. November in Berlin Station macht, eilt ihm der Ruf eines beispiellosen Erfolgskünstlers voraus: Sein Debütalbum „Justified“ ist auch ein Jahr nach Veröffentlichung noch ein Verkaufsschlager, und Songs wie „Like I Love you“, die europäischen Gitarrenpop mit traumhaft schicken Dancebeats paaren, definieren den Sound der Stunde. Seine Show, für die er eine 14-köpfige Begleitband und Tänzer engagiert hat, gilt als Konzertsensation des Jahres.

Wie hat Timberlake das geschafft? Achselzuckend teilt er sich ebenso ratlos wie desinteressiert mit: Gute Songs, der Mut zum Risiko und ein Schuss Naivität seien das Geheimnis, verkündet er immer wieder.

Keine Frage: Als Tänzer ist er eher Durchschnitt, sein Falsettgesang mehr sportiv als sexy, und für seine Versuche, als „Human Beat Box“ Raprhythmen nachzuahmen, gäbe es auf jedem Schulhof Keile. Auf Timberlakes Habenseite steht deshalb vor allem sein unbedingter Optimismus: Als Mitglied der Boygroup ’N Sync hatte er bereits Ende der Neunziger großen Erfolg, und schon damals nutzte er die ihm zugedachte Rolle des – noch – lockenköpfigen Frechdachses, um auch außerhalb der Band für Schlagzeilen zu sorgen.

Seine Romanze mit Britney Spears ging später als die größte Seifenoper in die Teenpop-Geschichte ein. Das brachte ihn für kurze Zeit durcheinander. Zweifelhafte Höhepunkte waren Spears’ öffentliches Outing Timberlakes als Räuber ihrer Jungfräulichkeit oder etwa seine Wut, weil sie zu viel Zeit in Schönheitssalons verbringt. Timberlake damals: „Fünf Stunden. Unglaublich. Musste daraufhin erst mal ins Studio und einen Song schreiben.“

Am Ende jedenfalls war er stets der Dumme. Und galt noch nicht mal mehr als Justin Timberlake, sondern nur noch als der Freund von Britney Spears, mit dem sie alles machen kann.

Die Erfolgreiche servierte ihn denn auch ab. Den Glauben an die eigenen Fähigkeiten aber hatte er nicht aufgegeben. Mittlerweile haben sich die Verhältnisse umgedreht: Timberlake macht erfolgreich Musik für ein erwachseneres Publikum, und Britney trauert ihrem Ex, wie in einem vorgestern ausgestrahlten Fernsehinterview, weinend hinterher.

Keiner kann erklären, wie es Timberlake gelungen ist, für „Justified“ trotz der Vorgeschichte mit den biederen ’N Sync die Topriege von Produzenten um sich zu scharen und ein eigenständiges musikalisches Profil zu entwickeln. Songs wie die Trennungsballade „Cry me a River“ und das futuristische „Rock your Body“ sind brillant. Die afro-amerikanische Szene akzeptiert ihn ebenso wie die weiße Mittelschicht, die noch seine Zielgruppe zu Teenpop-Zeiten war. Feinde im Musikgeschäft hat er keine, und für seine mehr fan- als profihafte Art, Michael Jackson in Tanz und Stimme zu imitieren, erntet er eher Bewunderung als Spott. Er macht einfach alles richtig, und jeden Tag gewinnt er neue Fans dazu.

Timberlake glaubt, gerade sein Normalo-Appeal sei ausschlaggebend für den Erfolg. „Die Leute wollen gute Songs hören, keine Skandale“, sagte er in einem Interview. „Ich bleibe mir treu, mag meine Familie, meine Freunde. Ich sammle Turnschuhe und Teddybären, ich bin ein Kinofreak. Mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen.“

Kaum zu glauben, dass sich der 22-jährige Bubikopf mit der zehn Jahre älteren Cameron Diaz eine der begehrtesten Frauen Hollywoods geangelt hat. Dazu passt die Anekdote, dass Diaz’ größter Verehrer ausgerechnet der coolere Brite Robbie Williams war, der mit Timberlake um die Vorherrschaft in der Popmusik buhlt. „Cameron Diaz, gib mir ein Zeichen“, sang Williams einst und bat die Schauspielerin um ein Date. Keine Chance. Nächstes Jahr will sie Justin heiraten.

Sassan Niasseri

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