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Siegburg

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JVA Siegburg: Folter-Pause nur zur "Sportschau"

Der spektakuläre Prozess um den Foltermord in der JVA Siegburg ist mit langjährigen Haftstrafen für die Täter zu Ende gegangen. Am letzten Verhandlungstag schilderte der Richter das grauenvolle Martyrium des ermordeten Häftlings Hermann H. noch einmal im Detail.

Die drei jungen Häftlinge auf der Anklagebank nahmen die Urteilsbegründung ohne erkennbare Gefühlsregung auf - dabei hätten zwei von ihnen durchaus mit härteren Strafen rechnen müssen. Im Prozess um den Foltermord im Gefängnis von Siegburg erkannte das Landgericht Bonn nur beim 18-jährigen Danny K. auf die Höchststrafe von zehn Jahren nach Jugendstrafrecht. Pascal I. (20) und Ralf A. (21) kamen dagegen mit 15 und 14 Jahren davon, obwohl ihnen nach dem Erwachsenenstrafrecht lebenslänglich drohte. Doch trotz "erheblicher Bedenken" zumindest bei I. sah das Gericht von der Höchststrafe ab, weil eine Wiedereingliederung beider Täter "möglich" sei.

Für die Angehörigen des ermordeten Häftlings Hermann H. wurde der letzte Verhandlungstag in dem spektakulären Prozess noch einmal zur Tortur. Detailliert schilderte der Vorsitzende Richter Volker Kunkel die brutale Bluttat an dem 20-jährigen Häftling in der Gemeinschaftszelle - ein stundenlanges Martyrium, das selbst hartgesottenen Ermittlern die Sprache verschlagen hatte. Irgendwann gegen Mittag am 11. November 2006 fassten die drei geständigen Zellengenossen demnach den Vorsatz, ihren als Außenseiter geltenden Mithäftling H. zu misshandeln. Sie wickelten Seifenstücke in Tücher ein und schlugen damit auf H. ein. Das Opfer erlitt erste schwere Verletzungen.

Salz und Chilipulver

In den folgenden Stunden hätten sich die drei Häftlinge "gegenseitig aufgestachelt", sagte Kunkel. Einer von ihnen verfiel auf die Idee, H. zum Erbrechen zu bringen. Der 20-Jährige musste mit Salz und Chilipulver versetztes Wasser trinken und Zahnpasta essen. Anschließend zwangen die Täter ihr Opfer, das Erbrochene zu essen. Nach eigenem Geständnis demütigten die drei jungen Männer den 20-Jährigen sexuell, zwei der Verurteilten vergewaltigten den jungen Mann.

Dem Richter zufolge gelang es H. zwar später, den Alarmknopf in der Zelle zu betätigen. Die Vollzugsbeamten gaben sich aber mit der Auskunft zufrieden, der Alarm sei ein "Irrtum" gewesen. "Zur Strafe" wurde H. von seinen Zellengenossen geschlagen und getreten - ehe sie am späten Nachmittag vorübergehend von ihrem Opfer abließen und im Fernsehen die "Sportschau" ansahen. Danach erstellten die Täter eine Liste mit den Vor- und Nachteilen eines Mordes an H. - als "Vorteil" notierten sie der Strafkammer zufolge: "Tote können nichts mehr erzählen." Schließlich einigten sich die Zellengenossen auf den Tod des 20-Jährigen, der auf dem Bett liegend Zeuge seines Todesurteils wurde.

Gepolter in der Todeszelle

Die geständigen Mithäftlinge wollten den Mord als Selbstmord tarnen, zeigten sich die Bonner Richter überzeugt. Um später die Verletzungen von H. erklären zu können, zwangen sie demnach den 20-Jährigen, aus dem Gefängnisfenster heraus ausländische Mitgefangene zu beschimpfen. Auf deren Aufforderung starteten die Verurteilten anschließend eine erneute "Bestrafungsaktion" - wieder wurde H. verprügelt. Zwar beschwerten sich Zellennachbarn über das Gepolter in der späteren Todeszelle - doch erneut konnten die Täter Nachforschungen des Justizpersonals verhindern. Sie hätten die Zelle aufgeräumt und dabei Möbel verschoben, gaben sie an.

In den Abendstunden zwangen die Zellengenossen ihr Opfer schließlich, sich selber an der Toilettentür in der Zelle aufzuhängen. Nachdem fünf Versuche mit verschiedenen Kabeln scheiterten, legten sie dem Mithäftling schließlich eine Schlinge aus Bettlaken um den Hals. Dem Gericht zufolge war H. längst "benommen und willenlos", als er sich auf einen Eimer stellte und diesen anschließend auf Befehl der Täter wegtrat. Vor seinem Tod hatte der 20-Jährige laut Urteil seinen Peinigern auf die Frage geantwortet, ob er sterben wolle: "Wenn ihr mich dann in Ruhe lasst."

Neben den drei Tätern hatte die Staatsanwaltschaft seinerzeit auch gegen Leitung und Bedienstete des Gefängnisses Ermittlungsverfahren eingeleitet - sie wurden aber eingestellt, weil sich der Behörde zufolge keine Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten ergaben. (mit AFP)

Richard Heister

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