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Panorama: Kampf gegen Prostitution: In Italien werden jetzt Freier verhaftet

Das war eine böse Überraschung für sieben Kunden einiger Prostituierten im mittelitalienischen Perugia. Gerade als sie begonnen hatten, sich zu vergnügen, klopften Polizisten an ihre Fensterscheiben.

Das war eine böse Überraschung für sieben Kunden einiger Prostituierten im mittelitalienischen Perugia. Gerade als sie begonnen hatten, sich zu vergnügen, klopften Polizisten an ihre Fensterscheiben. Aber nicht die Damen, wie sie zuerst glaubten, sondern sie selbst waren es, die nun auf die Wache eskortiert wurden. Sie haben nun eine Anzeige wegen "vorsätzlicher Förderung der Prostitution" am Hals. Strafandrohung: Umgerechnet 20 000 Mark und Haft zwischen zwei und sechs Jahren.

Das Ganze stellt wieder einmal eine Wende im mitunter skurril anmutenden Kampf gegen die Prostitution dar. Vor fünfzig Jahren wurden die offiziellen Bordelle mit dem "Merlin"-Gesetz verboten, die Frauen damit auf die Straße gejagt (Seither heißen sie, nach dem als "Standortmarkierung" angezündeten kleinen Feuer am Straßenrand, "lucciole", Glühwürmchen). Da sich danach das Zuhälterwesen und der Frauenhandel heftig ausbreiteten, diskutierte die Nation faktisch seit dem Verbot, ob es nicht doch besser sei, zur Zeit vor dem "Merlin"-Gesetz zurückzukehren - aber eine Einigung der Volksvertreter ist nicht in Sicht.

Inzwischen dehnt sich die Straßenprostitution nicht nur in den Städten, sondern auch auf Landstraßen und kleine Dörfer aus. Jeweils begleitet von Zuhältern, die inzwischen vornehmlich aus Albanien und Ex-Jugoslawien kommen. Und die wiederum liefern sich heftige Shoot-outs um Standplätze und die einzelnen Damen und Transsexuellen. Mittel dagegen haben die Behörden bisher nicht gefunden. So versuchen es jetzt einige Polizeichefs und Staatsanwälte mit einem Kampf nicht mehr gegen die "Anbieterseite" (so der Chef des Ordnungsamtes von Perugia), sondern gegen die "Nachfrage". Doch die dazu verwendeten Paragraphen des Gesetzes in Sachen "Förderung der Prostitution" greifen aber nach Ansicht vieler Juristen nicht. Denn: Sex an sich ist nicht strafbar. Verkauf von Sex auch nicht.

Ob eine Frau, die sich am Straßenrand anbietet, durch den Kunden "gefördert" wird, sehen Advokaten und Staatsanwälte durchaus unterschiedlich: "Wer für eine erhaltene Leistung den korrekten Preis entrichtet, fördert niemanden", wendet ein Anwalt ein, "erst wenn er mehr bezahlt, kann man von Förderung sprechen". Was korrekt ist und was zu viel, ist eine verzwickte Frage. Die Staatsanwaltschaft dagegen macht geltend: "Die Kunden können nicht so tun als wüßten sie nicht, dass die meisten dieser Frauen sich gezwungenermaßen anbieten, aus persönlicher Not oder aufgrund der Gewaltandrohung der Zuhälter." Es gilt als unsicher, ob sie damit vor Gericht durchkommen - so hoffen sie wohl eher auf den Schock-Effekt der Verhaftung.

Mailand hat das schon einmal ausprobiert - ohne Strafandrohung. Da wurden die Kunden ebenfalls eingesammelt und auf die Präfektur verbracht. Sie sollten als Zeugen aussagen dafür, dass die betreffende Frau sich prostituiert hat, ohne im Besitze einer italienischen Arbeitserlaubnis zu sein. Das taten die Freier dann auch. Doch am nächsten Tag fanden sie ihre Namen in den Polizeiberichten aller lokalen Zeitungen wieder. Und das scheint gewirkt zu haben. Nur, sagt eine Sprecherin der Prostiuierten, "der Druck auf die Frauen durch ihre Zuhälter wurde danach noch schlimmer, weil nur noch wenige Kunden kamen." Auf den Strich von Perugia, auf dem bisher nächtlich an die 600 Kunden bedient wurden, fürchten die meisten nun ähnliche Folgen.

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