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Panorama: Kanada will am Nationalpark Öl fördern

Zwei Firmen planen den Rohstoff mit der umstrittenen Frackingmethode fördern. Unesco warnt.

Tief hängen die Wolken über dem Western Brook Pond im Gros-Morne-Nationalpark in der kanadischen Provinz Neufundland-Labrador. Ein Grauschleier liegt über den steil aufragenden Felswänden, denen sich das Ausflugsboot nähert. In Anoraks gehüllt stehen Touristen an Bord des Schiffs, das sie durch den Fjord schippert. Schließlich sind die Gesteinsformationen klar zu sehen. Ein Gesicht scheint in die eine Milliarde Jahre alten Felsen gehauen zu sein – „The Tin Man“, angeblich benannt nach einer Figur aus dem Film „Der Zauberer von Oz“. Deutlich sind Nase und Augen zu erkennen.

Der 16 Kilometer lange, felsumgebene Binnensee ist eine der Attraktionen des 1805 Quadratkilometer großen Nationalparks, der 1987 zum Weltnaturerbe erklärt worden war. Fjorde und Seen, bewaldete Berge und die wüstenähnlichen kargen, Table Lands genannten Bergplateaus zeichnen den Gros-Morne-Park aus. Der Park und die weiter nördlich liegende Wikingersiedlung L’Anse aux Meadows sind auch für Europäer ein Magnet.

Nun aber wollen die kanadischen Unternehmen Shoal Point Energy und Black Spruce Exploration an der Westküste nach Öl suchen. In einer als „Green Point Shale“ bezeichneten Schieferformation, die sich über mehr als 200 Kilometer an der Küste und damit auch entlang des Parks erstreckt, wird Öl vermutet. Eine von mehreren möglichen Methoden, den Ölfluss zu fördern, kann das als „Fracking“ bezeichnete Verfahren sein. Dabei wird Schiefer durch das Einpressen von Wasser, Sand und Chemikalien aufgebrochen. Vom Festland aus sollen potenzielle Lagerstätten in Küstennähe im Meeresboden angebohrt werden.

Zwei der drei geplanten Bohrstellen liegen 50 bis 150 Kilometer von den Parkgrenzen entfernt. Beunruhigt ist die UN-Kulturorganisation Unesco vor allem über die dritte Bohrstelle. Von der kleinen Siedlung Sally’s Cove aus soll nach Öl gesucht werden. Sally’s Cove ist zwar nicht Teil des Nationalparks, aber völlig von ihm umgeben und somit eine Enklave. Demnach sollen „weniger als 500 Meter von der Nationalparkgrenze entfernt“ Bohrungen vorgenommen und diese später auf andere Gemeinden ausgedehnt werden, bedauert die Unesco.

Das für die Welterbe zuständige Welterbekomitee kommt vom 16. bis 27. Juni in Pnom Penh in Kambodscha zusammen. Ein Bericht über den Zustand der Welterbe befasst sich auch mit Gros Morne. Die Bohr- und Frackingpläne in unmittelbarer Nähe des Parks „könnten den außergewöhnlichen universellen Wert und speziell die Integrität der Naturstätte durch Umweltverschmutzung, industrielle Infrastruktur und Schocks für die geologischen Formationen beeinträchtigen“, heißt es in dem Bericht. Der „außergewöhnliche universelle Wert“ ist das maßgebliche Kriterium für die Aufnahme einer Natur- oder Kulturstätte in die Liste der Welterbe. Der Unesco-Bericht, der noch verabschiedet werden muss, empfiehlt eine eingehende Prüfung der Umweltverträglichkeit der Bohrungen, insbesondere des möglichen Einflusses des Frackings auf die Felsformationen.

„Wir haben Kontakt zur Regierung Kanadas aufgenommen und möchten wissen, wie sie das Vorhaben überwachen“, sagt Guy Debonnet, Leiter der für Nordamerika zuständigen Unesco-Abteilung. Mit der Aufnahme eines Objekts in die Liste der Welterbe verpflichte sich der Staat, diese Stätte zu schützen. Dazu gehört laut Debonnet auch, nachzuweisen, dass Entwicklungen in der Nähe eines Welterbes dieses nicht beeinträchtigen. „Fracking und jede Art von Ölexploration ist für uns von Bedeutung.“ Bis zu einer Aberkennung des Welterbestatus sei es aber ein weiter Weg. Das stehe für den Gros-Morne-Nationalpark jetzt noch nicht zur Diskussion, sagte Debonnet. Er verwies darauf, dass dies erst zweimal geschehen sei. Eine der beiden Aberkennungen betraf das Elbetal bei Dresden.

Derek Sullivan, Vizepräsident von Black Spruce, argumentiert, dass sein Unternehmen nicht im Nationalpark bohre und Sally’s Cove bereits jetzt Industrie habe. Das Vorhaben benötige Genehmigungen durch Neufundland und das kanadisch-neufundländische Offshore Petroleum Board. „Wenn wir die Bohrung nicht für die Umwelt sicher durchführen können, werden wir es nicht machen“, sagt Sullivan. „Bevor wir beginnen, benötigen wir etwa 20 Genehmigungen.“ West-Neufundland werde wirtschaftlich profitieren. Vertreter der Tourismusindustrie und Bewohner der Parkgemeinden, die von den Gros-Morne-Besuchern leben, sind anderer Meinung. Die wunderschöne Landschaft des Parks bringe auf lange Frist wirtschaftliche Vorteile, die das überträfen, was die Ölförderung für einige Jahre bringen könne, sagte Jackie Hunter, die ein Restaurant in Rocky Harbour besitzt, dem Sender CBC. Der Verlust des Welterbestatus, sagt sie, wäre für den Tourismus eine Tragödie.

Nach einer zweistündigen Fahrt durch den Western Brook Pond erreicht das Ausflugsboot die Anlegestelle. Durch ein Moor, das seit der letzten Eiszeit den Binnensee vom Meer trennt, führt ein sorgfältig angelegter, drei Kilometer langer Weg zur Küste. Schilder am Straßenrand verkünden: „Gros Morne Nationalpark“. Er wurde 1973 geschaffen, um die Schönheit der Region „für alle Zeiten“ zu bewahren.

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