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Großeinsatz im Golf von Mexiko.

© dpa

Katastrophe an der Küste: Langsam versiegt das Öl – aber die Amerikaner schäumen

Die Chancen, das Unglücksbohrloch im Golf von Mexiko zu schließen, steigt offenbar. Zumindest laut der Verursacherfirma BP. In den amerikanischen Medien aber ist die Stimmung gekippt: Die Aufregung nimmt zu.

BP gab rund 40 Stunden nach Beginn der Operation „Top Kill“ bekannt, dass kaum noch Rohöl und Gas aus den Lecks in 1500 Meter Wassertiefe strömen, die der Untergang einer Bohrplattform vor 39 Tagen hinterlassen hat. Es werde aber noch bis Sonntag dauern, ehe man Klarheit über Erfolg oder Misserfolg habe, sagte BP-Chef Tony Hayward.

Präsident Barack Obama war am Freitagmorgen an die Südküste geflogen, um sich persönlich ein Bild von der Lage zu machen und Bürger, die von der Fischerei und vom Tourismus leben, davon zu überzeugen, dass er alles tue, um die Gefahr abzuwenden. Er besuchte zunächst einen mit Ölbarrieren geschützten Strand und danach die Küstenwachenstation auf Grand Isle, Louisiana.

Die Ölpest setzt Obama stark unter Druck und hat seine Präsidentschaft an einen Scheideweg gebracht: Falls BP den Ölfluss stoppen kann, kommt er wohl glimpflich davon. Wenn nicht, wird das Öl vermutlich noch drei Monate weiter sprudeln und sein Ansehen in den Keller ziehen. So lange dauert es, den alternativen Plan von Entlastungsbohrungen zu verwirklichen. Obama kann den Gang der Dinge freilich kaum beeinflussen. Weder die Regierung noch das Militär haben die nötigen Geräte und das Wissen, um ein Bohrloch in 1500 Meter Tiefe zu verschließen. Da ist er auf BP angewiesen. Allenfalls könnte er einen anderen Ölkonzern mit der Aufgabe betrauen, doch deren Führungen haben Obamas oberstem Krisenmanager, Admiral Thad Allen, wie er sagte, versichert, dass sie genau so wie BP vorgehen würden.

In Umfragen sind etwas mehr als die Hälfte der Bürger unzufrieden mit dem Präsidenten. Ihm werden keine konkreten Fehler oder Unterlassungen vorgeworfen. Die Zahlen drücken den generellen Unmut darüber aus, dass ein Problem dieser Dimension nach fünfeinhalb Wochen noch immer nicht gelöst ist.

Zudem mehren sich die schlechten Nachrichten. Die Schätzungen über das Ausmaß der Katastrophe wurden abermals nach oben korrigiert: Demnach sind pro Tag 19 000 Barrel (etwa 3 Millionen Liter) ausgetreten. Anfangs war von 5000 Barrel die Rede, später von 8000 und schließlich 12.000 Barrel. Damit ist die Ölpest unzweifelhaft die schlimmste Umweltkatastrophe in der Geschichte der USA. Darüber hinaus werden Korruptionsfälle in der Behörde bekannt, die Bohrgenehmigungen erteilt und die Einhaltung der Auflagen überwacht. Deren Chefin Elizabeth Birnbaum trat am Donnerstag zurück. Fast täglich fördern die Untersuchungskommissionen der Regierungen und des Kongresses Details zutage, die belegen, dass BP Regeln gebrochen oder Warnhinweise missachtet hat.

Die Nervosität ist vielfach zu spüren. Obama gab am Donnerstag eine 63-minütige Pressekonferenz – die letzte davor liegt annähernd ein Jahr zurück. Er versicherte, dass er sich kümmere und die Lage im Griff habe. Seine Regierung habe das Sagen, nicht BP. Die Ölfirma führe lediglich Rettungsaktionen aus, die sie vorher von der Regierung genehmigen lassen müsse. BP sei zudem verantwortlich, für alle Schäden aufzukommen.

Doch diese Unterscheidung ist offenbar zu fein für die meisten Medien und Politiker. Die TV-Sender übertrugen Obamas Auftreten am Golf und seine Pressekonferenz auf geteilten Bildschirmen. Neben dem Präsidenten werden die Aufnahmen aus der Überwachungskamera des Bohrloches gesendet. Mehrere Moderatoren erlagen anscheinend dem Fehlschluss, solange dunkle Wolken aus den Lecks strömen, deute das auf einen Misserfolg hin. Experten erklärten später, es verhalte sich ganz anders. Aus den Farbveränderungen lasse sich schließen, dass immer weniger Öl austrete und stattdessen Schlamm umherwirbele.

Republikanische Politiker verstärkten ihre Kritik, der Präsident handele nicht entschieden genug. Mehrere Demokraten verlangten, Obama solle das Militär mit dem Krisenmanagement beauftragen. Allerdings konnten sie nicht sagen, was Soldaten konkret besser machen würden. Doch da das Militär in den USA hohes Ansehen genießt, sind solche Forderungen populär.

Bis zur vergangenen Woche hatten die meisten US-Medien überraschend unaufgeregt über die Ölpest berichtet. Nun übertrumpfen sich die Fernsehsender gegenseitig im Empörungston und im Wettlauf um Studiogäste, die vor abwegigen Vorschlägen nicht zurückscheuen. Es ist freilich unklar, wie viele Bürger diese Berichterstattung verfolgen. Amerika steht vor einem langen Wochenende. Am Montag ist Memorial Day, den viele Bürger nutzen, um die erweiterte Familie zu besuchen und der Verstorbenen zu gedenken. Dieser Tag ist traditionell ein Höhepunkt der Reisezeit.

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