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Wasser, Feuer - und Angst vor der Gefahr durch Atomkraftwerke. Erdbeben und Tsunami haben in Japan verheerende Folgen. In der Provinz Fukushima (hier im Bild) lief das Notkühlsystem eines Atomkraftwerks zwischenzeitlich nur noch auf Batterien, die nur wenige Stunden Energie spenden. Laut Experten drohte dort im allerschlimmsten Fall die Kernschmelze. Dann gaben die Behörden Entwarnung. Das Kühlsystem sollte wieder normal laufen, hieß es.

© Reuters

Katastrophe in Japan: Erdbeben, Tsunami, Brände, Atomalarm

Hunderte Menschen sind in Japan durch ein schweres Erdbeben und bis zu zehn Meter hohe Flutwellen gestorben. Nach Problemen in Kernkraftwerken wurde "Atomalarm" ausgerufen. Im gesamten Pazifikraum gelten Tsunami-Warnungen.

Eine Erdbebenkatastrophe mit unabsehbaren Ausmaßen hat am Freitag weite Teile Japans heimgesucht. Der Erdstoß der Stärke 8,9 löste einen Tsunami aus. Es wird befürchtet, dass die Flutwelle weitere Küsten im Pazifik erreicht. Eine zehn Meter hohe Flutwelle traf den Hafen der Stadt Sendai an der Ostküste, wie die japanische Nachrichtenagentur Kyodo meldete. Japanische Medien geben ständig höhere Zahlen von Todesopfern und Verletzten heraus. Zuletzt hieß es in entsprechenden Berichten, es seien Hunderte Tote zu beklagen. Allein in der von einer Flutwelle heimgesuchten Stadt Sendai im Nordosten der Hauptinsel Honshu seien 200 bis 300 Leichen an einem Strand gefunden worden, berichtete die japanische Nachrichtenagentur Jiji. Bis zu fünf Kilometer weit rollten die Flutwellen ins Innere der Insel. Tausende Häuser und Autos wurden weggespült.

Gefahr durch Atomkraftwerke  

Große Sorgen machen sich Experten wegen der japanischen Atomkraftwerke. Nach dem Erdbeben lief das Notkühlsystem des Atomkraftwerks Fukushima nur noch im Batteriebetrieb. Die Batterien lieferten nur noch Energie für wenige Stunden, erklärte die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) in Köln unter Verweis auf japanische Angaben. „Im allerschlimmsten Fall droht dann eine Kernschmelze“, sagte GRS-Sprecher Sven Dokter.

Dann war Entwarnung in Sicht: Nachdem in dem Reaktor im Norden von Tokio das Kühlwasser bereits auf einen beunruhigend niedrigen Stand abgesunken war, sei ein Lastwagen mit dem notwendigen Gerät eingetroffen, um das Problem zu beheben, berichtete die Nachrichtenagentur Jiji. Obwohl keine Radioaktivität ausgetreten sei, hätten sich Spezialisten der Armee in speziellen Schutzanzügen vor Ort begeben, um die Lage zu überprüfen.

Zuvor hatte der Gouverneur der Region nördlich von Tokio 6000 Anwohner um das Atomkraftwerk aufgefordert, das Gebiet zu verlassen. Das System des Reaktors war bei dem schweren Erdbeben der Stärke 8,9 beschädigt worden. In einer anderen Atomanlage im nordöstlichen Miyagi brach ein Feuer aus, es konnte jedoch gelöscht werden. Die Behörden versicherten indes, dass aus keiner Anlage im Land radioaktives Material ausgetreten sei. Nach Angaben der japanischen Regierung hatten sich elf Atomkraftwerke nach dem Erdbeben automatisch abgeschaltet.

Ministerpräsident Naoto Kan hatte nach dem verheerenden Erdbeben den "Atomalarm" im Land ausgerufen. Es seien jedoch keine radioaktiven Lecks in oder in der Nähe von Atomkraftwerken festgestellt worden. Der Regierungschef habe den atomaren Notfall deswegen ausgerufen, damit die Behörden leicht Notfallmaßnahmen ergreifen können, sagte Regierungssprecher Yukio Edano.

Ausmaße wie beim Tsunami 2004

Das Erdbeben in Japan hat Experten zufolge ähnliche Ausmaße wie das verheerende indonesische Beben im Dezember 2004. Es sei zwar nicht ganz so groß, aber in derselben „Preisklasse“, sagte der Seismologe Michael Weber vom Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ) am Freitag in Potsdam. Das Erdbeben in Japan hatte eine Stärke von 8,9. „Ein Beben, das in dieser Region alle paar hundert Jahre passiert“, sagte Weber.

Nach Angaben des Geologischen Dienstes Nordrhein-Westfalen gehört das Beben in Japan zu den fünf stärksten „seit Menschengedenken“. Die Auswirkungen seien bis nach Deutschland zu spüren gewesen, teilte die Behörde am Freitag in Krefeld mit. Die Seismometer-Stationen in NRW hätten die ersten Wellen etwa zwölf Minuten nach dem Beben im mehr als 9300 Kilometer entfernten Nippon „deutlich registriert“.   Der Erdstoß der Stärke 8,9 hatte Japan gegen 14.45 Uhr Ortszeit (6.45 Uhr MEZ) erschüttert. Mehrere Nachbeben bis zu einer Stärke von 7,1 seien danach gemessen worden, hieß es in der Mitteilung des Geologischen Dienstes NRW.

Brände auch in Tokio

Fernsehbilder zeigten eine gewaltige Flutwelle, die auf die Ostküste traf. Boote wurden gegen die Küste geschleudert und Autos ins Meer gespült. Die Hafenstadt Sendai liegt 130 Kilometer westlich des Epizentrums. Das Beben ereignete sich gegen 14.45 Uhr Ortszeit (06.45 Uhr MEZ).

In Tokio, 400 Kilometer südwestlich des Epizentrums gelegen, brachen an acht Stellen im Stadtzentrum Brände aus. Für zahllose Haushalte brach die Stromversorgung zusammen. Der Flughafen Narita wurde geschlossen und evakuiert. Auch die U-Bahn von Tokio wurde eingestellt, die Hochgeschwindigkeitszüge (Shinkansen) wurden gestoppt.

Der Leiter des Goethe-Instituts in Tokio, Raimund Wördemann, sagte der Nachrichtenagentur dpa etwa eine Stunde nach dem ersten Erdstoß während eines Nachbebens: „Wir müssen hier erst einmal die Ruhe bewahren.“ Es gebe im Gebäude keinen absoluten sicheren Raum. „Es gibt nur eben die Aussage, das Gebäude selbst sei besonders sicher, so dass wir hier mit Helm auf dem Kopf und teilweise unter den Tischen kauernd im Moment noch ausharren.“  In Tokio kam das Kabinett unter Leitung von Ministerpräsident Naoto Kan zu einer Krisensitzung zusammen. Das Verteidigungsministerium ordnete den Start von acht Kampfflugzeugen an; Luftaufnahmen sollen einen ersten Überblick zu den Schäden ermöglichen.

In Sendai wurde die Landebahn des Flughafens überschwemmt, wie die Flughafenbehörde mitteilte. Flüsse traten durch das einströmende Meerwasser über die Ufer. Wohngebiete wurden überflutet, wie Kyodo meldete. Auch aus anderen Orten wurden schwere Schäden gemeldet. In Chiba geriet nach einer Meldung von Kyodo eine Stahlfabrik in Brand. Über Teilen der Stadt Yokohama stiegen schwarze Rauchwolken auf. In Iwate wurden Dutzende von Autos von den Wassermassen weggerissen. In Kamaishi in der Präfektur Iwate stürzten Brücken ein. In Miyagi habe es „zahlreiche“ Verletzte gegeben, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo.

Im Tokioter Stadtteil Odaiba in der Nähe des Hafens brach Medienberichten zufolge ein Feuer aus, ebenso in einer Ölraffinerie nördlich von Tokio. Einige Atomkraftwerke schalteten sich der Nachrichtenagentur Kyodo zufolge automatisch ab. Nach dem Beben sind vier Millionen Menschen im Großraum Tokio von Stromausfall betroffen, meldet Kyodo. Der schwere Erdbeben löste auch Erdrutsche aus, die Menschen unter sich begruben. Nachbeben erschütterten weiterhin das Katastrophengebiet, hieß es in Fernsehberichten.

Das amerikanische Suchmaschinen-Unternehmen Google will Verwandten, Freunden und Hinterbliebenen von Erdbeben- und Tsunami-Opfern bei der Suche helfen. Mit einem speziellen "Person Finder" im Internet, dessen englischsprachige Version unter folgender Adresse erreichbar ist: http://japan.person-finder.appspot.com/ Aufgeteilt in die Kategorien "Ich suche jemanden" und "Ich habe Informationen über jemanden" gab es am Freitagmittag bereits Tausende Einträge.

Von der Tsunami-Katastrophe sind nach Angaben von Bundesaußenminister Guido Westerwelle nach ersten Erkenntnissen keine Deutschen unmittelbar betroffen. Dies sei allerdings nur eine vorläufige Lageeinschätzung, weil die Kommunikationsleitungen in das Katastrophengebiet sehr eingeschränkt seien, sagte der Außenminister am Freitagvormittag.

Im Nordosten Japans leben den Angaben zufolge etwa 100 Bundesbürger. Die deutsche Botschaft sei mit Nachdruck dabei, Kontakte aufzunehmen. Die deutschen Judokas um Olympiasieger Ole Bischof haben das verheerende Erdbeben in Japan unbeschadet überstanden. Alle Athleten seien wohlauf, berichtete der Deutsche Judo-Bund (DJB) am Freitag auf seiner Homepage. Die deutschen Frauen bereiten sich derzeit in der Hauptstadt Tokio auf die anstehenden Großereignisse EM und WM vor. Die Männer weilen in Tenri bei Osaka.

Auch unserem Kollegen Jan Keuchel, Japan-Korrespondent des "Handelsblatts", geht es gut. Seinen ersten Augenzeugenbericht zum Erdbeben finden Sie hier.

Tsunami-Warnungen im gesamten Pazifikraum

Die Behörden der südamerikanischen Pazifikanrainer Ecuador, Peru und Chile lösten am Freitag Tsunami-Alarm aus. In Chile, das vor fast genau einem Jahr von ähnlich schweren Erdbeben getroffen worden war, wurden in den Medien auf die Minute genaue Berechnungen für das Eintreffen der Flutwelle an der langen Küste des Landes veröffentlicht. Der Tsunami werde kurz vor Mitternacht Ortszeit (Samstag 04.00 Uhr MEZ) zuerst den Norden Chiles erreichen. Die Behörden und die Menschen wurden aufgerufen, sich auf die möglichen Folgen der Flutwelle vorzubereiten. In Ecuador und Peru dürfte die Flutwelle noch etwas früher eintreffen.

Chile war am 27. Februar 2010 von einem Jahrhundertbeben der Stärke 8,8 getroffen worden. Bei den Erdstößen und einem anschließenden Tsunami kamen mehr als 500 Menschen ums Leben. Die Schäden wurden auf etwa 22 Milliarden Euro beziffert.

Auf der zu den USA gehörenden Pazifikinsel Hawaii wurde eine Tsunami-Warnung ausgelöst, auch für Russland, die Philippinen, Taiwan und die pazifische Inselgruppe der Marianen wurde eine Tsunami-Warnung ausgegeben. Dort könnte eine von dem Erdbeben verursachte Flutwelle frühestens um 02.59 Uhr Ortszeit (13.59 Uhr MEZ) eintreffen, wie der US-Fernsehsender Khon TV in seinem Internet-Portal berichtete. Die Behörden im äußersten Osten Russlands haben derweil mehr als 10.000 Menschen wegen des drohenden Tsunamis in Sicherheit gebracht.

Auf der Inselgruppe der Südkurilen sowie auf der Insel Sachalin seien mehrere Siedlungen in Ufernähe evakuiert worden. Das teilte der russische Katastrophenschutz am Freitag nach Angaben von Agenturen mit. Schiffe kehrten schnell in die Häfen zurück, hieß es. Die Region war erst am Mittwoch von einem Erdbeben der Stärke 7,3 getroffen worden. Das Beben war allerdings glimpflich verlaufen. (Tsp/dpa/AFP/Reuters)

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