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© dpa

Katholische Kirche: Papst Benedikt XVI.: In den Blick genommen

In seiner Amtszeit als Münchner Erzbischof wurde ein pädophiler Priester in der Gemeinde eingesetzt. Joseph Ratzinger, der heutige Papst, soll davon nichts gewusst haben. Ist das möglich?

Es geht um Benedikts Zeit als Erzbischof von München. Der Vatikan hat aber jede direkte Verwicklung von Papst Benedikt XVI. in einen Missbrauchsskandal in seiner früheren Diözese zurückgewiesen.

Was wusste Erzbischof Ratzinger?

Der heutige Münchner Generalvikar Peter Beer hat eine Arbeitsgruppe zur Überprüfung von älteren, verjährten Missbrauchsfällen eingesetzt. Nach ihren Recherchen gab es damals eine Anfrage des Bistums Essen an das Münchner Ordinariat, ob Kaplan H. in der Erzdiözese München aufgenommen werden könne, um eine Therapie bei einem Münchner Psychotherapeuten zu absolvieren. Aufgrund der Aktenlage geht die Arbeitsgruppe davon aus, dass bekannt war, dass er diese Therapie vermutlich wegen sexueller Beziehungen zu Jungen machen sollte. 1980 stimmte der Ordinariatsrat des Münchner Bistums dem Umzug zu. Im Ordinariatsrat saß auch Erzbischof Joseph Ratzinger. Er hat den Beschluss mit gefasst, H. Unterkunft in einem Pfarrhaus zu gewähren, damit er die Therapie machen könne. Abweichend von diesem Beschluss wurde H. dann jedoch vom damaligen Generalvikar zur Seelsorgemithilfe in einer Münchner Pfarrei angewiesen. Der Generalvikar habe diesen Beschluss eigenmächtig gefasst, sagte der heutige Bistumssprecher Bernhard Kellner. Möglicherweise sei Ratzinger die Dienstanweisung des Generalvikars an den pädophilen Priester zugestellt worden. Man könne aber nicht davon ausgehen, dass Ratzinger sie persönlich geprüft habe.

„Wir wollten nicht, dass er den ganzen Tag nichts zu tun hat, außer einer Stunde Therapie“, sagte der frühere Generalvikar Gerhard Gruber der „Süddeutschen Zeitung“ zur Begründung, warum H. wieder in einer Pfarrei eingesetzt wurde. Er bedaure die Entscheidung und übernehme dafür „die volle Verantwortung“. Aus der Zeit zwischen 1980 und 1982 liegen keine Beschwerden über Priester H. vor. Ende 1981 ging Ratzinger nach Rom.

1985 wurde H. vom Dienst suspendiert, nachdem die Polizei Ermittlungen gegen ihn aufgenommen hatte. 1986 wurde er wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger zu 18 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und einer Geldstrafe von 4000 Mark verurteilt. 1986/87 wurde H. in einem Altenheim eingesetzt, dann bis September 2008 in einer Gemeinde in Oberbayern. Für den erneuten Seelsorgeeinsatz waren offenbar die relativ milde Strafe und die Ausführungen des Psychologen ausschlaggebend, sagte Bistumssprecher Kellner. Nachdem sich ein Opfer aus der Essener Zeit gemeldet hatte, ließ der amtierende Münchner Erzbischof Reinhard Marx ein forensisches Gutachten erstellen, dass einen Verbleib von H. in der Pfarrseelsorge nicht mehr rechtfertigte. Der Kaplan wurde dann 2008 in die Tourismusseelsorge nach Bad Tölz versetzt.

Wie wirkte Ratzinger als Erzbischof?

In seinem Buch „Aus meinem Leben“ widmet Joseph Ratzinger seiner Bischofszeit in München von 1977 bis 1981 gerade mal fünf Seiten. Zuvor war er Theologieprofessor und wollte das auch bleiben. 1977 besuchte ihn der Nuntius, der Chefdiplomat des Vatikans, und überreichte ihm das Ernennungsschreiben zum Erzbischof von München und Freising. Große Lust hatte er darauf nicht. Auch die Münchner wunderten sich, warum Rom nach dem verehrten Kardinal Döpfner einen unerfahrenen Mann schickt, der im Ruf stand, die Aufbruchstimmung des Konzils in den 60er Jahren abwürgen zu wollen. Der 50-jährige Ratzinger tat viel, um dem Ruf gerecht zu werden. Liberalere Experimente drehte er zurück.

Wie reagiert der Vatikan insgesamt auf die Missbrauchsfälle?

Eine Enthüllungswelle von tausendfachem sexuellen Missbrauch durch katholische Geistliche in den USA, in deren Folge die Diözesen zwei Milliarden Dollar Entschädigung zahlten, schockierte 2001/2002 den Vatikan. Dieser zog damals die Zuständigkeit für die Fälle an sich: Bei „Straftaten gegen die Sittlichkeit“ sind jetzt nicht mehr die Ortskirchen zuständig, sondern zentral die Glaubenskongregation in Rom. 2002 lud Papst Johannes Paul II. die amerikanischen Kardinäle zu einem Krisengipfel und kündigte eine „Null-Toleranz“-Politik an: Wer Kindesmissbrauch begehe, dürfe in der Kirche keinen Schutz finden. Benedikt XVI. zeigte während seines USA-Besuches 2008, dass es auch für ihn keine Toleranz bei diesem Thema gibt. Er maßregelte die amerikanischen Kardinäle für den „schlechten Umgang“ mit den Verbrechen und beklagte den „unbeschreiblichen Schmerz und Schaden“ für die betroffenen Opfer. Er traf sich auch als erster Papst mit Opfern, bat sie um Verzeihung und betete mit ihnen.

Als 2009 viele hundert Fälle von Missbrauch in Irland öffentlich wurden, ging der Vatikan noch konsequenter vor. Nun kamen nicht nur die pädophilen Täter in den Blick, sondern auch die verantwortlichen Bischöfe, die die Fälle vertuscht haben sollen. In den USA hatte zwar der Bostoner Kardinal sein Amt aufgeben müssen, doch ist er nach wie vor Mitglied in einflussreichen Vatikangremien. In Irland musste der Bischof von Limerick zurücktreten und alle Ämter aufgeben. Im Februar 2010 verurteilte Papst Benedikt XVI. sexuellen Missbrauch als „schweres Verbrechen“ und „Sünde“ und zitierte die irischen Bischöfe nach Rom.

Zu den Vorfällen in Deutschland hat sich Benedikt bisher nicht offiziell geäußert, obwohl auch sein Bruder Georg als Domkapellmeister der Regensburger Domspatzen im Blickpunkt steht. Am Freitag hatte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, mit dem Papst in Rom über die Fälle gesprochen. Der Papst sei „zutiefst erschüttert“ gewesen, sagte Zollitsch.

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