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Versunkene Stadt. Bis vor wenigen Jahren war die alte Maya-Stadt Uxul im Regenwald verborgen. Heute suchen dort Forscher nach Spuren, die den Niedergang der alten Hochkultur erklären könnten. Foto: picture alliance/dpa

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Panorama: Kein Ende der Zeit

Am 21. Dezember endet im Kalender der Maya ein wichtiger Zyklus – doch den Weltuntergang sagten sie keineswegs voraus.

„Bis vor wenigen Jahren hat kaum jemand bei den heute im Hochland von Guatemala lebenden Maya von einem Weltuntergang am 21. Dezember 2012 gesprochen“, erinnert sich der Archäologe Nikolai Grube von der Universität Bonn. Schließlich hatten ihre Vorfahren zwar einen hervorragenden Kalender entwickelt. Aber sie hatten weder einen Weltuntergang für den Anfang des 21. Jahrhunderts prophezeit noch den Niedergang ihrer Kultur vorhergesehen, der vor ungefähr 1200 Jahren begann. Erst als Esoteriker und auch der bekannte Filmemacher Roland Emmerich in einem seiner fiktiven Katastrophenstreifen ein sehr wichtiges Datum im Kalender der Maya mit dem angeblich bevorstehenden Weltuntergang verknüpften, wurden auch die Menschen im Hochland von Guatemala auf diesen 21. Dezember 2012 aufmerksam. Immerhin kann man mit den seither ins Land strömenden „Pilgern des Weltuntergangs“ einiges Geld verdienen.

Das Bauernvolk der Maya vor mehr als 1200 Jahren brauchte dagegen einen guten Kalender aus ganz anderen Gründen: Er zeigte ihnen, wann die beste Zeit für das Säen und Ernten, aber auch für familiäre Angelegenheiten wie Hochzeiten war. Im Prinzip war der Kalender der Maya ähnlich wie unserer aufgebaut, aber einfacher gegliedert. Während im Christentum ein Jahr zwölf Monate mit jeweils 31, 30 oder 28, sowie alle vier Jahre auch einmal 29 Tagen hat, bestand jeder der insgesamt 18 Maya-Monate aus genau 20 Tagen. Dazu kamen fünf weitere Tage, die ein wenig unserer Periode zwischen Weihnachten und Neujahr, der sogenannten „Zeit zwischen den Jahren“ entsprachen.

„Die Maya hatten aber noch einen zusätzlichen Wahrsagekalender, der aus 13 mal 20 Tagen bestand“, berichtet Grube. Mit diesem zweiten Kalender aus insgesamt 260 Tagen aber bestimmten die Maya nicht nur vor 1200 Jahren ihre öffentlichen und privaten Feste. Im Hochland von Guatemala tun sie das noch heute – der Hochzeitstag wird gern in der Zeitrechnung der Maya angegeben. Die Grundlage dieses Kalenders aber bilden die Zahlen 20 und 13, die für die Maya eine fast mythische Bedeutung hatten. Beide Kalender kombinierten die Maya-Gelehrten einst miteinander und konnten so immerhin 18 980 Tage oder 52 Jahre lang jeden Tag eindeutig bestimmen. Am Ende einer solchen Kalenderrunde wurde dann ähnlich wie bei uns am Ende eines Jahrhunderts groß gefeiert.

Da die Maya-Hochkultur aber erheblich länger als 52 Jahre existierte, entwickelten die Gelehrten einen dritten Kalender. „Darin hat ein Jahr 18 Monate mit jeweils 20 Tagen“, erklärt Nikolai Grube. Zusätzlich hat dieser Kalender weitere Perioden mit 20 und 400, aber zum Beispiel auch mit 8000 Jahren, die jeweils auf der für die Maya so wichtigen Zahl 20 basieren. Den Beginn ihrer Zeitrechnung legten die Maya auf den 11. August 3114 vor Christus, zu diesem Zeitpunkt sei ihre Welt entstanden. „Am 21. Dezember 2012 geht daher der 13. der wichtigen 400-Jahreszyklen der Maya zu Ende“, erläutert Grube weiter. Dieses Datum, das auch im christlichen Kalender herausragt, weil es ausschließlich die Ziffern Null, Eins und Zwei enthält, spielt demnach im Maya-Kalender eine sehr wichtige Rolle, ähnlich wie ein Jahrtausendwechsel im christlichen Kalender. Einen Weltuntergang aber verknüpften die Maya in keiner ihrer Schriften damit, danach folgt eben der 14. Zyklus. Das zeigt sich zum Beispiel auch darin, dass eine Maya-Inschrift in unserem Jahr 4772 das Thronjubiläum des Maya-Herrschers Pakal feiern wollte. Wer so weit in die Zukunft plant, rechnet wohl kaum mit einem Weltuntergang.

Obendrein begann der Untergang der Welt der Maya bereits rund 1200 Jahre vor dem 21. Dezember 2012. Die Spuren dieser Katastrophe findet der Bonner Forscher Grube, wenn er nahe der Grenze zwischen Mexiko und Guatemala die Reste der Maya-Stadt Uxul untersucht. Gemeinsam mit Kollegen aus Europa und Amerika stößt er auf Spuren des Niedergangs – wie Verstorbene, die völlig ohne die üblichen Grabbeigaben bestattet wurden. Solche Funde werfen ein Schlaglicht auf das geheimnisvolle Verschwinden dieser hoch entwickelten Kultur. Genau wie die beiden riesigen Zisternen, jede von ihnen von der Größe eines Fußballfeldes und drei oder vier Meter tief. „Während die würdelos behandelten Toten auf chaotische Zustände hinweisen, zeugen die Wasserspeicher von guter Organisation und Planung“, meint Grube.

Wie wichtig die Zisternen für die Bewohner von Uxul waren, zeigt den Archäologen das damals wie heute ähnliche Klima: Während zwischen Februar und April Trockenzeit ist, regnet es im Rest des Jahres zwar reichlich, das Wasser versickert aber schnell in den Spalten und Löchern des Kalksteinuntergrunds. Flüsse und Seen gibt es in der Trockenzeit nicht. Um diese Periode zu überbrücken, bauten die Maya die riesigen Zisternen. Die lieferten dann nicht nur für die rund 8000 Einwohner Wasser zum Trinken, Kochen und Waschen, sondern auch Wasser für die Maisfelder. „Bau und Unterhaltung der Anlagen aber erforderte eine gute Organisation“, erklärt Grube. Dafür waren die Adligen des Maisbauernvolkes der Maya zuständig, an deren Spitze in Uxul genau wie in anderen Städten auch ein Gottkönig stand. Diese Mischung aus religiösem und weltlichem Herrscher war genau wie ein Fürstbischof in Europa für den Fortbestand der Welt und damit im Maya-Stadtstaat Uxul vor allem auch für die Pflege der lebenswichtigen Wasserversorgung zuständig.

Einige Forscher vermuteten bisher, ein Klimawandel könnte vor 1200 Jahren den Niedergang der Maya-Kultur ausgelöst haben. Längere Dürreperioden hätten dann die Wasserspeicher überstrapaziert. „Neue Forschungsergebnisse aber deuten auf einen anderen Auslöser für das Ende der Maya-Kultur hin“, berichtet Nikolai Grube. So gab es eine ganze Reihe von Maya-Stadtstaaten mit jeweils einem eigenen Gottkönig, der die Infrastruktur am Laufen hielt. Diese Städte aber schlossen sich im Laufe der Jahrhunderte zu zwei Machtblöcken um die großen Maya-Städte Tikal und Calakmul zusammen, die miteinander um die Vorherrschaft rangen. 736 nach Christus gelang Tikal dann ein entscheidender Sieg, als der Gottkönig von Calakmul gefangen genommen wurde. Die Städte im Bündnis um diese Metropole aber bekam Tikal nie richtig unter Kontrolle. Bald begannen einzelne Städte, um ihre Unabhängigkeit zu kämpfen. Nach einiger Zeit sprangen die Unruhen auf das siegreiche Bündnis von Tikal über. „Diese Entwicklung ähnelte ein wenig der Situation nach dem Tod des Staatschefs Tito in Jugoslawien“, erklärt der Maya-Spezialist Grube.

Die Maya-Inschriften berichten aus dieser Epoche jedenfalls von einem drastischen Anstieg der Kriege. Damals wie heute aber fegt eine solche Entwicklung oft die Herrscherschicht komplett weg. Damit verschwand auch das Wissen, wie man die komplizierte Infrastruktur in Schuss hält. Die Wasserversorgung für die Bauern funktionierte zwar zunächst noch ganz gut weiter. Notwendige Reparaturen aber unterblieben, das System verrottete zunehmend. Kam jetzt noch eine Dürreperiode dazu, waren die Zisternen irgendwann völlig leer. Der Mais vertrocknete auf den Feldern. Die Menschen verhungerten oder versuchten auszuwandern.

Für den Rest der Welt aber blieb der Untergang aus.

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