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Panorama: Kein Vertrauen mehr ins Gelobte Land

Zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren wandern mehr Menschen aus Israel aus als neue hinzukommen

Zum ersten Mal seit Jahrzehnten ist in Israel die Zahl der Auswanderer größer als die der Einwanderer – allerdings haben die Israelis andere Beweggründe als die Palästinenser, die ebenfalls ihre Gebiete verlassen. Dass das Heilige Land sich nicht entleert, liegt nur an der nach wie vor hohen Geburtenrate sowohl unter Palästinensern als auch religiösen Israelis. Während bei den Palästinensern vor allem Akademiker und Wohlhabende Freiheit und Wohlstand suchen, sind es auf israelischer Seite Neueinwanderer, die entweder in ihre alte Heimat zurückkehren oder Israel als Zwischenstation auf dem Weg in den Westen sehen.

Dabei boomt die Wirtschaft in Israel: Die Wachstumsrate liegt bei über fünf Prozent, die Zahl der Arbeitslosen sinkt, die Börsenkurse zeigen steil nach oben, die Löhne steigen und die Teuerungsrate ist deutlich unter westeuropäisches Niveau gesunken. Trotzdem wird erstmals seit über 20 Jahren das sich als Einwanderungsland verstehende Israel 2007 eine negative Immigrationsbilanz aufweisen. Weil die Zahl der Einwanderer schrumpft und weil immer mehr Israelis sich aus ihrem Staat verabschieden wollen. Falls keine außergewöhnliche Trendwende stattfindet, wird die Einwanderer-Auswanderer-Bilanz in diesem Jahr ein Minus von rund 5000 aufzeigen. Was nach wenig aussieht, ist ein erstaunlicher Trend. Zwar ist es schwierig, die genaue Zahl der Auswanderer festzustellen. Sie dürfte aber über 20 000 ausmachen. Sicher ist, dass seit 2003 ihre Anzahl zu- sowie diejenige der Einwanderer abgenommen hat. Kamen 2005 noch 21 168 Einwanderer, waren es 2006 gar nur noch 19 267. In diesem Jahr gab es bisher exakt 2398 Neu-Israelis zu verzeichnen, was auf das ganze Jahr hochgerechnet ein Einwanderungstief von 14 400 ergäbe. Zum kommenden Unabhängigkeitstag gab nicht nur das Statistische Zentralamt seine Zahlen bekannt, sondern auch das „Akademische College“ im Jezreel-Tal veröffentliche eine Umfrage, nach der genau 26 Prozent der Israelis im vergangenen Jahr überlegten auszuwandern, unter den 18- bis 29-Jährigen war es sogar die Hälfte. Als Hauptgrund gaben 90 Prozent ihre Unzufriedenheit mit der Staatsführung an, also nicht nur mit der Regierung, sondern mit der politische Klasse insgesamt, die in zahllose Korruptions- und Sexskandale verwickelt ist. 60 Prozent drücken eine allgemeine Unzufriedenheit mit ihrem Leben im jüdischen Staat aus, 29 Prozent eine verminderte Zufriedenheit. Die Angaben zu einzelnen Bereiche überraschen zwar: 27 Prozent sehen das Hauptproblem im Erziehungswesen, 23 Prozent in der Politik und nur 16 Prozent in der Sicherheitslage. Andererseits ist für viele Israelis Politik und Sicherheit ein und dasselbe, deshalb könnte man auch davon ausgehen, dass fast 40 Prozent der Israelis in der islamistischen Bedrohung an Nord- und der Südgrenze das Hauptproblem sehen und wegen ihres Misstrauens gegenüber der eigenen Regierung verunsichert sind. Der „Zweite Libanonkrieg“ vom vergangenen Sommer, der von der Hamas orchestrierte Kassam-Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen und die Furcht vor dem Iran lassen die Israelis am 59. Unabhängigkeitstag an der Zukunft zweifeln.

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