zum Hauptinhalt

Panorama: Keine Angst vor dicken Fischen

In Stralsund entsteht ein einzigartiges Meereskunde-Museum – Greenpeace hilft dabei

Wenn Quallen nicht tot am Strand liegen, sondern im Wasser schweben, „sind es faszinierende Tiere“, sagt Harald Benke. Anders als mancher Ostsee- oder Nordseeurlauber kommt der Direktor des Meeresmuseums Stralsund durchaus ins schwärmen, wenn er von den oft mit langen Tentakeln bewehrten Nesseltieren spricht. Im Juni 2008 kann Benke seine Begeisterung seinen Besuchern noch besser vermitteln. Auf der Stralsunder Hafeninsel entsteht das Ozeaneum als Erweiterung des seit 1951 im Katharinenkloster untergebrachten Museums. In einem der 39 Aquarien werden Wurzelmund- und Kompassquallen raffiniert ausgeleuchtet langsam gegen eine künstliche Strömung anschwimmen. „Man schaut dann in die Tiefe des Meeres und kommt ins Staunen“, sagt Benke. Wer sich davon faszinieren lässt, mindere vielleicht auch seine Quallenangst, wo doch die in der Ostsee verbreiteten Ohrenquallen sowieso eher harmlos seien.

Das Stuttgarter Architektenbüro Behnisch hat den derzeit größten deutschen Museumsneubau entworfen. Aus der Vogelperspektive sollen die vier runden Baukörper wie vom Meer umspülte Steine wirken. Riesige weiße Stahlbleche, aufgebläht wie Segel im Wind, verkleiden die Fassade und setzen zwischen den kantigen, roten Backsteinspeichern am Rande der zum Unesco-Weltkulturerbe erklärten Altstadt einen modernen städtebaulichen Akzent. Drinnen erwartet den Besucher eine Unterwasserreise durch die Ostsee, durch die Seegraswiesen der Nordsee zu den erst vor kurzem entdeckten Tiefseekorallen des Atlantik und weiter ins Polarmeer. In der Kombination von Aquarien und Ausstellungen werde das Ozeaneum in Nord- und Mitteleuropa wohl einzigartig, sagt Benke.

7000 Meeresbewohner in sechs Millionen Litern Wasser sollen nebenbei auch das Vorurteil zerstreuen, nur in der Südsee seien die Fische bunt. „Der Schriftbarsch ist bunt wie der Korallenfisch“, sagt Meeresforscher Benke. Auch der rote Knurrhahn mit seinen tiefblau glitzernden Brustflossen sei ein bedeutsamer Farbfleck in den Meeren der nördlichen Erdhalbkugel.

Eine der Hauptattraktionen des Ozeaneums wird das riesige Schwarmbecken, durch dessen zehn Meter breite und 30 Zentimeter dicke Scheibe Tausende Makrelen und Heringe zu beobachten sind. Während sie über dem am Grund liegenden Skelett eines Pottwals schwimmen, haben sie genügend Platz, um sich wie draußen im Meer zusammenzuklumpen und Stärke zu markieren. Ohne Feind in der Nähe schwimmen sie allerdings unabhängig voneinander herum. Darum werden Heringshaie und Dorsche im selben Aquarium ihr neues Zuhause finden. Sie sollen Heringe und Makrelen durchaus ängstigen, aber nicht fressen. Benke: „Wir werden die Raubfische gut füttern.“

Benke und seine 45 Mitarbeiter fühlen sich als Anwälte der Meere. „Indem wir die Schönheit zeigen, wollen wir die Besucher auch für die Gefahren sensibilisieren.“ Die Auswirkungen von Überfischung, Verschmutzung oder Klimawandel sollen Ausstellungen „auf wissenschaftlicher Grundlage und stets aktuell“ dokumentieren. Als Mitstreiter hat das Meeresmuseum Greenpeace gewonnen. Die Umweltschutzorganisation beteiligt sich mit 1,45 Millionen Euro an den Kosten der Ausstellung „Riesen der Meere“. Eine 28 Meter lange Nachbildung eines Blauwals wird von der Decke der 18 Meter hohen Halle hängen, ein Pottwal mit einem Riesenkalmar kämpfen und ein Buckelwal mit seinem Jungtier durch die Weiten des Meeres ziehen. Auf Liegen können die Besucher unter dem Bauch des Wals den tiefen Tönen des Blauwals, dem Gesang des Buckelwals oder den sogenannten Klicks der Pottwale lauschen, mit dem sie ihre Beute in bis zu 3000 Meter Tiefe aufspüren. „Wir möchten die Besucher für den Schutz der Giganten der Meere begeistern“, sagt Greenpeace-Geschäftsführerin Brigitte Behrens. Mit Benke hat sie sich zudem auf strenge ökologische Maßstäbe für das Meeresmuseum geeinigt. Exoten und vom Aussterben bedrohte Arten kommen deshalb nicht in die Aquarien.

Rund acht Monate vor der für den kommenden Juni geplanten Eröffnung muss sich Benke allerdings ums Geld sorgen. Die bisher für den Neubau eingeplanten 50 Millionen Euro werden nicht reichen. Der Museumschef hofft auf rund zehn Millionen Euro Nachschlag vom Bund, dem Land oder der Stadt. Die Mehrwertsteuererhöhung und gestiegene Baupreise seien dafür verantwortlich. „Kleiner zu bauen geht jetzt nicht mehr“, so Benke. Nach der Eröffnung muss sich das Ozeaneum selbst finanzieren. Die Eintrittskarte wird rund 15 Euro kosten. Benke hofft auf 550 000 Besucher im Jahr.

Die ersten 3000 in der Ostsee gefangenen Fische warten unterdessen schon seit Ende Oktober in Quarantänebecken auf ihren Einsatz im Ozeaneum.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false