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Panorama: Keine Angst vor Hollywood

Kate Winslet, Oscar-Preisträgerin und mehrfach nominiert, nennt Los Angeles einen „Albtraum“

Kate Winslet war schon immer cool, und wer das noch nicht gemerkt hat, hat ab Donnerstag dazu erneut Gelegenheit. Dann läuft „Little Children“ an, jenes Vorstadtdrama, das der 31-Jährigen im Februar die fünfte Oscar-Nominierung einbrachte. Sie ist die jüngste Schauspielerin, der diese Ehre so oft zuteil wurde, und stellt damit sogar Marlon Brando und Olivia de Havilland in den Schatten. Regie führt Todd Field („In the Bedroom“), Winslet spielt eine gelangweilte Ehefrau, die eine Affäre anfängt.

Vor ein paar Jahren war Kate Winslet Hollywoods neue große Hoffnung. Das sagt heute niemand mehr so. Weil sie dafür zu lange dabei ist, aber vor allem, weil sie klargemacht hat, dass sie dieser Art von Karriere nichts abgewinnen kann. „Los Angeles ist für mich ein einziger Albtraum“, verkündete sie kurz nach ihrer Oscar-Nominierung für „Titanic“, „ich lebe gern in England“. Schauspielerin sei sie nicht geworden, um berühmt zu werden, sondern weil die Tochter einer Schauspielerfamilie – Eltern, Großeltern und die zwei Schwestern sind Schauspieler – sich nie einen anderen Beruf vorstellen konnte.

Trotzdem wurde sie durch James Camerons „Titanic“ mit 22 zum Idol von Millionen Teenagern. Dabei war Winslet für die Rolle, die sie zum Star machte, auf den ersten Blick eine Fehlbesetzung. Für ein Mädchen aus der britischen Oberklasse wirkt sie viel zu lebendig. Aber sie strahlt etwas aus, das viele Menschen an eine verlorene Zeit erinnert. Schon vor „Titanic“ war sie mit Kostümfilmen bekannt geworden. In Ang Lees „Sinn und Sinnlichkeit“ spielte Winslet Emma Thompson und Hugh Grant an die Wand mit einer ganz ähnlichen Figur: der Schrei nach Leben in einer scheintoten Gesellschaft. In Michael Winterbottoms „Jude“, einem ihrer besten Filme, war sie eine Rebellin, die an ihrem Widerstand gegen alle Konventionen zugrunde geht. Sogar Shakespeares Ophelia hat sie gespielt – in Kenneth Brannaghs monumentaler „Hamlet“-Verfilmung.

Nach dem siebenmonatigen „Titanic“-Dreh in südkalifornischen Studiobassins konnte Winslet Wasser auf der Leinwand nicht mehr sehen. Und ging nach dem „Titanic“-Hype in die Wüste: Ihr Film „Hideous Kinky“ führte sie als Hippiebraut nach Marrakesch. Davon blieb nur in Erinnerung, dass Winslet am Set ihren ersten Ehemann kennenlernte. James Threapleton, mit dem sie ihre Tochter Mia hat und von dem sie sich 2001 wieder trennte. Kurze Zeit später kam sie mit dem britischen „American Beauty“-Regisseur Sam Mendes zusammen, den sie inzwischen geheiratet hat. Mit ihm hat sie einen Sohn, die Familie lebt abwechselnd in London und in New York.

Vielleicht war die kurze erste Ehe die persönliche Post-„Titanic“-Krise der Kate Winslet. Beruflich aber kann man sie nur bewundern für die Gelassenheit, die sie damals bewahrte, die Selbstsicherheit und Klugheit ihrer Rollenauswahl. Anders als ihr Co-Star Leonardo DiCaprio, der seitdem nie wieder die Rolle des romantischen Liebhabers übernommen hat, distanzierte sie sich zwar nicht überdeutlich von solchen Auftritten, lehnte aber auch diverse Angebote für Hauptrollen ab. Darunter „Shakespeare in Love“, mit dem Gwyneth Paltrow den Oscar gewann, „Anna and the King“, die dann Jodie Foster spielte. Oder einen Part in „Herr der Ringe“.

„Statt Hollywood-Nebenrollen zu spielen, bekomme ich lieber eine Hauptrolle in einem Film, den ich wirklich interessant finde“, sagt Winslet und dreht immer wieder mal Independent-Projekte. Ihr schönster Film entstand trotzdem in Hollywood: „Vergissmeinnicht“ von Michel Gondry. Mit leuchtend roten Haaren spielt sie die Chaotin Clementine, die Jim Carrey als ihren Lover Joel so verwirrt, dass der versucht, sie aus seinem Gedächtnis zu löschen. Während das passiert, verliebt er sich wieder in sie. Kann man verstehen. Dafür reicht es, Winslet einfach als Kate Winslet zu erleben: in Stiefeln auf dem roten Teppich eine Zigarette paffend, in einem Kleid, für das andere fünf Kilo abgenommen hätten, sich über den Schlankheitsirrsinn Hollywoods mokierend und in jedem Satz gescheiter als viele ihrer Kolleginnen.

Ganz klar: Das Kino braucht mehr Kate Winslets. Immerhin können wir uns trösten – Kate Winslet hat sogar die „Titanic“ überlebt. Sie wird uns bleiben.

Rüdiger Suchsland

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