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Panorama: Keine Panik

Die Lungenentzündung Sars ist bei normalem Kontakt nicht ansteckend – gefährdet sind Lebenspartner

Von Adelheid Müller-Lissner

und Nicola Sigmund-Schulze

„Was uns unbekannt ist, das beunruhigt uns. Wir möchten einfach Klarheit haben.“ Hans Wilhelm Doerr, Direktor des Instituts für medizinische Virologie an der Uniklinik Frankfurt, machte am Dienstag deutlich, was das eigentlich Verstörende an der Sars-Erkrankung ist, die zurzeit die Bevölkerung beunruhigt: Der Erreger ist unbekannt, das schürt Ängste.

Zu viele Ängste, wie Doerr sagt. Das sagen auch die anderen Experten, die seit Tagen fieberhaft forschen. Zwar stiegen auch gestern die Zahlen weiter an – unter anderem wurde aus Baden-Württemberg ein Verdachtsfall gemeldet –, doch machten die Experten klar, dass Sars kein Grund zur Panik sei.

Bei normalem menschlichen Kontakt ist die Ansteckungsgefahr sehr gering. Das gilt für Kontakte beispielsweise in der U-Bahn, im Büro, an anderen Arbeitsplätzen oder im Sportstadion.

So ansteckend wie etwa die Windpocken, deren Erreger weite Distanzen in der Luft überwinden kann, ist Sars nicht. Meldungen, der unbekannte Erreger sei „hochinfektiös", sind deshalb unzutreffend. In Flugzeugen haben durch die Klima- und Belüftungsanlagen „Krankheitserreger bessere Karten", wie der Berliner Mikrobiologe Göbel erklärt.

Gefährdet sind Lebenspartner von Erkrankten, weil es hier zu engem körperlichen Kontakt mit der Gefahr von Tröpfcheninfektion kommt. Ebenfalls gefährdet ist medizinisches Personal, das Kranke behandelt.

Viele Sars-Verdachtsfälle werden sich als andere Krankheiten herausstellen, wie Grippe oder andere Infektionen. Das war auch bei den beiden Fällen in Leipzig der Fall, über die am Montag berichtet worden war.

Sars ist nicht gefährlicher als andere Formen der Lungenentzündung. In Deutschland gibt es jährlich 800000 Fälle von Lungenentzündung. Etwa fünf Prozent der Erkrankten sterben. Die Sterblichkeitsrate bei Sars ist nach ersten Erkenntnissen genauso hoch. Man nimmt an, dass Sars eine von mehreren Arten von Lungenentzündung ist, die künftig nicht mehr auffallen wird als andere Arten.

Informierte die WHO zu spät?

Gleichzeitig wurde am Dienstag klar, dass die neue Form einer Lungenentzündung nach Asien und Kanada jetzt auch Deutschland erreicht hat: Bei dem auf der Isolierstation in Frankfurt behandelten Arzt aus Singapur und seiner Frau bestätigte sich der Verdacht auf Sars, bei der Schwiegermutter des Arztes ist eine Sars-Infektion sehr wahrscheinlich. Bei den Viren handele es sich um so genannte Paramyxoviren, sagte Doerr. Sie könnten vom Tier auf den Menschen übergesprungen seien. Für diese Anpassung von Krankheitserregern tierischen Ursprungs an den Menschen gibt es viele Beispiele, das prominenteste ist HIV. Erst im Jahr 1997 waren in Hongkong sechs Menschen an einer neuen Form von Grippe gestorben, der Vogelgrippe.

Eine Frage, die sich stellt, lautet: Seit November letzten Jahres grassiert in Südchina eine Lungenentzündungs-Epidemie. Davon wusste die Weltgesundheitsorganisation WHO. Seit Mitte Februar dieses Jahres kennt die WHO Sars, wie sie zugibt. Aber erst am 12. März warnte sie im Internet. Und erst letztes Wochenende ging die WHO groß an die Öffentlichkeit und sprach plötzlich von „weltweiter Bedrohung“.

Adelheid Müller-Lissner, Nicola Sigm, -Sch

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