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Der Hauptbahnhof von Essen war am Mittwochabend gesperrt, Grund war eine herrenlose Tasche.

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Update

Keine Veränderung der Sicherheitslage: Nach Bombenfund in Bonn: BKA warnt vor Überreaktion

Die in Bonn gefundene Bombe war hochgefährlich, dennoch sieht das BKA keine Veränderung der allgemeinen Gefahrensituation. Derweil sorgten auch in Essen und Berlin herrenlose Gepäckstücke für Unruhe.

Von Frank Jansen

Nach dem Fund eines Sprengsatzes am Bonner Hauptbahnhof warnt das Bundeskriminalamt vor voreiligen Schlüssen. BKA-Präsident Jörg Ziercke sagte in der ZDF-Sendung Aktenzeichen „XY... ungelöst“, man stehe erst am Anfang der Ermittlungen. Die Kölner Polizei ermittle mit großem Nachdruck. Er habe volles Vertrauen in die Beamten. Spekulationen seien verfrüht. „Auch die allgemeine Terrorgefahrensituation hat sich nicht verändert“, sagte Ziercke am Mittwochabend. Er fügte hinzu: „Ruhe bewahren und Aufmerksamkeit ist angesagt.“

Das Bundesinnenministerium geht in einer internen Analyse vor einem besonderen Anschlagsrisiko für Weihnachtsmärkte aus. Das berichtet die „Bild“-Zeitung (Donnerstag) unter Berufung auf eine „Gefährdungseinschätzung“ des Ministeriums. Allerdings werden Weihnachtsmärkte alljährlich zu den so genannten weichen, schwer zu schützenden Zielen gezählt.

Auch in Essen hat am Mittwochabend eine verdächtige Tasche einen Großeinsatz ausgelöst und den Bahnverkehr lahmgelegt. Der Hauptbahnhof der Ruhrgebietsstadt wurde nach Polizeiangaben für mehrere Stunden gesperrt, nachdem eine Passantin das herrenlose Gepäckstück auf einem Bahnsteig entdeckt und gemeldet hatte. Nach bangen Stunden stand aber fest: Der Inhalt der grünen Sporttasche war harmlos. Darin enthalten waren unter anderem Kleidung, eine Schere und Plastikstifte, wie eine Sprecherin der Essener Polizei in der Nacht zum Donnerstag mitteilte. Bundespolizei-Sprecher Volker Stall sagte, man habe die Tasche um kurz nach 20.30 Uhr mit einem Wassergewehr aufgeschossen. „Das ist analog, wie es in Bonn war“, sagte Stall. Am Donnerstagmorgen wurde dann ein herrenloses Gepäckstück auf einem U-Bahnhof gefunden, das sich aber schnell als harmlos erwies.

Der in Bonn entdeckte Sprengsatz war nach Einschätzung der Ermittler hochgefährlich. Die Hintergründe blieben aber auch zwei Tage nach dem Fund mysteriös. Die Polizei weitete die Fahndung am Mittwoch auf einen zweiten Tatverdächtigen aus. Die Bundesanwaltschaft hat aber die Ermittlungen noch nicht an sich gezogen. Juristisch bestehen offenbar aber noch ausreichenden Anhaltspunkte für einen terroristischen Hintergrund, wie Generalbundesanwalt Harald Range am Mittwoch in Karlsruhe sagte.

Zwei am Dienstag verhörte Islamisten wurden wieder auf freien Fuß gesetzt, sie hatten ein Alibi. Die Ermittler suchen neben einem dunkelhäutigen Mann nun auch einen hellhäutigen. Dieser ist auf Videoaufnahmen aus einer McDonald's-Filiale an Gleis 1 mit einer dunkelblauen Tasche zu sehen und gilt als Tatverdächtiger. Welche Rolle er in dem Fall spiele, sei völlig unklar.

Der Dunkelhäutige soll nach Zeugenaussagen eine solche Tasche, in der später der Sprengsatz gefunden wurde, zwei wartenden Jugendlichen auf dem Bahnsteig geradezu vor die Füße geschoben haben. Von dem Dunkelhäutigen gibt es ein Phantombild, allerdings existieren von der Szene am Bahnsteig keine Videoaufnahmen.

„Es war ein höchstgefährlicher Sprengsatz“, sagte der für Terrorismus zuständige Bundesanwalt Rainer Griesbaum am Mittwoch in Karlsruhe. Es sei aber noch nicht geklärt, ob die Bombe funktionsfähig war, sagte er weiter. Sicherheitsexperten schließen nicht aus, dass Salafisten die Bombe am Bonner Hauptbahnhof abgelegt haben. Sie meinen, der „modus operandi“ weise auf militante Salafisten hin, doch sei auch ein verrückter Einzeltäter denkbar.

Es sei  auch möglich, dass  ein „verrückter Einzeltäter“ die blaue Reisetasche mit dem Sprengsatz deponierte, sagte ein Experte. Ein rechts- oder linksextremer Hintergrund sei unwahrscheinlich.

Nach Informationen des Tagesspiegels lagen in der Tasche vier durch ein Paketband zusammengebundene Butangas-Kartuschen  mit jeweils 500 Milliliter Inhalt, ein 40 Zentimeter langes Metallrohr mit acht Zentimeter Durchmesser, ein Wecker, zwei einfache Batterien und eine 9-Volt-Blockbatterie. Durch den von der Polizei veranlassten Beschuss mit einer Wasserkanone wurde der Sprengsatz teilweise zerstört. Deshalb ist unklar, ob es einen Zünder gab. Die Polizei hat bislang auch keinen Zündstoff entdeckt.

In dem Metallrohr befand sich Ammonium-Nitrat. Ob das Rohr  komplett gefüllt war, lässt sich angesichts der Zerstörung durch den Wasserstrahl nicht feststellen. Außerdem war der Metallbehälter nur an einer Seite geschlossen. Möglicherweise wurde eine Abdichtung durch das Wasser zerfetzt. Hätte der Bombenleger das Rohr aber nur an einer Seite verschlossen gehabt, wäre die Sprengwirkung erheblich vermindert gewesen. Der Explosivstoff wäre bei der Detonation entwichen, möglicherweise wäre das Metallrohr auch nicht zersplittert. Einen komplett verschlossenen Behälter  hingegen hätte eine Detonation durch den starken inneren Druck zerfetzt. Der  Splitterflug hätte noch in mehreren Metern Entfernung  Menschen getroffen.

Selbst wenn keine militanten Salafisten für den Bau der Bombe verantwortlich sein sollten, wird in Sicherheitskreisen befürchtet, dass Dschihadisten den Fall propagandistisch ausschlachten. „Es würde zur psychologischen Kriegsführung der islamistischen Terrorszene passen“, sagte ein Experte. Dazu gehöre, gerade in der Vorweihnachtszeit Angst zu schüren.  Der Experte erinnerte an zwei Szenarien, die jeweils zum Jahresende hin Unruhe ausgelöst hatten.

Im November 2010 warnte der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) vor Anschlägen in Deutschland und sprach von „konkreten Hinweisen“ auf einreisende Dschihadisten. Die Polizei sperrte in Berlin den Reichstag für Besucher, auf dem Hauptbahnhof patrouillierten schwer bewaffnete Polizisten. Viele Menschen verzichteten in Berlin aus Angst vor Terrorangriffen  auf den Besuch der Weihnachtsmärkte.

Zehn Jahre zuvor konnte die Polizei in Frankfurt/Main gerade noch rechtzeitig einen schweren Anschlag verhindern, mit dem algerische Islamisten den Weihnachtsmarkt in Straßburg treffen wollten. Die Terrorzelle war dabei, in Frankfurt einen Sprengsatz zu basteln, der unter anderem aus einem mit explosiven Chemikalien gefüllten Kochtopf bestehen sollte. Das Oberlandesgericht Frankfurt verurteilte im März 2003 vier Täter zu Haftstrafen zwischen zehn und zwölf Jahren.

Es wäre nicht verwunderlich, wenn die Dschihadistenszene nach dem Fund der Bonner Bombe ein Internetvideo mit einem Bekenntnis sowie Drohungen gegen die Bundesrepublik verbreiten würde, hieß es in Sicherheitskreisen. (mit dpa) 

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