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Kevin

© dpa

Kevin-Prozess: Angeklagter Ziehvater bricht sein Schweigen

"Ich bin erschüttert über diese Katastrophe, es ist ungeheuer traumatisch. Meine Reue ist drastisch". Mit diesem Schlusswort im Bremer Prozess um den Tod des kleinen Kevin hat der angeklagte Ziehvater erstmals sein Bedauern über den Tod von Kevin geäußert.

Die Anwälte des Angeklagten hatten in ihren Plädoyers keine konkreten Anträge gestellt. Sie führten stattdessen den starken Drogeneinfluss auf ihren Mandanten zum offenen Todeszeitpunkt des Kindes an. Der Mann sei ein liebevoller Vater gewesen und habe nicht die Absicht gehabt, das Kind zu töten. Außerdem sei die Todesursache weiter ungeklärt.

Kevin wurde im Oktober 2006 mit zahlreichen Knochenbrüchen tot im Kühlschrank des drogensüchtigen Ziehvaters gefunden. Die Anklage hatte 13 Jahre Haft für den Mann gefordert und die Tat als Mord und schwere Misshandlung von Schutzbefohlenen gewertet. Der Staatsanwalt hatte nicht auf eine lebenslange Haftstrafe plädiert, weil eine verminderte Schuldfähigkeit des Mannes nicht auszuschließen sei.

"Ich weiß nicht, was damals passiert ist"

Der Angeklagte verfolgte - wie an anderen Verhandlungstagen auch - am Schluss fast regungs- und teilnahmslos den Prozessverlauf. "Ich finde bis heute nicht die richtigen Worte, um meine Fassungslosigkeit zu zeigen und meine Betroffenheit zum Ausdruck zu bringen", sagte er nach einem Blick in seine Notizen. Wenn er sage, er sei maßlos traurig, treffe dies nicht das Ausmaß seiner Gefühle. "Es tut mir leid - in meinem Fall klingt das wie eine Verniedlichung, weil das so extrem tief geht. Ich würde gern mehr sagen, aber es geht nicht. Ich weiß einfach nicht, was damals passiert ist."

Der Ziehvater hat nach Überzeugung von Staatsanwalt Daniel Heinke den linken Oberschenkel von Kevin gebrochen, danach kam es möglicherweise zu einer Fettembolie und Herzversagen. Für die beiden Verteidiger Thomas Becker und Jörg Hübel blieben dagegen Zweifel an der genauen Todesursache: "Was ist eigentlich genau passiert? Wir wissen es nicht, es gibt viele Unwägbarkeiten."

Mildernde Umstände nicht ausgeschlossen

Aus Sicht der Verteidigung ist nicht auszuschließen, dass Knochenbrüche und Einblutungen erst nach dem Tod des Jungen entstanden seien. Zudem habe ein Kinderarzt im Zeitraum zwischen Mitte 2004 und Ende 2005 bei 18 Untersuchungen von Kevin nie typische Verletzungen entdeckt, die eine Kindesmisshandlung belegten. Der Angeklagte habe sich vielmehr liebevoll um den Jungen gekümmert.

Er habe versucht, mit Kevins Mutter eine bürgerliche Beziehung aufzubauen. Als dies nach einer Fehlgeburt der Mutter und deren Tod scheiterte, habe er einen "völligen Absturz" von Drogenmissbrauch durchlebt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass wegen der Drogenabhängigkeit mildernde Umstände vorlägen. Der Angeklagte solle Gelegenheit bekommen, die Vorgänge aufzuarbeiten, sagte Becker. Wie das geschehen könne, bleibe abzuwarten. (dpa/sba)

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