zum Hauptinhalt
kevins grabstein

© dpa

Kevin-Prozess: Wurde bei den Ermittlungen geschlampt?

Unklare Aktenvermerke, Lücken in den Protokollen: Bei der Vernehmung der Polizeibeamten im Prozess um den Tod des kleine Kevins aus Bremen sind Ermittlungspannen zu Tage getreten. So ist noch nicht einmal sicher, ob der verdächtige Ziehvater über seine Rechte belehrt wurde.

Nach dem grausamen Tod des kleinen Kevin in Bremen gibt es weiterhin Unklarheit über den Todeszeitpunkt des Jungen. Nachbarn des angeklagten Ziehvaters hätten völlig widersprüchliche Angaben darüber gemacht, wann sie den Jungen zum letzten Mal gesehen hatten. Dies berichtete ein Polizeiermittler während des zweiten Verhandlungstages vor dem Bremer Landgericht. Polizisten hatten die Leiche des zweijährigen Jungen am 10. Oktober 2006 im Kühlschrank des drogensüchtigen Ziehvaters gefunden. Der 42-Jährige muss sich wegen Totschlags und Misshandlung Schutzbefohlener verantworten. Kevins Schicksal hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst.

Das Kind stand damals unter dem Schutz des Jugendamtes und sollte bei einem Polizeieinsatz aus der Wohnung des Ziehvaters geholt werden. Sie hätten nicht damit gerechnet, dass das Kind tot sei, sagten mehrere Beamte aus. Die Wohnung habe aufgeräumt gewirkt, Kinderspielzeug habe herumgelegen, an der Garderobe Kevins Jacke gehangen, auf dem Boden ein gepackter Kinderrucksack gestanden. "Als Briefträger hätte ich gedacht: Hier wohnt ein Kind. Man hätte es jederzeit zurück erwartet", erinnerte sich ein Ermittler.

"Ich bin das Schwein"

Erstmals schilderte eine Polizistin vor dem Schwurgericht, was der Ziehvater nach seiner Verhaftung auf der Fahrt ins Polizeipräsidium gesagt hatte. "Das Jugendamt muss sich warm anziehen", habe ein Polizist zunächst bemerkt. Darauf habe der Ziehvater erwidert: "Das Jugendamt trifft keine Schuld. Ich bin das Schwein." Die Beamtin konnte nicht erklären, warum diese Aussage in den Vernehmungsakten fehlte. Unklar blieb auch ein Aktenvermerk, wonach Kevins Ziehvater den Monat Mai als Todeszeitpunkt angegeben habe.

Der Ziehvater habe bei seiner Verhaftung nicht wie ein typischer Junkie gewirkt und einen ruhigen, fast teilnahmslosen Eindruck gemacht, beschrieben die Polizisten den Mann. Nach früheren Zeugenaussagen soll er auf die Frage nach Kevins Aufenthaltsort geantwortet haben: "Es war ein Unglücksfall, mein Sohn ist tot, ich mag gar nicht sagen, wo er ist, das glaubt mir eh keiner." Erst im Polizeipräsidium habe er eine Gefühlsregung gezeigt, als er das Festnahmeprotokoll unterschreiben sollte. Nachdem er in einer Rubrik des Formulars den Eintrag "Delikt: Mord" gesehen habe, sei er aufgebraust und habe seine Unterschrift verweigert.

Gab es überhaupt eine Belehrung?

Vor Gericht ist weiter strittig, in welchem Umfang der Ziehvater bei seiner Verhaftung in der Wohnung über seine Rechte belehrt wurde. Ein Ermittler, der darüber eine Protokollnotiz verfasst hatte, konnte sich nicht erinnern, ob es überhaupt eine Belehrung gab. Die Verteidiger wollen daher erreichen, dass weitere Polizeiangaben über erste Aussagen des Angeklagten nicht vor Gericht zugelassen werden. (mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false