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Panorama: Kinderboxen: Leichtgewichte

Im blauen Trikot trat die kleine Özge in den Ring, im roten Dress kam Mürside aus ihrer Ecke - und dann hagelte es Schwinger und Haken, bis Mürside zu Boden ging. Die Kopfschützer waren viel zu groß, und die Boxerinnen in diesem Kampf erst vier Jahre alt.

Im blauen Trikot trat die kleine Özge in den Ring, im roten Dress kam Mürside aus ihrer Ecke - und dann hagelte es Schwinger und Haken, bis Mürside zu Boden ging. Die Kopfschützer waren viel zu groß, und die Boxerinnen in diesem Kampf erst vier Jahre alt.

Der Schaukampf, der bei der türkischen Frauen-Boxmeisterschaft im zentralanatolischen Eskisehir ausgetragen wurde, brachte die Öffentlichkeit im ganzen Land auf die Beine. Empört fordern Pädagogen und Psychologen ein Verbot solcher Aufführungen, die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen wegen Verdachts auf Kindesmisshandlung ein, und die Regierung droht den Eltern mit dem Entzug des Sorgerechts. Eltern und Trainer können den Aufruhr nicht verstehen. Sie versichern: Die kleinen Mädchen boxten aus freiem Willen. Im Boxverein seien die Kinder besser aufgehoben als auf der Straße, argumentiert die Trainerin.

Die kleine Özge trainiert seit einem halben Jahr im Boxverein von Eskisehir - auf eigenen Wunsch, wie ihr Vater beteuert. Seine Tochter habe ihn monatelang gelöchert, weil sie ihrer Kusine nacheifern wollte, die einmal türkische Boxmeisterin war, berichtet der Fabrikarbeiter. Schließlich habe er nachgegeben und sie im Boxverein eingeschrieben; er könne darin nichts Verwerfliches erkennen. Ähnlich verwundert über den Rummel um das Hobby ihrer Tochter ist die Mutter von Mürside, die den Sport im Fernsehen entdeckte. "Die Kinder schlagen beim Training ja nicht voll zu", verteidigt sich die Mutter. "Sie erlernen den Boxsport mit leichten Schlägen." Bei der Vorführung in Eskisehir habe es sich auch gar nicht um einen echten Kampf, sondern vielmehr um eine Schaukampf gehandelte, versichert die türkische Box-Föderation.

Die Behörden wollen diese Argumente nicht gelten lassen. "Wie Gladiatoren" seien die Kinder in den Ring geschickt worden, empörte sich ein Sprecher des Familienausschusses im türkischen Parlament. Der zuständige Staatsminister Hasan Gemici drohte den Eltern mit einem Verfahren zum Entzug des Sorgerechts und einem Strafprozess. "Das Sorgerecht ist kein Recht am Kind, sondern eine Verantwortung für sein Wohlergehen", sagte der Minister, während die Staatsanwaltschaft bereits Ermittlungen einleitete. Box-Trainerin Aysun Aygün kann darüber nur den Kopf schütteln. Es gebe in der Türkei tausende klebstoffschnüffelnde Straßenkinder, erinnert die Sportlerin - doch die Öffentlichkeit rege sich über das Hobby von zwei behüteten kleinen Mädchen auf.

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