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Kinderlärm: Ein Mauer-Fall

Das Urteil eines Hamburger Gerichts in Sachen Kinderlärm hat in der Hansestadt Empörung ausgelöst. Die Richter fordern von einer Kindertagesstätte, eine 46 Meter lange und drei Meter hohe Lärmschutzwand zu errichten.

Kinderlärm hat in Berlin und anderen Großstädten schon gelegentlich die Gerichte beschäftigt. In Berlin-Friedenau zum Beispiel droht derzeit einer Kita die Räumung, weil sich Anwohner belästigt fühlen. In Hamburg hat eine solche Auseinandersetzung nun ein besonders bizarres Ende gefunden: Die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts hat entschieden, dass die Geräuschkulisse aus einer Kindertagesstätte des sozialen Vereins Sternipark in einem Wohngebiet in Othmarschen durch eine 46 Meter lange und drei Meter hohe Steinmauer zurückgehalten werden muss. Das Urteil hat beim Träger des Kindergartens, bei den betroffenen Eltern und bei den Bürgerschaftsparteien Empörung hervorgerufen.

Hintergrund ist ein von zwei Nachbarn angestrengtes Eilverfahren, das der am gestrigen Montag in Betrieb genommenen Krippe für eine Gruppe von 40 bis zu drei Jahre alten Kindern die Nutzung aus Lärmschutzgründen untersagen sollte. Die stellvertretende Geschäftsführerin von Sternipark, Leila Moysich, ist entsetzt. Sie hat die Tür der Krippe trotz des Urteiles geöffnet und sich dabei die Rückendeckung der verantwortlichen Stadtteilbehörde gesichert. „Die Kleinkinder einfach auf der Straße stehen zu lassen, wäre schon aus Sicherheitsgründen unverantwortlich gewesen. So mussten wir eine rechtliche Gefahrenabwägung vornehmen“, sagte Amtsleiter Jürgen Warmke-Rose. Die von ihm geführte Verwaltung hat am Montag eine neue Nutzungsgenehmigung veranlasst. Damit ist gewährleistet, dass die Kinder sich im Haus aufhalten dürfen, nicht jedoch das Freigelände nutzen, bis die nächste juristische Instanz, das Oberverwaltungsgericht, über den Einspruch der Behörde und des Trägers entschieden hat.

Die CDU hat das Thema noch in dieser Woche mit einer aktuellen Stunde auf die Tagesordnung der Bürgerschaft gesetzt. Die SPD plädiert für eine Nachbesserung eines Kinderlärmgesetzes. CDU und GAL ahnten wohl, was auf sie zukommt. Beide haben in ihren Koalitionsvertrag just die Festlegung geschrieben, dass die kindliche Lärmentfaltung höher einzustufen ist als Gewerbelärm.

Während die Anwälte der Kläger sich nicht äußern wollten, sagte Moysich: „Mit einer zwei Meter hohen Palisadenwand wären wir ja einverstanden gewesen, doch darauf wollten sich die zwei Wohnungsbesitzer nicht einlassen.“ Anfang Oktober will Sternipark noch einen Anbau für 20 weitere Kinder einweihen. „Vielleicht haben wir bis dahin ja schon eine neue Entscheidung“, so Moysich. Sie hält es für eine juristische Spitzfindigkeit, dass Kitas zwar in allgemeinen Wohngebieten angesiedelt werden können, nicht jedoch in reinen Wohngebieten, wie sich die Richter ausdrückten, und um ein solches handelt es sich in diesem Fall.

Jürgen Warmke-Rose sieht schwere Zeiten auf Hamburg zukommen, wenn das Urteil Bestand haben sollte: „Schließlich wurde doch der Ausbau der Kitabetreuung gesetzlich gefordert. Aber wo bitte sollen die Kinder dann bleiben?“ Für die Hansestadt ist es bereits der zweite Fall, in dem ein Gericht eine Kita zur Errichtung einer Lärmschutzmauer verpflichtet. Im vergangenen Jahr schlug der Fall des Kindergartens „Marienkäfer“ in Marienthal solch hohe Wellen, dass sogar Bundesfamilienministerin von der Leyen die Einrichtung an der Elbe besuchte.

Dieter Hanisch[Hamburg]

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