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Panorama: Kleinstgeräte: Im Bio-U-Boot auf Reisen im menschlichen Körper

Jennifer Lopez hat ein Problem: In ihrem neuesten Film "The Cell" wird sie in das krude Gehirn eines Killers geschleust. Sie erlebt einen Horrortrip durch dessen Schlächterphantasien, ein wahrer Albtraum für die Schöne und ihre Fans.

Jennifer Lopez hat ein Problem: In ihrem neuesten Film "The Cell" wird sie in das krude Gehirn eines Killers geschleust. Sie erlebt einen Horrortrip durch dessen Schlächterphantasien, ein wahrer Albtraum für die Schöne und ihre Fans. Was auf den ersten Blick wie pure Science Fiction daher kommt, könnte jedoch bald Realität werden: Wissenschaftler der amerikanischen Cornell-Universität haben, wie bereits gestern kurz gemeldet, ein superkleines Tauchgerät entwickelt, mit dem sie sich durch Körperflüssigkeiten bewegen können.

Die Forscher sprachen bildlich von einem Bio-Helikopter. Da Helikopter sich in der Luft bewegen, müsste man in diesem Fall eher von einem Bio-U-Boot sprechen. Nur 150 Millionstel Millimeter ist das als Nanopropeller bezeichnete Gerät groß, eine Mischung aus biologischem Antrieb und metallischem Propeller. Mit diesem Mini-U-Boot könnten die Forscher beispielsweise Wirkstoffe von Medikamenten gezielt durch die Blutbahn schleusen oder magnetische Sensoren auf die Reise schicken, etwa zur Erkennung von Blutgerinseln oder Tumoren. "Wir haben gezeigt, dass man solche Kleinstgeräte tatsächlich bauen, betreiben und reparieren kann", schreibt Carlo Montemagno, Chef des Forscherteams, in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsjournals Science. "Wir glauben, dass wir eine völlig neue Technologie entwickelt haben."

Das U-Boot besteht aus einem Biomotor, der im wesentlichen von Adenosintriphosphat (ATP) angetrieben wird. ATP ist der Energielieferant für die wichtigsten biologischen Prozesse in Organismen und Körperzellen. Dort wird es in den Mitochondrien, den zelleigenen Kleinstkraftwerken, zu Adenosindiphosphat (ADP) reduziert, unter Freisetzung von Energie. Es spielt auch eine Rolle bei der Photosynthese in Pflanzen.

Schon die ersten Bakterien vor hunderten Millionen Jahren nutzen es als Energielieferant. Für viele Wissenschaftler verbirgt sich hinter diesem natürlichen Prozess die Formel des Lebens schlechthin. Seit mehreren Jahrzehnten ist bekannt, dass sich Teile des ATP-Moleküles oder aufgesetzte Moleküle während der Umwandlung zu ADP in Rotation versetzen. Das hängt mit dem komplizierten Mechanismus zusammen, wie bei der chemischen Reaktion die Energie durch das Molekül transportiert wird. Am Ende dieser Kette steht die Freisetzung eines Elektrons, das die Mitochondrien als Energiereserve für den Stoffwechsel abgeben. Der Effekt war lange Zeit nur theoretisch vorher gesagt. Daraufhin setzte ein wahrer Sturm ein, Forscherteams auf der ganzen Welt stürzten sich auf die Mitochondrien. Vor allem amerikanische und japanische Wissenschaftler wollten das Geheimnis um die Lebensenergie lüften. 1997 war es dann endlich so weit: Für die Aufklärung dieses als ATPase bezeichneten Effektes erhielten der kalifornische Biochemiker Paul Boyer, der britische Mediziner John Walker und der dänische Forscher Jens Scou den Nobelpreis für Chemie.

Damit begann die nächste Runde in der weltweiten Jagd: Nach der technischen Umsetzung der Erkenntnisse. Lohnende Patente winkten. Dies ist nun erstmals eindrucksvoll gelungen, die Ingenieure der Cornell-Universität konnten die ATPase für eine künstliche Nanosonde gezielt ausnutzen. Ihr ATP-Vorrat reicht aus, um das Minigefährt rund zweieinhalb Stunden in Bewegung zu halten. Der aufgesetzte Nickel-Propeller dreht sich immerhin acht Mal in der Sekunde und zieht den Biokomplex hinter sich her wie eine Schiffsschraube. Allerdings erwiesen sich von 400 hergestellte Prototypen bislang nur fünf als wirklich einsatzfähig. "Die Nanosonden könnten eines Tages als intelligente Apotheken innerhalb einer Zelle arbeiten", wagt Carlo Montemagno eine Prognose. "Möglicherweise in Interaktion mit der Physiologie einer lebenden Zelle." Unklar ist noch, welche Zuladung für das Mini-U-Boot erlaubt ist. Dazu bedarf es weiterer Tests. Jennifer Lopez ist derzeit jedenfalls noch zu groß für den Job.

Heiko Schwarzburger

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