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Nordpol

© AFP

Klimawandel: Der Nordpol - im Sommer ohne Eis?

Wissenschaftler schlagen Alarm - die Eisdicke nimmt von Jahr zu Jahr immer mehr ab.

Schon im vergangenen Jahr hätte Professor Rüdiger Gerdes es sich zwei Mal überlegt, ob er sich im Sommer auf den Nordpol gestellt hätte. Denn das Alfred-Wegener-Institut, für das Gerdes arbeitet, hat im Sommer 2007 in der Arktis auf der Route von Spitzbergen an Grönland entlang zum Pol Eisdicken gemessen, die halb so stark waren wie „normal“.

1996 hat das Institut mit der Messung von Eisdicken mit Hilfe von Hubschraubern und elektromagnetischen Verfahren begonnen. Die „normale“ Eisdicke betrug bei mehreren Messungen im Schnitt etwa zwei Meter, im Sommer 2007 war es noch etwa ein Meter. Gerdes sagt, es sei schon schwierig gewesen, Eisschollen zu finden, um Messbojen auf ihnen auszusetzen, weil die meisten so klein gewesen seien, dass ihre Überlebenschancen als gering eingeschätzt wurden. Doch 2007 – im September waren im Osten der Arktis zum ersten Mal große Flächen komplett eisfrei – sei ein Sonderfall gewesen. Denn monatelang hatte es „außergewöhnliche Strömungsmuster“ gegeben. Warmluft aus dem pazifischen Raum sei in die Artis geströmt, und gleichzeitig hätte der Wind große Eismengen vom Osten in den Westen getrieben.

Dafür hat sich nach Gerdes Auskunft im Winter 2008 besonders viel Eis in der Arktis gebildet. Freie Meeresflächen seien für die Neubildung von Eis „ideal“, sagt Gerdes. Deshalb sei es „nicht gesagt, dass in diesem Sommer ähnlich wenig Eis“ auf dem arktischen Meer schwimmen wird. Allerdings sagt auch Gerdes, dass neugebildetes Eis weniger dick ist und schneller wieder schmilzt. Das hat Mark Serreze vom amerikanischen Schnee- und Eisdatenzentrum in Boulder im US-Staat Colorado auch gesagt. Dem britischen „Independent“ hatte Serreze gesagt, es stehe in diesem Sommer „fünfzig zu fünfzig, dass der Nordpol abschmilzt“. Der Forscher fügte noch hinzu: „Da sollte Eis am Nordpol sein, und nicht offene See.“

Allerdings hat sich Serreze nicht festgelegt, ob der Pol in diesem Jahr schon eisfrei sein wird. Er ist sich aber mit seinen Kollegen vom Welt-Klimarat (IPCC) einig, dass die Wahrscheinlichkeit eines im Sommer eisfreien Nordpols bis zum Ende des Jahrhunderts sehr hoch ist. Die amerikanische Weltraumbehörde Nasa hat in ihrem Forschungsprojekt für das Internationale Polar-Jahr, das noch bis zum Frühjahr 2009 läuft, herausgefunden, dass das verbleibende Eis in der Arktis immer jünger wird. In den 80er Jahren seien noch mehr als 20 Prozent der arktischen See mit Eis bedeckt gewesen, das mindestens sechs Jahre alt war, im Februar 2008 seien es noch sechs Prozent gewesen.

In den vergangenen drei Jahrzehnten ist die sommerliche Eisbedeckung der Arktis um 8,9 Prozent pro Jahrzehnt im September gesunken, im März lag der Eisverlust bei 2,5 Prozent pro Dekade, heißt es im „Globalen Ausblick auf Eis und Schnee“, den das UN-Umweltprogramm Unep vor wenigen Monaten veröffentlicht hat. Seit den 50er Jahren nimmt die Eisdicke in der Arktis ab. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und seine britische Parnter von der Universität East Anglia haben darauf hingewiesen, dass die arktische Eisbedeckung ein „Kippelement“ für das Klimasystem der Erde ist. Tatsache ist: Je mehr Eis schmilzt, desto mehr Wärme nimmt das Meer auf, desto mehr Eis schmilzt. Ob der Prozess durch ein paar sehr kalte Jahre aufzuhalten ist, weiß derzeit niemand. Was aber bekannt ist, ist dass das wärmere Meer und der höhere Zufluss von Süßwasser die globalen Meeresströmungen beeinflussen kann. Und die Temperaturen an Land steigen ebenfalls. Bis zum Jahr 2000 gab es zwar noch keine Hinweise, dass die Permafrostböden in Sibirien, Alaska oder Nordkanada auftauen und große Mengen Methan (CH4), ein Treibhausgas mit einer 25 Mal höheren Potenz als Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre abgegeben haben. Aber die Nationale Meeres- und Atmosphärenbehörde der USA (NOAA) haben gerade erst eine Studie veröffentlicht, nach der der Anteil an Methan in der Atmosphäre 2007 um rund 27 Millionen Tonnen gestiegen ist, nachdem er ein Jahrzehnt lang stabil war. „Wir fürchten, es könnten die ersten Anzeichen für das Auftauen der Permafrostböden sein“, sagt Ed Dlugokencky von NOAA.

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