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Panorama: Klopfzeichen

Die dramatische Rettung dreier Seeleute vor Norwegen

Der erste verzweifelte Notruf der 29-köpfigen Besatzung des Frachters „Rocknes“ erreichte die norwegische Küstenwache am Montag um 16 Uhr 30. Der Frachter war innerhalb weniger Sekunden umgeschlagen und hatte einen Teil der Besatzung unweit der norwegischen Westküste unter der Meeresoberfläche begraben. „Ich bin geschockt, dass es so schnell ging“ erinnert sich der Seemann Rolf Kjærgård. So schnell wie möglich wurden Rettungsschiffe, Helikopter und Taucher zum Unglücksort in der Nähe von Björöy gebracht. Während Taucher und Helikopter einen Teil der Besatzung aus dem Meer fischten, kletterte eine Rettungsteam auf den an der Meeresoberfläche liegenden, aalglatten Rumpf des Frachters und nahm durch Klopfzeichen Kontakt mit eingeschlossenen Seemännern auf. Es wurde entschieden das 166 Meter lange Schiff in seichteres Wasser zu schleppen. Der massive Schiffskörper sollte aufgeschnitten werden um zu den eingeschlossenen Besatzungsmitgliedern zu gelangen, die in einer Luftschleuse des Maschinenraums festsaßen.

Eine 10 Millimeter kleine Luke im Rumpf wurde geöffnet, um mit den eingeschlossenen Männern kommunizieren zu können. Die Luke zu öffnen, barg die Gefahr, dass die Luft aus dem Raum herausströmen könnte und Wasser in das innere eindringt, wenn das Schiff weiter sinkt. Gleichzeitig wußte niemand wie viele weitere Opfer tiefer im Schiff eingeschlossen waren.

Alles musste deshalb sehr schnell gehen. „Wir bekamen Informationen von den Überlebenden über Papierfetzen durch die Luke“, sagt Malvin Solberg, Kapitän des Rettungsschiffes „Flekkerøy".

Mit Sägen schnitten die Rettungsarbeiter dann ein 60 mal 60 Zentimeter großes Viereck in den Rumpf – immer vorsichtig, nie ganz durch die Platten durchsägend, um die Seemänner nicht zu verletzten. Kurz vor Mitternacht dann der erste Erfolg. An den Ecken des Vierecks wurden Halterungen für Seile angeschweißt, mit deren Hilfe ein Lastkran des Rettungsschiffes die viereckige Rumpfplatte aus dem Schiff lösen konnte.

Steine für Deutschland

Gleichzeitig sank das Schiff weiter ab. „Das Wasser stieg im Maschinenraum soweit an, dass der Abstand bis zur Rumpfdecke nur noch einen Meter bestand. Wir schrien und jubelten als wir die drei Filipinos lebend herauskommen sahen“, sagt Malvin Solberg. Weil das Schiff immer weiter sank, wich die Freude aber schnell der Sorge um weiter Besatzungsmitglieder im Schiffsinneren. Das Norwegische Militär suchte die ganze Nacht durch den Unglücksort mit Wärmekameras ab – erfolglos. Die Lufttemperatur lag bei minus drei Grad und das Wasser war fünf Grad kalt.

Am Dienstag pumpten die Rettungsmannschaften Luft in den umgekippten Frachter, um ihn zu stabilisieren, damit Hilfsarbeiter in den Rumpf einsteigen können, um weitere, wahrscheinlich tote Besatzungsmitglieder ausfindig zu machen. Es fehlen noch immer 15 Menschen.

Der Frachter war auf dem Weg nach Deutschland gewesen, beladen mit Steinen. Die 29-köpfige Besatzung bestand aus 23 Filipinos, drei Holländern, zwei Norwegern und einem Deutschen. Elf konnten bisher mit leichteren Verletzungen gerettet werden und drei wurden tot aufgefunden, der letzte um 11 Uhr am Dienstag. Nach Angaben der norwegischen Seerettungszentrale bleibt auch der norwegische Kapitän des Frachters weiterhin vermisst.

Der Lotse des Schiffes überlebte das Unglück und wurde bereits im Krankenhaus von der Polizei verhört. Das Gespräch sei ergiebig gewesen, aber Angaben über den Ursache des Unglücks wollten die Behörden am Dienstag nicht machen. Nach Angaben norwegischer Zeitungen sei der Frachter kurz vor dem Unglück auf Grund gelaufen. Auch am Dienstag suchte ein Großaufgebot an Booten nach Überlebenden. Die Polizei rechnet jedoch nicht mehr mit einem großem Erfolg.

André Anwar[Stockholm]

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