zum Hauptinhalt

Panorama: Kluge Rächerin

Natalie Portman spielt immer auch sich selbst – jetzt in dem neuen Action-Film „V wie Vendetta“

Von Rüdiger Suchsland Als düstere Kriminelle kann man sich diese kleine, zarte, junge Frau auf den ersten Blick so gar nicht vorstellen. Und doch begann mit so einer Rolle Natalie Portmans Filmkarriere: In Luc Bessons „Leon – der Profi“ spielte sie 1994, gerade 13 Jahre alt, Mathilda, eine traurige Zwölfjährige, die alles dafür tut, um die Mörder ihre Bruders zur Strecke zu bringen. Das war eine Kindfrau, wie man sie noch nicht gesehen hatte im Kino, voller Todessehnsucht und Kälte, uralt und wissend in ihrem unschuldigen Kinderkörper.

Mit ihrer ersten Rolle ist Natalie Portman zu einer Ikone unserer Popkultur geworden. Von ihr zehrt sie gewissermaßen; seitdem hat Portman oft solche Figuren gespielt: dunkle, todesnahe Gestalten, oder fatalistische Teenager, die sich mit der Welt allein gelassen fühlen. Gleich in ihrem zweiten Film, Michael Manns „Heat“, wie „Leon“ inzwischen ein moderner Klassiker, versuchte sie, sich die Pulsadern aufzuschneiden. In „Garden State“ war sie eine hinreißend neurotische Epileptikerin, die zwar nicht alle Tassen am vorgesehenen Ort hat, aber zumindest einen guten Musikgeschmack, mit dem sie dann einen phlegmatischen Deppen verzaubert. Und selbst in George Lucas’ bleiernen „Star Wars“-Filmen war ihre Figur der Königin Amidala, die vor allem in computererzeugten Räumen stehen und lange Texte aufsagen muss, die lebendigste von allen – eben weil sie so todesnah war. Schließlich entpuppt sich da ihr geliebter Gatte als von der „dunklen Seite der Macht“ besessener Oberschurke.

Auch in ihrem neuesten Film, „V wie Vendetta“ von James McTeigue, die in Babelsberg gedrehte Verfilmung eines Kultcomics, die jetzt ins Kino kommt, spielt sie wieder eine Art Rächerin: eine junge Frau, deren Eltern Opfer einer Diktatur wurden, die sie nun bekämpft. Man könnte auch sagen, Natalie Portman spielt eigentlich immer wieder nichts anderes als sich selbst: ein Mädchen, das zu früh erwachsen wurde.

1981 in Jerusalem geboren und mit drei Jahren mit ihren Eltern – einem Arzt und einer Künstlerin – in die USA emigriert, wuchs Portman auf der ebenso schönen wie wohlhabenden Halbinsel Long Island auf. Lange Zeit hat sie, die mit 12 in einer Pizzeria entdeckt wurde, ihr Privatleben gut verborgen. Keiner kannte ihren wirklichen Nachnamen, Fans rätselten, an welcher Uni sie nun studierte, und man konnte fast den Eindruck haben, es gebe zwei Natalie Portmans, die öffentliche und die private.

Vielleicht verriet die „Star Wars“-Episode, in der sie selbst in die Rolle ihrer Hofdame schlüpft und sich quasi incognito unters Volk begibt, auch etwas über die heimliche Sehnsucht dieser Darstellerin, einfach mal normal zu sein. Auch in anderen Rollen sah man in Portman neben Rätsel, Trauer und Düsternis auch ein ganz normales american girl, das ganz down to earth sein möchte und sich danach sehnt, dass die Wolken verschwinden – und eben ein bisschen versponnen ist.

Man weiß, dass Portman in Harvard studiert hat, eigentlich Hershlag heißt, dass ein Teil ihrer Urgroßeltern in deutschen KZs ermordet wurde. Dass sie aus einer jüdischen Familie kommt, mit 16 Jahren in ihrer ersten Theaterrolle als Anne Frank auftrat und ein Jahr später im „Time“-Magazine einen Text über deren Tagebuch veröffentlichte („tief unten ist die Jugend einsamer als das Alter“) – in diesem Zusammenhang ist vielleicht auch ihre neue Rolle keine völlig beliebige Wahl: In „V wie Vendetta“, den man nicht voreilig als billiges Actionkino abtun sollte, wird sie gefangen, ihr wird eine Glatze geschoren und dann wird sie allen möglichen „verschärften Befragungen“ und Psychofoltern unterworfen, wie sie wohl in Guantanamo Alltag sind. Man darf darin auch die Auseinandersetzung einer ungewöhnlich ernsthaften und klugen Schauspielerin mit ihrer Herkunft sehen.

Denn es hat nie gestimmt, wenn Portman von der „Elle“ als „Rivalin von Julia Roberts“ oder gar, vornehmlich von älteren Kritikern, als „zweite Audrey Hepburn“ bezeichnet wurde. Sie ist genau das Gegenteil von der ewigen Prinzessin; nicht aristokratisch und nicht „süß“, sondern dunkel, ernst und anarchisch. Dass sie nicht bloß bei Tiffany’s frühstücken will, bewies sie endgültig 2005 in Mike Nichols „Hautnah“ – als Stripperin brach sie mit dem Bild vom prüden Mädchen. Natalie Portman ist erwachsen geworden.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false