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köln einsturz vermisster plakat

© dpa

Kölner Stadtarchiv: Frage nach den Verantwortlichen für den Einsturz

Die Situation an der Einsturzstelle in Köln wird mit Blick auf die beiden vermutlich Verschütteten immer aussichtsloser. Die Suche nach den Männern konnte noch nicht beginnen. Doch wer ist an dem Unglück Schuld?

Die Gefahr eines neuen Erdrutsches hat die Suche nach Verschütteten an der Einsturzstelle des Kölner Stadtarchivs am Freitag immer weiter verzögert. Die Chance, die beiden vermissten jungen Männer lebend zu bergen, ging nach Einschätzung der Feuerwehr gegen Null. Mit zunehmender Heftigkeit wurde die Frage nach den Verantwortlichen für das Unglück gestellt. Kulturdezernent Georg Quander sprach vom wahrscheinlich größten Schaden an Archivgut seit dem Zweiten Weltkrieg. 90 Prozent der Bestände lägen unter dem Trümmerberg oder seien in dem Krater verschwunden. Die Restaurierung dessen, was noch gerettet werden kann, wird nach Experten-Schätzung 20 bis 30 Jahre dauern.

Das Archiv und zwei andere Häuser waren am Dienstag vermutlich aufgrund des U-Bahn-Baus eingestürzt. Nur ganz langsam konnten sich schwere Bagger am Freitag zum Trümmerfeld vorarbeiten. "Der Boden ist lose - das ist das Problem", sagte Feuerwehrdirektor Stephan Neuhoff. Mit der Suche nach den beiden Vermissten könne wohl erst in der Nacht zum Samstag begonnen werden. Der Boden war mittlerweile völlig aufgeweicht, das Grundwasser stieg an und musste abgepumpt werden. Die Stimmung unter den Rettungskräften sei gedrückt, sagte ein Sprecher.

Verkehrsbetriebe bestreiten fehlende Kontrollen

Die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) bestritten derweil Versäumnisse bei der Überwachung des U-Bahn-Baus. "Wir haben alle Untersuchungen durchgeführt, die die Regeln der Technik erfordern", sagte der KVB- Projektleiter Rolf Papst. Man habe den Einsturz einfach nicht vorhersehen können. Selbst wenn man zehn Minuten zuvor gemessen hätte, hätte mit Sicherheit auch noch nichts darauf hingedeutet.

Nach einem Bericht der "Kölnischen Rundschau" haben die KVB die Bodenverhältnisse in der Nähe des Archivgebäudes während der Tunnelarbeiten nicht überwacht. Lediglich vor Ausschreibung des Projekts und vor Baubeginn sei der Boden stichpunktartig untersucht worden. Der Kölner Geotechniker Professor Josef Steinhoff sagte dazu auf Anfrage, eine laufende Kontrolle des Erdreichs hätte die Katastrophe nicht verhindern können. Bei dem Einsturz müsse man von einem Wassereinbruch in der Baugrube ausgehen, und ein Wassereinbruch sei nicht kalkulierbar.

Katastrophe für die Archivbestände

Kulturdezernent Quander sagte, im Gegensatz zu Frankfurt am Main habe Köln seine Archivschätze trotz stärkster Bombardierung während des Krieges bewahren können. "Umso tragischer ist es, dass wir in Friedenszeiten eine solche Situation erleben müssen." Von dem, was im Schutt liege, werde man hoffentlich vieles bergen können. Was aber in der Grube verschwunden sei, werde vermutlich vom Grundwasser so stark zerstört, das es für immer verloren sei.

Die Direktorin des Archivs, Bettina Schmidt-Czaia, sprach von einer "absoluten Katastrophe". "Ich muss Ihnen sagen, dass wir jetzt für Jahre geschlossen sind", kündigte sie an. Ein Teil des Heinrich- Böll-Nachlasses sei zum Glück für Editionsarbeiten ausgelagert gewesen, nicht aber die umfangreiche Kollektion, die dem Archiv erst vor kurzem von der Familie des Nobelpreisträgers überlassen worden war. "Das, was neu abgegeben wurde, hat sich komplett im Archiv befunden - und auch an ungünstiger Stelle", sagte Schmidt-Czaia.

Zwei Männer weiterhin vermisst - Überlebenschancen gering

Vermisst wurden nach wie vor ein 23-jähriger Designstudent und ein 17-jähriger Bäckerei-Azubi. Sie hielten sich vermutlich in den Dachgeschosswohnungen eines der ebenfalls eingestürzten Häuser auf. Bereits kurz nach dem Unglück hatte die Polizei Signale des Handys von einem der beiden Vermissten geortet. Allerdings sei die Ortung nur bis auf rund 200 Meter genau. Am gegenüberliegenden Gymnasium registrierte die Feuerwehr Gebäudebewegungen. Das Gymnasium sei aber nicht akut einsturzgefährdet, teilte die Stadt mit. Aus den stark beschädigten Nachbarhäusern an der Einsturzstelle wurden in der Nacht zum Freitag Dokumente und Wertsachen geborgen. Für 35 unmittelbar Betroffene, die ihre Wohnung verloren haben, wird nach KVB-Angaben insgesamt eine Million Euro bereitgestellt. (jnb/dpa)

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