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Panorama: Kongo: "Getötet wird täglich"

In einer abgelegenen Provinz der Demokratischen Republik Kongo sind mehr als 800 Menschen von einer wütenden Menge getötet worden. Die Opfer waren der Hexerei verdächtig.

In einer abgelegenen Provinz der Demokratischen Republik Kongo sind mehr als 800 Menschen von einer wütenden Menge getötet worden. Die Opfer waren der Hexerei verdächtig. Die Massaker geschahen in einer abgelegenen Nordostprovinz, in Dörfern rund um die Stadt Aru. In dieser Gegend fehlt seit Jahren eine staatliche Ordnungsmacht, allein Rebellen und Soldaten der Besatzungsarmee aus dem Nachbarland Uganda sind hier stationiert.

So meldeten auch ugandische Militärs als Erste die Nachricht von der tödlichen Hexenjagd. In Aru waren Mitte Juni Gerüchte aufgetaucht, wonach einige Personen andere mit einem Fluch belegt hätten. Dies hatte eine Panik und das zwei Wochen andauernde Morden ausgelöst. Einer der Täter, der mittlerweile in Haft sitzende Dorfchef Ovu Sudara, äußerte sich in der ugandischen Zeitung "New Vision" zum Auslöser der Raserei: "Wir hatten die Menschen gebeten, die Verdächtigen zu identifizieren. Die wurden dann aufgefordert, mit der Hexerei aufzuhören und ihre Komplizen anzuzeigen. Dann begann die Menge mit dem Töten."

Der ugandische Armeesprecher Alfred Opio sprach nach einem Besuch in Aru von 843 Toten. Diese Zahl sei ihm vom Gouverneur der Rebellenverwaltung genannt worden. 150 mutmaßliche Mörder seien von der örtlichen Polizei und ugandischen Soldaten verhaftet und ins Gefängnis von Aru gesteckt worden. "Die Täter sagen, sie seien von ihren Dorfältesten angestiftet worden", sagte der Armeesprecher.

Die Verfolgung von Hexen oder Zauberern ist in vielen Ländern Afrikas üblich. Bei Unglück, Tod, schlechten Ernten oder Seuchen werden ältere Menschen oft zu Sündenböcken gemacht. In Ghana wurden zwei ältere Frauen ermordet, weil man sie für schuldig am Tod eines Meningitis-Kranken befand. In Kenia wurde ein alter Mann gelyncht, weil er nachts angeblich in seiner Hütte gehext hatte. Und in Uganda begann eine tödliche Jagd auf drei angebliche Zauberer, nachdem einige Kinder verschwunden waren.

Einen traurigen Rekord der Hexenjagd hält Tansania in Ostafrika. Laut Angaben der Polizei in der Hauptstadt Daressalam werden hier im Durchschnitt jeden Monat 20 ältere Frauen "brutal ermordet". Der Mob brennt ihre Hütten nieder, oder die Frauen werden im Schlaf mit Hacken erschlagen. "Getötet wird täglich", sagt Polizeichef Martin Kamuhana, "doch wir können das Problem nicht rasch lösen. Der Aberglauben in der Bevölkerung sitzt zu tief."

Der Sozialwissenschaftler George Masu von der Universität Nairobi äußert sich pessimistisch über die Menschenjagd. Es bestehe eine Nachfrage der Gesellschaft nach Sündenböcken, sagt er, deshalb werde das Problem in Afrika auch nicht rasch zu lösen sein. In Afrika nährten religiöse, soziale und wirtschaftliche Motive die Hexenjagd. Sie sei ein Mittel, Rache für das eigene Schicksal zu nehmen. Gerade in abgelegenen Landstrichen, wo das zivile Regierungssystem schwach sei, komme es zu diesen Morden.

Aber das Treiben wird nicht mehr unwidersprochen hingenommen. In Tansania setzen sich die christlichen Kirchen dafür ein, dass in den Schulen gegen den Hexen-Glauben gelehrt wird. Gefordert wird auch, dass die Distriktverwaltungen die traditionellen Medizinmänner stärker kontrollieren und dafür eine gesetzliche Handhabe bekommen. Sie sind es oft, die die Ermordung von alten Leuten anstiften. In westafrikanischen Ländern wie Senegal und Ghana haben humanitäre Verbände eigene Dörfer für alte Frauen gegründet, die als Hexen aus ihrer Heimat verbannt worden sind.

Aber auch die Frauen begehren auf. In Ghana verklagte die 80-jährige Janet Tibu den Rat ihrer Dorfältesten, nachdem der sie wegen Hexerei zu einer Geldstrafe verurteilt hatte und ihr auferlegte, sie dürfe ihre Kinder nicht mehr sehen. Die Ältesten hatten einer Klage eines Medizinmannes stattgegeben, der angeblich von Janet Tibu verhext worden sein will. Der Kräuterdoktor behauptete, er leide wegen Janet Tibus Hexerei an Verarmung und Impotenz. Janet Tibu zog vor ein Zivilgericht, um von den Dorfältesten Schadenersatz zu verlangen, denn ihr Ruf sei zerstört und ihr Leben ruiniert. Sollte Janet Tibu den Prozess gewinnen, wäre dies ein Sieg für viele ältere Frauen in Ghana.

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