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Panorama: Kopftuch verboten – in Ägypten TV-Ansagerinnen

vom Bildschirm verbannt

Kairo - Ghada al Tawil versteht die Welt nicht mehr. Die 40-jährige Ägypterin ist seit 15 Jahren beim staatlichen ägyptischen Fernsehen angestellt und präsentierte auf dem Lokalsender „Kanal 5“ in Alexandrien vier Sendungen zu sozialen Themen. Doch seit Ghada al Tawil beschloss, einen Schleier zu tragen, ist sie vom Bildschirm verbannt. „Es gibt kein schriftliches Verbot“, erklärte ihre Anwältin Amani Khalil, aber mündlich habe man ihrer Mandantin erklärt, das Bedecken des Kopfes mit einem Kopftuch sei „unzivilisiert“. Seither spricht Ghada al Tawil aus dem Off, bereitet Nachrichten vor und verdient weniger Geld.

Doch damit will sich die Frau nicht abfinden. „Ich habe keine politische Agenda, ich will nur meine persönliche Freiheit verteidigen“, lässt Ghada al Tawil über ihre Anwältin ausrichten, da der Sender ihr mit Sanktionen gedroht hat, sollte sie mit der Presse sprechen. Immerhin hat sie sich in ihrem Arbeitsvertrag zur Bewahrung von Betriebsgeheimnissen verpflichtet. Aber ein Schleierverbot für Moderatorinnen ist darin nicht erwähnt. Ghada al Tawil und ihre Kollegin Hala al Maliki, die seit 2002 das Kopftuch tragen, haben sogar vor Gericht recht bekommen. 2003 entschied ein Zivilgericht, dass die Ansagerinnen Kopftücher tragen dürfen. Als der staatliche Fernsehsender dies ignorierte, gingen sie wieder vor Gericht und erhielten 2005 erneut recht. Doch der staatliche Arbeitgeber will davon nichts wissen. „Wir sind entschlossen, bis vor die höchsten internationalen Gerichte zu gehen“, sagt Anwältin Khalil. Nach ihren Angaben sind allein bei „Kanal 5“ 13 Ansagerinnen verbannt worden, weil sie ein Kopftuch trugen.

Wenn in westlichen, christlich geprägten Gesellschaften immer öfter Gerichte entscheiden müssen, ob ein Schleier Ausdruck der persönlichen Freiheit oder ein politisches Symbol ist, ist dies eine Sache. Doch in Ägypten ist die Ausgangslage eine andere. Die Bevölkerung ist zu 90 Prozent muslimisch. Nach offiziellen Angaben tragen etwa 75 Prozent der Frauen einen Schleier. Der Islam ist als Staatsreligion in der Verfassung genannt, und die „wesentliche“ Grundlage für die Gesetzgebung ist das islamische Recht, die Scharia. Dennoch hält der Staat die ungeschriebenen Gebote aufrecht, dass Moderatorinnen, die auf dem Bildschirm staatlicher Sender erscheinen, sowie Diplomatinnen kein Kopftuch tragen dürfen. Dieser Bann traf selbst bekannte Schauspielerinnen wie Hanan Turk oder Suheir al Babli. Sie hatten sich zunächst aus dem Beruf zurückgezogen, haben aber im letzten Ramadan in Soap-Operas ihr Comeback mit Schleier gefeiert. Keine der Serien wurde auf terrestrischen Staatssendern ausgestrahlt. Hintergrund ist der Kampf zwischen dem Regime und den Islamisten um die Vorherrschaft in der Gesellschaft.

Doch Ghada al Tawil will ihr Recht durchsetzen. Sie plant eine Website, auf der sie und ihre Kolleginnen ihr Schicksal öffentlich machen, und hofft auf Unterstützung. Anwältin Khalil prüft derzeit, bei welchem internationalen Gericht eine Klage infrage kommt.

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