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"Enkeltrick": Hamburger Polizei zeigt Beute von Betrügern.

© dpa

Kriminalität: "Enkeltrick"-Betrüger haben es auf Senioren abgesehen

Sie geben sich telefonisch als Verwandte oder an der Haustür als Polizist oder Handwerker aus. Im Visier von Betrügern sind vor allem ältere Menschen. Deren Gutgläubigkeit, Hilfsbereitschaft und Harmoniebedürfnis wird gezielt ausgenutzt.

Mit blauem Kugelschreiber sind unter anderem die Namen „Hannelore“, „Hugo“ und „Erika“ angestrichen - die Markierungen in den Telefonbüchern, die im Hamburger Polizeipräsidium aufgeschlagen auf dem Tisch liegen, zeigen deutlich die Zielgruppe der Betrüger: ältere Menschen. Auch die Bande, deren Zerschlagung Polizei und Staatsanwaltschaft am Freitag in Hamburg bekanntmachten, hatte es auf Senioren abgesehen. Die Ermittler bezeichnen sie gar als Erfinder des sogenannten „Enkeltricks“. Mehr als eine Million Euro soll die Betrüger-Gruppe um drei in Polen geschnappte mutmaßliche Haupttäter - neben einem 46-Jährigen zwei 27 und 44 Jahre alte Männer - mit der Masche ergaunert haben. Luxus-Uhren, hochwertiger Goldschmuck, Pelzmäntel, Silberbesteck und Designer-Schuhe, die am Freitag im Hamburger Polizeipräsidium gezeigt werden, zeugen vom einträglichen Geschäft der Betrüger.

Einträge im Telefonbuch löschen

Die Masche der „Enkeltrick“-Betrüger ist stets gleich: In Telefonbüchern suchen sie Menschen mit Vornamen, die eher alt klingen und rufen diese gezielt an. Sie verwickeln ältere Menschen in ein Gespräch, bei dem sie ihren Namen verschweigen und die Angerufenen dazu bringen, einen ihnen bekannten Namen zu nennen. Dies geschieht mit Formulierungen wie: „Weißt du denn nicht, wer hier ist?“ Bei ihren Betrügereien profitieren die Täter von der Gutgläubigkeit und der Hilfsbereitschaft der älteren Menschen - und nicht zuletzt von deren vielfach vorhandenem Wunsch nach mehr Kontakt mit den eigenen Angehörigen. Auf diese Weise erbeuten sie nicht selten bei nur einem Fall mehrere Tausend Euro.

Sich nicht von freundlichen Menschen ansprechen lassen

Nicht nur die Hamburger Polizei hat Erfahrungen mit dieser Art von Betrug: „Weil die Täter ein ausgeklügeltes Warnsystem - wie Spione an den Wohnhäusern der Opfer - haben, ist es erfahrungsgemäß sehr schwierig, solche Straftaten aufzuklären“, erklärt die Sprecherin des Polizeipräsidiums Rostock, Isabel Wenzel. Wie aus der polizeilichen Kriminalstatistik hervorgeht, sind allein in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2013 mehr als 17 500 Betrugsfälle erfasst worden. Wie viele davon dem „Enkeltrick“ zuzuschreiben seien, wurde nicht erhoben.

Warnungen scheinen zu wirken

Neben dem jüngsten Ermittlungserfolg in Hamburg scheinen auch die steten Warnungen der Polizeibehörden mittlerweile zu wirken. So berichtet die Polizeidirektion Kiel, dass es innerhalb der letzten Wochen im Stadtgebiet einige Versuche gegeben habe, über den „Enkeltrick“ an das Geld von Senioren heranzukommen. Es sei hier aber nur bei Versuchen geblieben, sagte ein Polizeisprecher.

Auch in Berlin lassen sich viele Ältere nicht mehr reinlegen. Immer wieder gibt es Fälle, wo Enkeltrick-Betrüger festgenommen werden konnten, weil die Seniorinnen und Senioren pfiffig waren.
Neben dem „Enkeltrick“ warnt die Polizei eindringlich vor anderen Betrügereien. In Hamburg sind demnach auch Täter unterwegs, die sich als Heizungsinstallateure oder Polizisten ausgeben und sich ebenfalls vor allem an ältere Menschen heranmachen. Meist verschaffen sich die Betrüger unter einem Vorwand Zutritt zur Wohnung ihrer Opfer und lenken diese geschickt ab, um Wertsachen aus der Wohnung zu stehlen. Auch falsche Ordnungsamt-Mitarbeiter sind unterwegs. In ländlichen Regionen registriert die Polizei auch immer wieder mal Banden, die sich als Handwerker ausgeben und mit minderwertigen Arbeiten - etwa eine Auffahrt teeren oder ein Dach neu decken - hohe Geldbeträge ergaunern.

Im Zweifel die Polizei rufen

Um sich vor Betrügern zu schützen, rät die Polizei dazu, älter klingende Vornamen im Telefonbuch auf den Anfangsbuchstaben abkürzen zu lassen, um die Aufmerksamkeit von Betrügern erst gar nicht auf sich zu ziehen. Oder man löscht den Telefoneintrag vollständig. Auch sollte man sich von Anrufern nicht dazu verleiten lassen zu raten, wer am anderen Ende der Leitung ist - und auf keinen Fall auf Bitten nach Bargeld eingehen. Im Zweifelsfall empfehlen die Experten, andere Familienmitglieder oder enge Freunde ins Vertrauen zu ziehen. Das Wichtigste sei, sich zeitlich und emotional nicht unter Druck setzen zu lassen.

Beim Fremden am Telefon einfach auflegen - Hautür vor der Nase zumachen

Wichtig ist es auch, die Polizei zu rufen, wenn Fremde in möglicherweise betrügerischer Absicht anrufen, oder geklingelt haben. Wichtig auch: Wer eine fremde freundliche Stimme am Telefon vernimmt, sich nicht auf ein Gespräch einlassen, einfach auflegen. Das ist zwar unfreundlich, weshalb viele Senioren Schwierigkeiten damit haben, aber es ist völlig legitim, sich aus einer Situation herauszuziehen, in der man unterlegen ist.

Keine Verträge für Handys, Münzabos oder anderes unterschreiben, keine Adresse oder Bankverbindung angeben

Vorsicht ist auch geboten, wenn Handyverträge angeboten werden, oder Münz-Abos. Einfach den Hörer auflegen, oder die Haustür vor der Nase zumachen, auch wenn es schwerfällt. Auch auf der Straße sollten vor allem ältere Herren sich nicht von jungen, sympathischen Mädchen einer (angeblichen) Hilfsorganiation überreden lassen, einen Vertrag zu unterschreiben, oder Adresse oder die Bankverbindung anzugeben.

Keine Emails von unbekannten öffnen

Wichtig ist es, keine Emails von Unbekannten zu öffnen. Niemals Bankdaten weitergeben, oder gar die Pin-Nummer, oder die Tan-Nummer. Echte Bankmitarbeiter würden niemals nach Tan-Nummern fragen

Betrogene schämen sich oft

Für die Opfer von Betrügereien sind die psychischen Belastungen nach Ansicht einer Expertin oft schlimmer als die finanziellen Verluste. Viele verließen das Haus nicht mehr oder mieden den Kontakt zu Angehörigen, sagte Karla Mertins von der Opferhilfe-Organisation Weißer Ring in Hamburg im Interview der Nachrichtenagentur dpa. Sie schämten sich, den Betrügern auf den Leim gegangen zu sein.
Frage: Ihre Hilfsorganisation verzeichnet jeden Monat mehrere Betrugsfälle, etwa in Form des Enkeltricks. Warum sind gerade ältere Menschen so anfällig? Antwort: Das Problem ist, dass viele ältere Menschen nicht mehr sonderlich fit auf den Beinen sind. Deshalb gehen sie zu Beginn des Monats einmal zur Bank, heben ihre gesamte Rente ab und deponieren sie zu Hause, quasi unter dem Kopfkissen. Das macht sie natürlich angreifbar. Dazu glaubt ein Großteil von ihnen: „So etwas kann mir nicht passieren.“ Und dann ist das Geld weg. Aber das ist nicht das eigentlich Schlimme daran. Viele der Opfer verfallen nicht selten in einen Zustand sozialer Isolation - sie verlassen das Haus nicht mehr oder vermeiden den Kontakt zu Angehörigen, weil sie sich schämen, den Betrügern auf den Leim gegangen zu sein. Viele würden lieber hungern, als ihren Verwandten gegenüber ihre durch den Betrug entstandene finanzielle Notlage zu schildern. Das Vertrauen in die Gesellschaft wird durch einen solchen Vorfall stark erschüttert.

Der Weisse Ring hilft unter der Nummer 116 006

Die Polizisten leisten in der Regel nach der Aufgabe der Anzeige nur eine emotionale Erstversorgung. Anschließend wird die Außenstelle des Weißen Rings von der Polizei benachrichtigt. Wir nehmen dann Kontakt auf, vereinbaren ein Treffen und versuchen, das zerstörte Vertrauen wieder aufzubauen. Dabei hilft es, den Betroffenen vor Augen zu führen, dass sie als Betrugsopfer nicht alleine dastehen, dass so etwas jedem passieren kann. (dpa)

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