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Alles klar für den TÜV? Ein umgebauter Citroen 2CV steht vor einer Garage in Sparta.

© rtr

Krise in Griechenland: Viele Griechen schwänzen den TÜV

In Krisenzeiten drücken sich viele Griechen vor dem TÜV. Fachleute schätzen, dass von den rund sechs Millionen Kraftfahrzeugen in Hellas rund zwei Millionen mit abgelaufenen TÜV-Plaketten unterwegs sind.

In Griechenland ist es nicht anders als in Deutschland: Alle zwei Jahre müssen Autobesitzer ihr Fahrzeug zur Hauptuntersuchung (HU) vorführen, im Volksmund auch TÜV genannt. So ist es zumindest in der Theorie. Die Praxis sieht, wie so oft in Griechenland, etwas anders aus. Immer weniger griechische Automobilisten fahren bei einer der rund 200 Prüfstellen vor, die es zwischen Kastoria im Norden und Kreta im Süden gibt. Der Grund: die Krise. „Die meisten Leute müssen jeden Euro zweimal umdrehen“, sagt ein Mitarbeiter einer Kfz-Prüfstelle im Athener Vorort Vari. Seit 2008 haben die griechischen Privathaushalte im Schnitt fast 40 Prozent ihrer Kaufkraft verloren. Allein im vierten Quartal 2013 gingen die Realeinkommen gegenüber dem Vorjahr um acht Prozent zurück. Die Arbeitslosenquote stieg seit 2008 von 7,5 auf 27 Prozent.
Viele Griechinnen und Griechen müssen deshalb auf ein eigenes Auto verzichten. Allein im vergangenen Jahr gaben mehr als 200 000 Autobesitzer ihre Nummernschilder bei den Steuerbehörden zurück. Andere fahren weiter, versuchen aber, an allen Ecken und Enden zu sparen. Zum Beispiel beim TÜV. Fachleute schätzen, dass von den rund sechs Millionen Kraftfahrzeugen, die es in Griechenland gibt, rund zwei Millionen mit abgelaufenen TÜV-Plaketten unterwegs sind. Hinzu kommen rund eine Million Mopeds und Motorräder, deren Halter die Hauptuntersuchung geschwänzt haben.
Manche Prüfstellen bieten inzwischen Rabatte für Arbeitslose an. Dennoch bleibt die Kundschaft aus. „Die Leute wollen nicht nur die 55 Euro für die Hauptuntersuchung sparen, viele haben auch Angst vor den folgenden Reparaturkosten, wenn bei der Prüfung Mängel festgestellt werden“, sagt ein Prüfer.
Wer mit abgelaufener Plakette erwischt wird, muss zwar kräftig zahlen: Das fällige Bußgeld beläuft sich in Griechenland auf 400 Euro. Aber dieses Risiko nehmen die meisten TÜV-Sünder in Kauf. Denn Verkehrskontrollen gibt es in Griechenland nur sehr selten.
Nicht nur bei der Hauptuntersuchung versuchen viele Griechen zu sparen. Laut Schätzung des Verbandes der griechischen Autoversicherer sind auf Hellas’ Straßen rund 730 000 Fahrzeuge ohne Versicherungsschutz unterwegs. Auch ihre Besitzer setzen offenbar darauf, nicht erwischt zu werden. Die Halter nicht versicherter Autos sollen jetzt angeschrieben werden. Sie müssen ihre Fahrzeuge umgehend versichern und eine Strafe zahlen. Sonst droht ihnen die Stilllegung.

Ex-Minister wurde mit gefälschtem Nummernschild erwischt

Aber selbst diese Drohung wird manche wohl nicht schrecken. Rund um den Athener Omonia-Platz gibt es eine Reihe von Läden, in denen man Nummernschilder anfertigen lassen kann – auf Wunsch sogar ausländische. Mit solchen gefälschten Kennzeichen wurde im vergangenen Dezember der frühere griechische Verkehrsminister Michalis Liapis im Athener Vorort Loutsa am Steuer eines bulligen Geländewagens von einer Polizeistreife erwischt, als er ein Stoppschild missachtete. Das Fahrzeug hatte keine gültige TÜV-Plakette, war unversichert, und Kfz-Steuer hatte Liapis auch nicht bezahlt. Der Ex-Minister hatte den Wagen bereits im August 2012 abgemeldet und die echten Kennzeichen beim Steueramt abgegeben. Ein Athener Gericht verurteilte Liapis zu vier Jahren Haft, die er jedoch gegen Zahlung einer Geldstrafe von 73 000 Euro nicht absitzen muss. Die Vorstellung, dass in Griechenland hunderttausende Autos mit technischen Mängeln und ohne Versicherungsschutz umherfahren, muss nicht zuletzt ausländische Auto-Urlauber beunruhigen. Wer schuldlos in einen Unfall mit einem nicht versicherten Fahrer verwickelt wird, kann darauf setzen, dass die für solche Fälle von den griechischen Versicherern eingerichtete Notfallkasse einspringt. Die Erstattung wird als unkompliziert beschrieben. Ohne Einschaltung eines Anwalts kommt man da als Ausländer aber kaum zum Ziel. Fachleute empfehlen deshalb den Abschluss einer Auslands-Rechtsschutzversicherung.

Ohnehin ist auf den griechischen Straßen Vorsicht geboten. Denn viele hellenische Autofahrer betrachten Geschwindigkeitsbegrenzungen, Stoppschilder und Überholverbote als unverbindliche Empfehlungen. Wenn dann auch noch die Reifen abgefahren sind, die Bremsen schief ziehen oder die Blinker nicht funktionieren, sind Unfälle programmiert – oft mit schlimmen Folgen. Im vergangenen Jahr gab es in Griechenland 81 Verkehrstote auf ein Million Einwohner. Im EU-Durchschnitt waren es 52.

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