zum Hauptinhalt
Teilnehmer eines via Facebook organisierten Flashmobs erinnern am Dienstag auf dem Berliner Alexanderplatz an die Atomkatastrophe vor einem Monat im japanischen Fukushima.

© dapd

Krisen-Reaktor: Die Lage in Fukushima: Unsichtbar und unwägbar

Einerseits spricht der japanische Regierungschef Naoto Kan von Fortschritten beim Krisen-Reaktor in Fukushima. Andererseits wurde der Atom-Unfall in die höchste Kategorie eingeordnet. Wie ernst ist die Lage?

Von Matthias Schlegel

Das Vertrauen in die japanische Informationspolitik ist ohnehin angekratzt – nach den jüngsten Äußerungen der japanischen Regierung über die Lage im havarierten Atomkraftwerk Fukushima dürfte die Verwirrung noch größer werden. Zum einen hob die Atomaufsichtsbehörde in Tokio die Einschätzung des Atomunfalls von Stufe 5 auf die höchste Stufe 7 der Ines-Skala (International Nuclear and Radiological Event Scale) an. Bisher hatte nur das Unglück in Tschernobyl 1986 diese Stufe erreicht. Die Katastrophe in der Ukraine war damals Auslöser dafür gewesen, dass für die Beurteilung der Schwere von Atomunfällen die Ines-Skala eingeführt wurde.

Nur kurz nach der Höherstufung sagte der japanische Regierungschef Naoto Kan, dass sich die Situation in Fukushima „Schritt für Schritt“ stabilisiere. So würden die Strahlenwerte, die rings um das Akw gemessen würden, geringer. Zuvor hatte die Atomsicherheitsbehörde die Heraufstufung gerade mit teilweise erhöhten radioaktiven Emissionen begründet. Bislang, so die Behörde, sei Fukushima aber noch nicht vergleichbar mit Tschernobyl. Die in Japan freigesetzte Radioaktivität mache bislang erst zehn Prozent im Vergleich zu Tschernobyl aus. Gleichwohl äußerte die Akw-Betreiberfirma Tepco die Befürchtung, dass Fukushima die Tschernobyl-Katastrophe noch übertreffen könnte, da im Unglücks-Akw weiterhin Radioaktivität austrete. Die japanische Regierung hatte angesichts der Strahlungsgefahren bereits am Montag beschlossen, jetzt auch Gebiete außerhalb der 20-Kilometer-Evakuierungszone räumen zu lassen.

Nicht nur in den USA und Deutschland ist die Skepsis über die Zuverlässigkeit der Informationen aus Japan groß. Auch China hat am Dienstag von der japanischen Regierung verlangt, dass sie „präzise und vollständige Informationen“ aus Fukushima liefern solle. China ist auch beunruhigt wegen des in den Pazifik strömenden radioaktiv verseuchten Wassers. Ministerpräsident Wen Jiabao forderte Kan auf, Schutzmaßnahmen zu ergreifen. In China gilt seit vergangenem Freitag ein verschärftes Einfuhrverbot für eine Reihe von Lebensmitteln aus Japan.

Die größte Gefahr für das havarierte, aber auch für andere japanische Akws geht von Nachbeben aus. Seit dem großen Erdbeben vom 11. März gab es mehr als 400 solcher Beben – mindestens mit Stärke 5. In mehreren Fällen kam es zu Stromausfällen, was vor allem für die Kühlkreisläufe der Kraftwerke bedrohlich ist. Erst am Dienstag erschütterten erneut zwei Beben der Stärke 6 das Land. In Tokio schwankten die Gebäude und in Fukushima wurden die Arbeiter aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen.

Auf die Flugabfertigung in Deutschland hat die Heraufstufung des Reaktorunglücks in Fukushima keine Auswirkungen. Ein Lufthansa-Sprecher sagte am Dienstag, die Maschinen überquerten auf ihren Direktflügen zwischen Tokio und Frankfurt am Main die betroffene Region im Nordosten Japans nicht, sondern steuerten die Hauptstadt vom Süden aus an. Auch die Gefahr, dass kontaminierte Schiffe und Waren aus Japan den Hamburger Hafen erreichen, ist nach Erkenntnissen einer in der Hansestadt eingesetzten Expertenkommission sehr gering. Ein in Hamburg einlaufendes Schiff aus Japan habe zuvor mindestens sechs andere Häfen angesteuert, die ebenfalls hohe Sicherheitsstandards hätten, sagte Innensenator Michael Neumann (SPD). Sollten keine Untersuchungen aus anderen Häfen vorliegen, würden die Schiffe überprüft. Maßnahmen würden bei mehr als 0,2 Mikrosievert ergriffen. (mit dapd/dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false