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Kunstauktion in London: 60 Millionen Euro für einen Zufallsfund

Eine chinesische Vase brach bei einer Auktion in London alle Rekorde – sie stand auf einem Speicher.

„43 Millionen Pfund, sold, sold, sold“, rief Auktionator Peter Bainbridge und schlug mit zitterndem Hammer dreimal aufs Pult. Es gab viele Überraschungen bei den Auktionen der Londoner Asienwoche, die gerade zu Ende ging – aber alles wurde von einem unbekannten Provinzauktionshaus in Ruislip in Nordwestlondon in den Schatten gestellt, dort wo die U-Bahn ihre letzte Station hat.

Eine chinesische Vase der Qianlong- Zeit (1736 bis 1795) ist von den zu der Asienwoche angereisten chinesischen Sammlern auf ein neues Rekordniveau für chinesische Keramik gesteigert worden. Ein britisches Geschwisterpaar hatte die Vase bei einer Haushaltsauflösung zufällig auf dem Dachboden entdeckt. Da das Auktionshaus nach den Verkaufsbedingungen ein Aufgeld von 20 Prozent nimmt, wird sich der Endpreis wohl auf 53,1 Millionen Pfund belaufen – das sind umgerechnet rund 61 Millionen Euro. Es ist der bisher höchste Preis, der für chinesisches Porzellan bezahlt wurde.

„Es war die schönste Vase, die wir seit Jahrzehnten außerhalb Chinas gesehen haben“, sagte der Käufer, ein Agent für einen anonymen chinesischen Privatsammler. Der Preis unterstreicht, dass der Kunstmarkt, angetrieben von chinesischem Geld und Sammlerehrgeiz, in eine neue Hochpreisphase übergeht. Der bisherige Auktionshöchstpreis wurde mit dem Zuschlag mehr als verdoppelt.

Während der bisherige Rekordhalter, eine ebenfalls aus der Qianlong-Zeit stammende „Doppel Gourd“-Vase (rund 25 Millionen Euro), früher im englischen Schloss Fonthill House stand, stammt die bei Bainbridges für das Doppelte versteigerte 41 Zentimeter hohe „Yang Cai“-Vase mit hochkompliziertem doppelwandigen Dekor aus einem Reihenhaus in Pinner, einem Kleinbürgerviertel von London. Die Schwester musste während der Auktion den Saal verlassen, „um Luft zu schöpfen“, berichtete das Auktionshaus.

Die Vase hat modellierte und fein bemalte Medaillons mit Fischen und eine Gitterdekoration aus eckigen Drachen in archaischer Form, durch die man die zart unterglasurblaue innere Wand sehen kann. Die Arbeit ist in erstaunlich gutem Zustand. „Der Himmel weiß, wie diese Vase nach Pinner kam“, sagte Auktionator Bainbridge. Die Eltern der Einlieferer besaßen sie seit den 30er Jahren.

Chinesische Kunst wurde in großen Mengen in den Westen exportiert, die besten Stücke dürften aber nach Plünderungen kaiserlicher Paläste in der Zeit des Opiumkriegs (1839 bis 1842) nach England gekommen sein. Bainbridge-Berater Luan Grocholski merkte bald, dass hier ein außergewöhnlicher Fund vorlag. „Ich dachte: Was macht diese Vase hier? Kann das wahr sein?“

Das Auktionshaus recherchierte im Britischen Museum, im Londoner Victoria & Albert-Museum und, so Peter Bainbridge, „die Schätzung stieg von Tag zu Tag“. „Wir könnten einen siebenstelligen Bereich erreichen“, schrieb Bainbridge in seinem Blog. Kurz vor der Auktion wurde die Schätzung mit 800 000 bis 1,2 Millionen Pfund angegeben. Bainbridge hatte die Vase nach London gebracht und bei Eröffnungen der Asienwoche gezeigt.

Warum werden ausgerechnet jetzt solche Rekordsummen für chinesische Vasen bezahlt? Daniel Eskenazi von der Londoner Edelgalerie Giuseppe Eskenazi kommentiert das Kaufverhalten der neuen chinesischen Sammler so: „Sie kaufen lieber in Auktionen, aus Angeberei. Wir in den Galerien können ihnen nicht die Publizität und den Status eines Auktionskaufs verleihen.“ Viele Kunsthändler würden deshalb ihre besten Stücke nur noch über Auktionen verkaufen.

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