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Panorama: Le Chef

Drei Michelin-Sterne seit 41 Jahren – Paul Haeberlin, der große Koch der „Auberge de l’Ill“ im Elsass, ist tot

Er war: Monsieur Paul. Fiel in der Welt der feinen Küche dieser schlichte, an sich wenig klangvolle Name, dann wussten alle Bescheid. Paul Haeberlin, „Auberge de l´Ill“, drei Michelin-Sterne seit 41 Jahren, Lehrmeister der Größten, Verkörperung des kulinarisch gesegneten Elsass – kurz, einer der wichtigsten Köche des 20.Jahrhunderts. Am vergangenen Sonnabend ist er dort im Kreise seiner Familie friedlich gestorben, 84 Jahre alt, „im Zustand allgemeiner Erschöpfung“, wie es hieß.

Paul Haeberlin war kein revolutionärer Neuerer und auch kein Marketinggenie wie sein Freund Paul Bocuse. Seine Stärke lag in der behutsamen Modernisierung der traditionellen Küche – für die Öffentlichkeitsarbeit sorgte sein eloquenterer Bruder Jean-Paul, der Inbegriff des Gastgebers. Beide haben den weltberühmten Gasthof am Ufer der Ill aus dem Nichts aufgebaut. Ihr Urgroßvater Friedrich hatte 1882 an dieser Stelle den „Grünen Baum“ gegründet, eine bescheidene Wirtschaft ohne Ambitionen. Doch sein Sohn, der ebenfalls Friedrich hieß, mehrte den Ruf des Hauses mit Hilfe seiner kochenden Schwester Henriette, die für verfeinerte elsässische Traditionsgerichte wie die Aal-Matelote und den Hecht in Weißwein gerühmt wurde. 1940 endete der Traum, als französische Truppen die nahe Brücke sprengten, um den Vormarsch der Deutschen zu stoppen; dabei wurde auch das Gasthaus zerstört.

Der junge Paul, der seiner Mutter und seiner Großmutter schon mit fünf Jahren in der Küche geholfen hatte, lernte in den Kriegswirren kochen, begann mit 14 eine Lehre in Ribeauvillé bei Edouard Weber, der einst Koch am Hof der Romanows in Petersburg gewesen war. 1950 eröffnete er zusammen mit seinem Bruder, der unterdessen Kunst studiert hatte, die neue „Auberge de l´Ill“. Zwei Jahre später ging der erste Michelin-Stern über dem Haus auf, 1957 der zweite, 1967 der dritte.

Das Restaurant war endgültig an der Spitze angekommen, und mit ihm Paul Haeberlin, der ebenso bescheidene wie perfektionistische Küchenchef. Jeden Morgen um sieben betrat er die Küche, band sich die blütenweiße Schürze um seine füllige Körpermitte und gab der Brigade den Takt vor – einer stets hoch besetzten Brigade, aus der nicht minder berühmte Köche wie Jean-Georges Vongerichten und Eckart Witzigmann hervorgingen.

Erst vor zwei Jahren zog sich Paul Haeberlin endgültig aus der Küche zurück; sein 54-jähriger Sohn Marc hatte die eigentliche Leitung des Betriebs schon nach und nach übernommen, seit er nach Lehr- und Wanderjahren 1976 in die Küche zurückgekehrt war. Er ergänzte die legendären Klassiker des Hauses, den soufflierten Lachs in Champagnersauce, den Hummer „Wladimir“ oder den Pfirsich „Haeberlin“ nach und nach um modernere Kreationen. Auch in Zukunft, das ist sicher, werden in Illhäusern die kulinarische Tradition und die Moderne nebeneinander bestehen. Paul Haeberlin wird am Donnerstag in Colmar beigesetzt.

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